'Meine Tochter Anne Frank' – ARD 18.02.2015, 20.15 Uhr, Teil 2
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die Familie Frank war vor den Nazis nach Holland ausgewichen. Als auch dort die Lebenssituation immer kritischer und gefährlicher wurde, ging die Familie und andere Nahestehende in ein 'Exil im Exil', in die Verborgenheit des geheimen Verstecks im Hinterhaus, heute Stätte der Nachvollziehbarkeit einer bedrängten Lebenslage und des Angedenkens an eine klaustrisch gefährliche Situation.
Bekannte, Freunde und Freundinnen mussten außen vor bleiben, öffentliche Verkehrsmittel waren ausgeschlossen, in die Schule konnte sie nicht mehr gehen, sehr schmerzlich für die junge Tochter und sich findende Frau, die lebenszugewandt und offen war für die Umwelt.
Hauptmoment der Handlung und Entwicklung im Verborgenen sind die Kämpfe der Anne mit den Menschen ihrer beengten Umgebung im Amsterdamer Versteck, das sie vor den Nazis bergen sollte, aber verraten wurde. Der Film gründet in der auf der persönlich-menschlichen Ebene ausgetragenen Großfamiliensituation, sehr suspendiert vom geschichtlichen Draußen. Der Film ist vornehmlich ein Anne-Film und dann erst ein Film über die historische Bedrohung von außen. Anne kämpft um ihre Form und Gestalt, um ihr Profil. Sie ist eine junge Frau, die für ihre Emanzipation streitet, durchaus nach dem Schema der Natur, aber ganz ihrer selbstbewussten, intelligenten Art entsprechend, von schlagfertigem Besserwissen und überlegener Altklugheit gekrönt. Sie hatte neben Witz und Selbstironie im Disput vor allem eine literarische Begabung, für die im Elternhaus im Frankfurter Marbachweg die Grundlage gelegt worden war. Schulfreundin Hanneli Pick-Goslar, heute in Jerusalem lebend und als Zeitzeugin Zeugnis ablegend, steuert einen Satz ihrer eigenen Mutter bei. Diese sagte einmal: 'Der liebe Gott weiß alles, aber Anne weiß alles besser'.
Der Film enthält also jede Menge Material für die Identifikation mit einer beispielhaft Jugendlichen. Er ist insofern auch ein Lehrfilm über das jugendliche Streiten für einen eigenen Entwurf, für ein selbstbestimmtes Leben. Im Film sind die ersten sexuellen Erfahrungen und Erkundungen zusammen mit den heimlichen Gesprächen hierüber mit Peter van Pels, dem knapp sechzehnjährigen Sohn der auch versteckten Mutter Pels und des Vater Pels, nicht mehr unterschlagen oder unterrepräsentiert. Pels war Mitarbeiter der Opekta-Vertretung, die Vater Otto Frank in Amsterdam leitete.
Während die abschließenden Sequenzen des Films die furchtbaren Szenen mit den verscharrt werdenden Lager-Leichnamen zeigen, richtet der Film den Fokus auf die Zukunft von Anne. Anne steht in der Endeinstellung für ein persönliches Einstehen, das der Befreiung des Menschen von unmenschlichen und erdrückenden Verhältnissen gilt, mehr denn je eine aktuelle Forderung.
Annes Vater überlebte als einziger der Hinterhausbewohner die Vernichtungslager und übernahm von Miep Gies, 'Sekretärin von Opekta und guter Geist für die Versteckten', das Tagebuch seiner Tochter. Er war von ihrer sprachlichen Leistung beeindruckt, 'er lernt die geheimsten Gedanken und Sehnsüchte seiner Jüngsten kennen...' (Begleitheft). Obwohl er 'tiefe Trauer' verspürt, macht er sich bald daran, an der Veröffentlichung des Tagesbuchs von Anne zu arbeiten. Annes Aufzeichnungen sind Fundament des Films.
INFO:
www.daserste.de/annefrank
'Meine Tochter Anne Frank', Blu-ray Disc oder DVD, 20.2.2015, Universum Film