vergibt den Ludwig-Börne-Preis 2015, Teil 1

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Dieses Jahr ist es Dan Diner, der als Einmannjury, der Juror genannt, den diesjährigen Ludwig Börne Preisträger auswählen darf. Und eh wir auf Dan Diner und Ludwig Börne zu sprechen kommen, muß die ungewöhnliche Konstruktion dieses Preises hervorgehoben werden.

 

Anders nämlich als bei fast allen Preisvergaben, die wir in Deutschland kennen, wird hier nicht eine sorgsam ausgewählte Jury tätig, die im Meinungsstreit miteinander die einzelnen Vorschläge 'durchkaut' und sich dann – bei verschiedenen Vorschlägen – Koalitionen in der Jury bilden, um bestimmten Personen den Zuschlag zu geben. Nein, so gerade nicht. Es gibt nämlich - ohne daß wir wissen, ob das wirklich die Absicht der Ludwig-Börne-Stiftung war, die die Einmannjury bestimmt – die nicht unberechtigte Vermutung, daß sich bei den herkömmlichen Jurys die Spitzenvorschläge gegenseitig blockieren und immer wieder ein Dritter, als Mittelmaß bezeichnet, der mit dem Preis Ausgezeichnete wird. Der Begriff Mittelmaß ist dabei gar nicht mal abwertend zu verstehen, sondern soll den Begriff der Mitte, an der Maß genommen wird, akzentuieren. Auf jeden Fall sind dann die Preisträger solche, mit denen alle anderen auch gut leben können. Also, auf keinen Fall solche wie Ludwig Börne.

 

Denn der war so eindeutig, daß es ein schöner Zug der Ludwig Börne Stiftung ist, über die jährlich wechselnden Juroren zumindest den Versuch zu starten, daß auch Ludwig Börne heutzutage die Chance hätte, den Ludwig Börne Preis zu erhalten. Der Preis ist immerhin mit einem Preisgeld von 20 000 Euro verbunden und mit der öffentlichen Ehrung in der Frankfurter Paulskirche, diesmal am 12. Juli 2015.

 

Den Preis selbst gibt es seit 1993, als der Frankfurter Publizist und Bankier Michael Gotthelf mit anderen eine Stiftung ins Leben rief, die insofern an Ludwig Börnes Sprachkunst und seine zugespitzte kulturelle, auch politische Argumentation erinnern soll, als die Sprachform des Essays, der Kritik, des Aphorismus und Reportage als Auswahlkriterium gilt, also die Königsklasse des weithin journalistischen Schreibens. Heute fragt man sich allerdings, ob Essay, Kritik und Reportage noch an die Schrift als alleiniges Kriterium gebunden ist oder ob nicht Film, Fernsehen und Video längst in dieselbe Richtung gehen und heutzutage Ludwig Börne vielleicht im Fernsehen seinen Sendeplatz hätte oder gar Dokumentarfilme machen täte.

 

Wichtig, Ludwig Börne noch einmal kurz darzustellen, der so etwas wie ein Säulenheiliger für unser Gewerbe, das öffentliche Schreiben ist.Er wurde als Juda Löb Baruch am 6. Mai 1786 im jüdischen Ghetto der Stadt Frankfurt am Main geboren und starb am 12. Februar 1837 in Paris, 19 Jahre vor dem elf Jahre jüngeren Heinrich Heine, mit dem ihn auch verbindet, daß die beiden bekanntesten Porträts der beiden von Moritz Daniel Oppenheim aus Hanau stammen. Sie verbindet auch – das aber mit vielen dieser Generation – daß die väterlichen Absichten des zukünftigen Lebenswegs nicht auf die eigenen Vorlieben stieß, man sich aber nach den Eltern zu richten hatte.

 

Bei Börne, der in Berlin Medizin studieren sollte, ging das besonders übel aus. Nach Halle mußte Börne in Heidelberg weiterstudieren, um nahe der väterlichen Aufsicht zu sein. Die Universität Frankfurt am Main ist ja eine später bürgerliche Gründung (Stiftung) von 1914. In Gießen schließlich konnte Ludwig Börne ohne Examen 1808 zum Dr. phil promovieren. Im gleichen Jahr wurde er in der Frankfurter Loge ZUR AUFGEHENDEN MORGENRÖTHE als Freimaurer aufgenommen, sein Vortrag von 1811 ÜBER FREIMAUREREI wurde allenthalben zitiert und als Grundlage für Rituale genutzt. Im selben Jahr brachte ihn seit Vater im Polizeidienst der Stadt unter, was 1815 – Wiener Kongreß und Restauration – mit seiner Entlassung als Jude beendet wurde. Damals änderte er auch, verbunden mit der christlichen Taufe, seinen Namen in Ludwig Börne, weil jüdisch zu sein, Nachteile als Journalist und Herausgeber brachte.

 

Er schrieb für die Bewegung JUNGES DEUTSCHLAND, deren Ziel die Demokratie als Staatsform des mündigen Bürgers war. Seit 1830 lebte er in Paris, wo er im selben Jahr die Pariser Julirevolution als Fanal auch für Deutschland ansah. Konsequent, daß ihn die deutsche Demokratiebewegung zum Hambacher Fest 1832 als Ehrengast einlud, während seine Schriften verboten wurde. Börne verbarg seine radikal republikanische Gesinnung auch in seinen Schriften nicht. Daraus entstand dann übrigens der heftige Streit mit Heinrich Heine, dem er zu geringe politische Freiheitsbestrebungen vorwarf und ihn opportunistisch zieh. Das übrigens ist ein Grundkonflikt der schreibenden Zunft bis heute. Fortsetzung folgt.