Gefangene Bilder. Wissenschaft und Propaganda im Ersten Weltkrieg (11.9.2014 – 15.2.2015) Ausstellung im Historischen Museums Frankfurt (hmf)

 

Heinz Markert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Zugegeben, es hat - ohne sich bellizistisch verorten zu wollen - etwas Faszinierendes um die französischen Kolonialsoldaten, in Anbetracht deren Vita, Existenz und geschichtlicher Funktion zu Zeiten des Ersten Weltkriegs. Sie standen auf der Seite der Entente gegen den deutschen, vorrangigen Aggressor.

 

Im Historischen Museum von Frankfurt am Main läuft in Kooperation mit dem Institut Français d`Histoire en Allemagne seit dem letzten Mittwoch eine aufschlussreiche, interessant erarbeitete Ausstellung.

 

Die Rolle jener Kolonialarmee reichte bis ins aufgeschlossene, aber nicht unbedingt weltoffene Frankfurt des Jahres 1920 hinein, als eine Gruppe Bewacher von dunkler Hautfarbe für einen Eklat sorgte. Da wurde nämlich auf der Hauptwache geschossen.

Dazu kommen wir am Schluß.

 

Zum gewissermaßen Tragischen ihrer Rolle und Funktion ist zu anzumerken, dass diese Soldaten zwar gebraucht, verwendet und bestimmt auch anerkannt wurden, aber mit dem Stigma behaftet waren, mit schwarzer oder dunkler Haut beschaffen zu sein. Heute wissen wir, dass diese Menschen der Abstammung nach viel näher zu den „Müttern des Seins“, des Ursprungs und vor allem der Entwicklung liegen als Mittel-Europäer, die sich fast immer als überlegen gebacken im voraus definieren, wenn auch meist unbewusst.

 

Anschaulich basiert die Ausstellung auf 15 Portrait-Fotografien, die im Lager Wünsdorf („Halbmond-Lager“), nahe Berlin, in der Zeit der Gefangenschaft dieser Kolonialsoldaten gemacht wurden. Sie wurden nicht nur fotografisch festgehalten, sondern auch anthropologisch und morphologisch untersucht, vermessen, in Teilen abgeformt (nachzuvollziehen im Ausstellungstrakt). Darüber hinaus wurden sie hör-technisch gespeichert („Stimmen der Völker“) auf über 1000 Wachswalzen. Auch hiervon ist in der Ausstellung zu hören. Das alles diente einem Wissenschaftszweck, wie er in jenen Zeiten vorherrschend war. „Rasse-Merkmale“ hatten wohl starke Anziehungskraft. Es deutet sich hiermit auch so etwas wie der voyeuristische Blick auf den vermeintlich ach so wilden, andersartigen Menschen an, der für die Bewohner der gemäßigten Breiten etwas Anziehendes wie zugleich diffus Befangenheit und Ängste Hervorrufendes hat, nur weil seine Spezies zunächst fremd erscheint.

 

Der Einsatz von Soldaten aus den Kolonien hatte in Frankreich Tradition, unter den acht Millionen Soldaten, die für Frankreich in den Ersten Weltkrieg zogen, waren eine halbe Million Männer aus Kolonien in Westafrika, Algerien, Madagaskar und Indochina.“ (historisches museum frankfurt, Presseinformation)

 

Das Frobenius-Institut, Quelle der gefundenen Fotos und auch Kooperationspartner des hmf, hat eine gewisse bevorzugte Stellung durch seinen Gründer Leo Frobenius (1873-1938), der ein außerordentlich reich an Verdiensten Gewesener ist, wenn auch mit den durch seine Zeit bedingten nationalen und kolonialen Befindlichkeiten, die allerdings von den Überheblichkeiten jener Jahre doch weit entfernt zu sein scheinen. So hatte er einen eigenen Forschungsansatz, „..ihm ging es mehr um das kulturelle Afrika, die Erzählungen und Märchen..“. „In diesen Erzählungen schien der Anti-Modernist Frobenius vieles Mythische zu finden, während er gleichzeitig in Europa den Wert von Mythen schmerzhaft schwinden sah.“ (Statement des Frobenius-Instituts, Presseinformation)

 

Bestechend ist die Qualität der 15 Fotografien. Ihre Entdeckung in den Beständen des Frobenius-Instituts ist Peter Steigerwald zu verdanken. Aber auch andere Archivquellen für die vielfältigen Ausstellungsobjekte sind dem Ausstellungskonvolut zu entnehmen. Im übrigen finden sich Leihgaben aus privatem Besitz, respektive Sammlungen. Sehr reizvoll ist der Blick auf eine vergrößerte Spiegelung eines Gegners im Auge von Lusani Cissè, einem der Portraitierten.

 

Die Ausstellungsstücke sagen viel über den Geist der Zeiten, in denen sie entstanden sind, nicht nur direkt verbunden mit Kriegs- und Weltkriegshandlungen. Ein nicht geringer Grad an Gezeigtem ist nüchtern und ernst, eben wissenschaftlich. Anerkennend ist die Einweihung des „Denkmals für die Helden der Schwarzen Armee“ in Reims. Zu sehen auch: die Demontage 1940, dann: Wieder-Errichtung des Denkmals 2013. - Ein anderes Foto zeigt: „Helden der Schwarzen Armee“ in Bamako (Mali), ein weiteres: „104jähriger Veteran im Kreis seiner Familie“.

 

Vieles, was gesehen werden kann, ist mit der Abwertung von Menschen dunkler Hautfarbe verbunden. Sie sind Objekte. Eine Titelseite der Lustigen Blätter: „Letztes Aufgebot der Grande Armee“, zeigt die Karikatur eines zum Affen verzerrten kolonialen Kriegers im Comic-Stil. Die Schau-Ankündigung zum „Amazonen-Corps aus Dahome, 24 Kriegerinnen und 14 Krieger unter Führung der Oberkriegerin `Gumma`“, spielt auf die Kriegerin an, die das traditionelle Geschlechterverhältnis umkehrt und auch dem Mann Saures zu geben weiß (um 1900). Die Schau war damals zu sehen im Zoologischen Garten von Frankfurt am Main.

 

Wesentliches, gemeinsames Merkmal, das vielen gezeigten Gegenständen, Objekten und Druckwerken eignet, ist die mehr oder weniger propagandistische Funktion, in unterschiedlicher Weise. Das Meiste ist, dem Kontext entsprechend, mit dem Kriegshandwerk verbunden und zeigt mehr oder weniger propagandistische Formen - in unterschiedlichen Nuancen - dieses Genres. Es braucht Zeit, das genauer zu studieren. Die Kolonialsoldaten stehen zwischen Lagern und Kulturregionen. Aber sie haben diese auch als feindselige Gegner, wenn sich Gelegenheit ergibt. Die deutsche Kriegspropaganda war zu Machwerken fähig wie: „Protest der deutschen Frauen gegen die farbige Besatzung am Rhein“ und verhöhnend: „Letztes Aufgebot der Grande Armee“, „Der Völker-Zirkus unserer Feinde“, 1916.

 

Mit Wendungen wie „Wilde gegen Deutschland eingesetzt“ und später „Eine ganze Welt gegen uns“ (1934) werden auch Endkampf-Situationen zwischen den Gegensätzen „Zivilisation“ und „Barbarei“ (Katalog-Text) beschworen. Weil die Franzosen Kolonialsoldaten einsetzen, werden sie als Barbaren eingestuft. Wie hingegen barbarisch, „hunnisch“ (ein unter Wilhelm II. positiv besetzter Begriff), die deutsche Armee in Belgien einfiel und verbrannte Erde (inklusive Menschen) machte, bleibt verleugnet.

 

Der Abschluss für die Hauptwache-Szene lief wie folgt ab: „Als die Soldaten aus der Bevölkerung verbal und tätlich angegriffen wurden, eskalierte die Situation und die Soldaten schossen in die Menge.“, zitiert aus dem Katalog „Gefangene Bilder, Wissenschaft und Propaganda im Ersten Weltkrieg“, der durch sein Bildmaterial und die beschreibenden und analytischen Texte ein richtiges Geschichtsbuch für die Frankfurter und darüberhinaus geworden ist.

 

 

Katalog:

Gefangene Bilder, Wissenschaft und Propaganda im Ersten Weltkrieg“, historisches museum frankfurt, Michael Imhof Verlag, Petersberg, 2014

ISBN 978-3-7319-0069-6

 

historisches museum frankfurt

Fahrtor 2

60311 Frankfurt

(+49) 069 212 35154

11.09.2014 – 15.02.2015

Dienstag bis Sonntag: 10-17 Uhr