Serie: Fritz Bauer: Bücher, Filme, CDs und vor allem die Ausstellung in Frankfurt am Main, Teil 4

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die Ausstellung will doch den Staatsanwalt Fritz Bauer würdigen, dem unentwegt der Vorwurf gemacht wurde, er übe sein Amt politisch aus. Genau deshalb wurde er insbesondere für die Jugend, aber auch für den anderen Teil der Deutschen, die eine kritische Demokratie wollten, zu solcher Leitfigur, eben eine moralische und politische Instanz. Schauen wir also endlich in der Ausstellung weiter, wie der politische Kopf Fritz Bauer der Nachwelt überliefert wird.

 

 

Gar nicht, muß man beim Weitergehen konstatieren. Das ist der Ausstellung gegenüber ungerecht, weil sie auch akzeptable Teile hat. Beispielsweise kommt die Eichmanngeschichte zu ihrem Recht und ist der Auschwitzprozeß gut dokumentiert. Die von Fritz Bauer so erhofften Prozesse zu den Euthanasiemorden, die dann gar nicht begonnen wurden, sind dagegen nicht als sein eigentlich wichtigstes Anliegen herausgestellt. Daß Menschen mit Behinderungen einfach eingesperrt und ermordet wurden, hat ihn umgetrieben, weil dies direkt sein Menschenbild attackierte, daß nämlich jeder Mensch seine unveräußerlichen Rechte hat. Man kann das Credo Bauers wirklich auf den Artikel 1 des Grundgesetzes reduzieren: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“, was für ihn Folgerungen für menschenwürdiges Verhalten der Obrigkeit hat.

 

Daß sowohl beim Braunschweiger Gericht wie auch am Landgericht Frankfurt Artikel 1 in großem Schriftzug an den Gebäuden angebracht wurden, sieht man im Bild, ein Original an der Wand. Geht man in der gewollten Richtung weiter, trifft man nun auf seine Dienststelle in Frankfurt. Sein berühmtes Zitat „Wenn ich mein (Dienst)Zimmer verlasse, betrete ich feindliches Ausland“ ist nirgends zu sehen, auch nicht bei den Hörstationen zu hören. Auch ein weiterer bekannter Satz „In der Justiz lebe ich wie im Exil.“ wird nirgends erwähnt. Stattdessen eine Auflistung der vielen Staatsanwaltschaften und Staatsanwälte in Hessen, für die er Chef war. Dies ist sinnvoll, weil es das Ausmaß seiner Zuständigkeit und Verantwortung, also auch seiner Arbeitsanforderung zeigt. Es fehlt hier aber die Deutung, wie es personell in diesen Staatsanwaltschaften aussah, wer z.B. politischen NS-Dreck am Stecken hatte.

 

Dieser Vitrine gegenüber sind die Dokumente ausgestellt vom versuchten Schriftverkehr der DDR mit Adenauer in Bonn – Post ging mit 'nicht angenommen' zurück - über den inhaltlichen Austausch DDR und Fritz Bauer über Nazitäterschaften und gipfeln im hier ausliegenden Braunbuch der DDR „Kriegs- und Naziverbrecher in der Bundesrepublik“, in dem tatsächlich die alten Nazis mit ihren neuen gehobenen Stellen benannt und vorgeführt werden. Eine besonders wesentliche Figur war darin Hans Globke, der im Dritten Reich im Innenministerium saß und die Nürnberger Rassengesetze mitverfaßt hatte. Bauer hatte immer wieder darauf reagiert, daß in Bonn der bekannte Nazi Globke bei Bundeskanzler Adenauer zuerst als graue Eminenz fungierte und dann ganz offiziell sein Staatssekretär im Bundeskanzleramt wurde. Globke galt als Adenauers wichtigster Mitarbeiter. Mit der Festnahme von Adolf Eichmann 1960 war auch Globke angesprochen, der im Reichsministerium Spezialist für Judenfragen war und auf den Eichmann als Beauftragter der 'Endlösung der Judenfrage“ Bezug nahm. Deshalb begann Fritz Bauer in Hessen ein strafrechtliches Vorermittlungsverfahren gegen Globke. Das jedoch wurde ihm aus der Hand geschlagen, indem als Ort der Gerichtsbarkeit Globkes Wohn- und Dienstort Bonn festgelegt wurde, wo dann das Verfahren im Sand verlief.

 

Die Ausstellung bringt zwar das Braunbuch und erzählt vom Skandal Globke. Beide Male jedoch ohne Bezug zu Bauers Tätigkeit, abgesehen von seinem Eingreifen auf der Frankfurter Buchmesse, wo das Buch konfisziert werden sollte. Wir vermissen sowohl den Einsatz und Kampf Bauers beim Thema Globke, wie auch eine Konsequenz aus dem Braunbuch für die Dienststelle Bauers. Bekannt war, daß sein Stellvertreter Ulrich Krüger wurde, der 'innerlich braun', auf jeden Fall vor 1945 Staatsanwalt beim Sondergericht Frankfurt am Main war. Wie aber sah es mit all den anderen aus? Wir vermissen – und zwar schmerzlich – die Informationen aus dem ausgestellten Braunbuch konkretisiert für die Dienststelle Bauers in Frankfurt, aber auch für alle anderen hessischen Staatsanwaltschaften. Erst dann kann sich der Ausstellungsbesucher doch über die immer noch nazibehaftete Wirklichkeit, in der Fritz Bauer lebte und Generalstaatsanwalt war, klar werden. Fortsetzung folgt.

 

 

Info:

 

Fritz Bauer. Der Staatsanwalt. NS-Verbrechen vor Gericht

Ausstellung im Jüdischen Museum in Frankfurt

bis 7. September 2014

Im Thüringer Landtag, Erfurt vom 9. Dezember 2014 bis 1. Februar 2015

 

Es gibt ein umfangreiches und qualitativ hochwertiges Rahmenprogramm.

 

Katalog: Fritz Bauer. Der Staatsanwalt. NS-Verbrechen vor Gericht, hrsg. von Fritz Backhaus, Monika Boll und Raphael Gross im Auftrag des Fritz Bauer Instituts und des Jüdischen Museums Frankfurt, Campus Verlag 2014

 

Biographien:

Irmtrud Wojak, „Fritz Bauer 1903-1968. Eine Biographie“, Verlag C.H.Beck, München 2009

 

Ronen Steinke, „Fritz Bauer: Oder Auschwitz vor Gericht. Biografie mit einem Vorwort von Andreas Voßkuhle, Piper Verlag, München 2013

 

Film/DVD

Ilona Ziok, Fritz Bauer - Tod auf Raten, Deutschland 2012,97 Minuten

 

DVD

Fritz Bauer: Gespräche, Interviews und Reden aus den Fernseharchiven 1961-1968, Hrsg.:Fritz Bauer Institut, Frankfurt, Redaktion: Bettina Schulte Strathaus, 2 DVD,s/w, ca. 300 Minuten, absolut Medien Berlin