Ludwig-Börne-Stiftung bestimmt nächsten Preisrichter

 

Felicitas Schubert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Das hat immer etwas Besonderes an sich, wenn die Ludwig-Börne-Stiftung ihre jährlich wechselnden Preisrichter bekanntgibt, die diesen Preis im Namen des scharfsinnigen Publizisten und Journalisten für hervorragende Leistungen im Bereich Essay, Kritik und Reportage in alleiniger Verantwortung einem Preisträger überreichen.

 

Warum das etwas Besonderes ist? Da braucht man nur einmal seinen gesunden Menschenverstand bemühen. Wie ist das so in Gruppen, wenn einer für ein Amt vorgeschlagen wird? Da will der eine den dort drüben, der andere einen ganz anderen. „Sieger“ wird meistens dann der Dritte, nämlich der, der  nicht unbedingt durch ganz bestimmte Spitzen aufgefallen ist – da macht man sich nämlich immer auch Feinde, wenn man besonders gut oder spitzfindig ist -, also derjenige, der im guten Mittelmaß sich die wenigstens Feinde gemacht hat.

 

In der Tat ist dieses Prinzip der Auswahl von mehrköpfigen Jurys, was doch erst mal so demokratisch klingt, sehr oft der Pferdefuß für diejenigen, die wirklich publizistisch Herausragendes leisten, aber keine Mehrheiten erreichen. Zur Lebenszeit zumindest, denn nehmen wir das jetzt einmal ganz ernst, müsste man sonst formulieren: Ludwig Börne hätte zu Lebzeiten keinen Ludwig Börne Preis erhalten, wäre er auf das Plazet einer Jury angewiesen gewesen. So aber hätte er mit dem Prinzip, daß einer bestimmt wird, der allein auswählen darf, zumindest eine Chance gehabt.

 

So wie Daniela Dahn, die vom jüngst verstorbenen wunderbaren Jorge Semprun ausgewählt wurde und in der Paulskirche eine erhellende Rede über den heutigen ökonomischen Einfluß vom alten Westdeutschland auf ehemaliges DDR-Gebiet hielt. Daß ein solcher Vorschlag aus dem Ausland kommen mußte und nie hierzulande gekommen wäre, zeigt wie geschlossen unser gesellschaftspolitisches System ist. Frauen kommen eh zu kurz dabei. Von den Preisträgern des seit 1993 vergebenen Preises, der mit 20 000 Euro dotiert und wirklich hochangesehen ist, waren gerade einmal drei Frauen dabei: gleich 1994 – übrigens folgend auf den ersten Preisträger Joachim Kaiser – Marie-Luise Scherer, zehn Jahre später dann Daniela Dahn und im Jahr 2008 Alice Schwarzer, was sich Preisrichter Harald Schmidt nicht nehmen ließ.

 

Die Preisrichter halten dann auch die Laudatio auf die von ihnen ausgesuchten Preisträger, wobei der Ort, die Paulskirche in Frankfurt am Main nun wirklich alle historischen Reminiszenzen hat, die nötig sind für höhere Weihen. Die Veranstaltungen sind mal sehr ernst, mal fast unterhaltsam wie im letzten Jahr, als Joachim Gauck, wenn schon nicht das Amt des Bundespräsidenten – von heute aus sagt man noch tiefer: leider – erhielt, so doch zumindest den Ludwig-Börne-Preis und dies mit einer klugen inspirierenden Rede beantwortete.

 

Aber es gibt auch Peinlichkeiten wie im Jahr 2009, als FAZ Herausgeber Frank Schirrmacher von der bei der FAZ schreibenden Necla Kelek ausgewählt wurde. Zum einen ist Frank Schirrmacher, als einer derer, die in der bundesdeutschen Publizistik das Sagen hat, nicht auf einen solchen Preis angewiesen, zum anderen bestimmt man nicht den Mann zum Preisträger, von dem man beruflich abhängig ist. Was also ist jetzt von Jesse Jensen zu erwarten? Sein Name ist bekannt als Ressortleiter des Feuilletons der Wochenzeitung DIE ZEIT. Wir auf jeden Fall sind wie jedes Jahr sehr gespannt auf seine Wahl, die noch im Februar bekanntgegeben werden soll und werden darüber berichten, gegebenenfalls auch kommentieren.

 

Die Stiftung gibt bekannt: Der im Jahre 1993 erstmals vergebene Ludwig-Börne-Preis ist mit 20.000 Euro Preisgeld einer der höchst dotierten Literaturpreise der deutschsprachigen Länder. Zu den bisherigen Preisträgern zählen u. a. Marcel Reich-Ranicki, Joachim Kaiser, Joachim Fest, Josef Joffe, Rudolf Augstein, Hans Magnus Enzensberger, Frank Schirrmacher, Joachim Gauck und Alice Schwarzer. Der Preisträger wird voraussichtlich im Februar 2012 verkündet und der Preis im Juni in der Paulskirche überreicht. Er erinnert an den Schriftsteller und Journalisten Ludwig Börne, der wegen seiner scharfzüngigen Prosa als Wegbereiter des politischen Feuilletons gilt.