'Meine Tochter Anne Frank' – ARD 18.02.2015, 20.15 Uhr, Teil 1
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Das Leben und Sterben der Anne Frank, ein immer wiederkehrendes, immer neu erinnertes, tief ins private Empfinden eingegangenes Thema einer schon bewusst erfahrenen Lebenszeit, als begonnen wurde, in die nationalsozialistische Vergangenheit zurückzublicken.
Mit der Schullektüre des Tagebuchs der Anne Frank kam eine vieljährige Wiedererinnerungsgeschichte in Gang. Damals war eine inhaltlich beschnittene Zusammenstellung in Gebrauch. Der aktuelle Film enthält sich der Weglassungen und Verheimlichungen, die anfangs üblich waren. Längst kann auf eine Gesamtausgabe zurückgegriffen werden, die verschiedene Bearbeitungsebenen – von Anne selbst ins Spiel gebracht – zur Lektüre anbietet, es liegt alles Erlangbare jetzt bereit. Für die Vorarbeiten zum Film wurden weltweite Recherchen getätigt.
Das Hessische Fernsehen als Federführerin
Im Rahmen der ARD ergab sich für das hessische Fernsehen, angesiedelt nicht weit von der Wohnung der Franks, mit der Verfilmung des Tagebuchs von Anne Frank die Gelegenheit auch wieder an eine Tradition von mehr Ernsthaftigkeit anzuknüpfen, einer Regung, die seit einigen Jahren in dem hessischen Sender nicht mehr genügend zum Zug kam. Es gibt heute einen südlich gelegenen Sender, der mehr für ernstzunehmenden Journalismus steht (Beispiel: 'Nachtlinie', br) als jener eines Landes mit abgebrochener, verkümmerter sozialliberaler Tradition. Anstoß für das Projekt war auch, dass der historische Zeitbezug 70 Jahre zurückreicht: mit Kriegsende, Befreiung der Gefangenen von Auschwitz, Tod der Anne in Bergen-Belsen - während die Lager schon in Auflösung übergingen.
Die Anne-Darstellerin Mala Emde
Es entstanden bereits Verfilmungen des Tagebuchs, die aber an die Qualität und die absehbare Wirkung des jetzt entstandenen Streifens nicht heranreichen. Der Film ist als 'Dokudrama' konzipiert. Er ist ein Spielfilm in 'Kammer und Enge', ohne die auf Wirkung zu sehr bedachten Spielfilmeffekte, wobei das Effektemachen nicht in jedem Fall gegen die Güte eines Films spricht. Denn Eindruckmachenwollen und Haftenbleibensollen von Handlung und Sujet ist unverzichtbar für die auf ein jugendliches Publikum gezielten Bedingungen einer Filmrezeption. Allzu Sondereffektvolles war für den Film über Anne, der durch ihre Aufzeichnungen vorstrukturiert war, ohnehin unangebracht. Eine Begünstigung der Möglichkeit dieses Films war der Glücksgriff um die Anne-Darstellerin Mala Emde, der sich auch durch glückliche Gelegenheit herstellte. Diese junge Frau, noch mit Abiturmachen beschäftigt, stand im passendsten Moment bereit. Sie könnte sich als die besonders Begünstigende für eine vielfache Rezeption des Films erweisen.
Glückliches Passen (Darstellerin Mala und Hauptrolle)
Stichwort für das zum Passengekommensein für den Film ist das „Anne-Lachen“ (Begleitheft zum Film) der Anne-Darstellerin Mala Emde, mit dem lebenslustigen, ungestümen Auftritt einer Jugendlichen, die auch einsam war und mit der Mutter ständig auf Kriegsfuß stand, während der Vater als anerkannt ruhender Pol fungierte. Anne fand sich von der Mutter unverstanden.
Jugendliche sind noch nie wesentlich andere gewesen als diese Mala mit ihrem Spiel, daher passt, was diesen Film betrifft, auch alles übrige - es wird von Anne angepasst. Die anderen Darstellerinnen und Darsteller, als Mutter Edith, Freund Peter, die gänzlich von Anne verschiedene Schwester Margot, zumal der verständnisvolle Vater Otto, sind von Anne gänzlich Abhängige, durch sie Untergeordnete. Daraus lebt und gelingt der Film seinem Kern nach. Mehr muss er nicht leisten. Der Film ist – bei aller unsagbaren Tragik der Geschichte – vor allem einer um die Lebendigkeit einer Jugendlichen, die gereifte Pläne für ihr Leben entwarf, schon während ihrer Tagebuchaufzeichnungen den Plan entwickelte, das Aufgezeichnete in einen Roman zu überführen. Dies prägt auch die letzte Szene mit der Anne im Konzentrationslager. Sie empfindet die unbedingte Sendung für die gegenwärtige und kommende Welt. Die menschlichen Charaktere der unmittelbaren Umgebung sind Repräsentanten einer sehr unterschiedlichen menschlichen Art, mit der sie sich auseinanderzusetzen hatte. Am Rand und außerhalb steht die Unart des Verräters Tonny Ahlers, Zuträger der Nazis, gleichzeitig Profiteur seiner Verräterei. „Er war schon immer äußerst gefährlich“ (Margaret Blok, Schwester). Es ist also ein menschlicher Kosmos, der im Kleinen beispielhaft gezeigt wird. Eingeschaltet zwischen die Szenen werden die mit Anne Befreundeten als Zeitzeugen, Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter. Fortsetzung folgt.
INFO:
www.daserste.de/annefrank
'Meine Tochter Anne Frank', Blu-ray Disc oder DVD, 20.2.2015, Universum Film