Schwierige Gemengelage nach den friedlichen Demonstrationen der einen und gewalttätigen Ausschreitungen der anderen gegen die Eröffnung der EZB, Teil 1

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Gespenstische Ruhe herrschte gestern Abend in der Stadt. Hin und wider sah man kleine Grüppchen mit zusammengerollten Transparenten über die Hauptwache schlendern. Die war noch am Mittag von Polizeihorden beschützt und von oben durch Hubschrauber kontrolliert worden.

 

Tatsächlich funktionierte im Untergrund alles. Die U- und S-Bahnen fuhren vorschriftsgemäß und auch da, wo sie längst wieder aus der Erde ans Licht kamen, in den Vororten. Nur waren diese und ein paar Busse das einzige, was fuhr, denn die meisten Buslinien und wohl alle Straßenbahnlinien waren eingestellt. Das bedeutete, daß man für einen Weg, der sonst eine halbe Stunde ausmacht, rund zwei Stunden unterwegs war. Aber, das ist das kleinere Übel gegenüber den größeren Übeln, die dieser Tag brachte. Es ist den Gewalttätern gelungen, einen richtigen und wichtigen Prostest in ein Gewaltspektakel umzumünzen, was vor allem deshalb widerwärtig ist, weil es sich gegen die Falschen richtet.

 

Ob die EZB und damit auch die Eröffnung des gewaltigen, aus Glas und Metall weithin sichtbaren, machtverströmenden Gebäudes – und mit 1, 3 Milliarden Baukosten wahrlich teuer genug -, das aus der ehemaligen so sinnreichen Großmarkthalle nun gen Himmel wächst, der richtige Anlaß für einen Gesamtprotest gegen die Ökonomisierung unser aller Leben ist, darüber muß man nicht streiten, denn es gibt genug Hinweise darauf, daß eben auch eine EZB, die derzeit eher hilft als den schwachen Ländern die Luft abdrückt, eben doch eine Bank bleibt, der Gewinnmaximierung das entscheidende Stichwort ist. So ist das wirklich ungeheuerlich und den meisten Deutschen, die jetzt über die 'dummen' und 'unfähigen' Griechen oder auch ihre Regierung hetzen, noch immer nicht klar, daß alle derzeitigen Hilfen für Griechenland nur der Bezahlung von deren Schulden dient, also nicht dort im Land Wohltuendes und strukturell Sinnvolles leistet, sondern nur wiederum bei den kreditgebenden Banken landet. Von Bank zu Bank.

 

In diesem Kontext ist es auch ungeheuerlich, daß eigentlich zum ersten Mal von den Zwangsanleihen für Griechenland unter den Nazis in Höhe von 476 Millionen Reichsmark in der deutschen Presse zu lesen ist. Warum wurde das Geld – heutiger Wert rund 8,25 Milliarden Euro nach heutigem Wert - nach 1945 durch eine prosperierende Bundesrepublik nicht zurückgezahlt, die anders als die DDR, die gegenüber den Sowjets Reparationen für das Deutsche Reich leisten mußten, von den USA aufgepäppelt wurden. Das alles sind unfaßbare Dinge, die in der deutschen Gesellschaft zu diskutieren wären. Genau von solchen Diskussionen lenken die Gewalttäter von Frankfurt ab. Sie diskreditieren damit auch alle die, die ihren Protest in friedlicher Form gestalten wollten und dies auch taten.

 

In der Hauptsache ging es dabei um zwei Demonstrationen, einmal der vom DGB organisierten über Mittag, auf der rund 3 000 Demonstranten deutlich ihre Kritik artikulierten und vom Gewerkschaftshaus abmarschierten, aber nicht zur nicht zur EBZ durften. Dann gab es ab 17 bis nach 19 Uhr Uhr die Blockupy-Demonstration, die am Römer begonnen, 17 000 Teilnehmer hatte (nach Polizeiangaben) und am Opernplatz endete. Der Zug durch die Innenstadt nahm einen friedlichen Verlauf und in ihm waren eben auch die Frankfurter und hessischen Protestler vereinigt.

 

Kommen wir zu dem, was in den Fernsehnachrichten wie von einem anderen Stern berichtet wurde. Unsäglich für jeden, der es mit Politik und Protest ernst meint. Eine völlig sinnlose Zerstörungswut von Vermummten, die sich an Autos von irgendjemandem und dann auch noch an Müllcontainern von normalen Bürgern zu schaffen machen und diese verbrennen. Mitten in der Stadt, eine Gefahr für das Leben vieler.

 

Das Verbrennen hat in Deutschland sowieso eine böse historische Reminiszenz. Vom Reichstag, über Bücher, über die Gaskammern der Konzentrationslager, deren Überbleibsel in den Krematorien verbrannt wurden. Wenn in den Vorstädten von Paris Autos verbrannt werden, wenn das in Italien oder sonst wie geschieht, ist das auch nicht schön. Wenn das aber in Deutschland geschieht, kommt eine historische Dimension hinzu, die es nötig macht, aufzuklären, wer diese Gruppen, die den gewaltlosen Widerstand lächerlich machen wollen, eigentlich sind.

 

Gestern hieß es allerorten, diese Chaoten kommen nicht von uns, von den Italienern aus Genua und anderen war die Rede. Das möchten wir schon genauer wissen, wer verhindert, daß ein einsehbarer, sinnvoller Protest zum Bürgerschreck wird, abgesehen davon, daß er Menschenleben gefährdet hat. Von den Verletzten hatten wir nur gehört, daß sie bis Mitternacht die Krankenhäuser wieder verlassen hatten. Nur die Pflastersteine blieben übrig. Fortsetzung folgt.