Serie: Chaplins Tramp – Ikone zwischen Kino, Kunst & Kommerz im Deutschen Filmmuseum Frankfurt am Main , Teil 3/5

 

Romana Reich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wer in der späteren Nachkriegszeit in Frankfurt aufwuchs, konnte bis in dieses Jahrtausend hinein, in Eschersheim, dem Stadtteil nördlich der Eschersheimer Landstraße entlang, an dessen Beginn in der Stadt aus dem Volksbildungsheim der Metropolis Filmkomplex erwuchs, an bestimmten Freitagen um 19 Uhr in der Clarastraße 5  in kleinem Kreis Charlie sehen.

 

 

Das war ein Privathaus, in dem der dort lebende Wilhelm Staudinger in den Wohnräumen seine immer mehr ausufernde Sammlung von Chaplin Devotionalien untergebracht hatte, vor allem aber im Keller einen rund 20 rote Kinosessel umfassenden Vorführraum hatte, wo nach und nach der gesamte, von ihm gesammelte Bestand, vor allem an Kurzfilmen der frühen Zeit, aufgeführt wurde. Jedesmal erzählte einem Wilhelm Staudinger, ein soignierter Herr, der auch gleichzeitig Vorsitzender der Frankfurter Richard Wagner Gesellschaft war, vom Entstehen der Filme und auch, wo und wie er manche seiner Chaplinfiguren, die das  Haus dekorierten, erworben hatte.

 

Das alles ist heute das Charlie Chaplin Archiv, das die Adolf und Luisa Haeuser-Stiftung für Kunst und Kulturpflege von Wilhelm Staudinger 2010 erworben hatte und als Dauerleihgabe ans Deutsche Filmmuseum gab. Das bringt nun nach der Wiedereröffnung – seit August bis Ende des Jahres schon 118 000 Besucher, im Januar 2012 allein über 20 000!! – CHARLIE, THE BESTSELLER als Sonderausstellung, in der auch Filmsequenzen zu sehen sind, die aber vor allem mit einer eigenen Filmreihe zu Chaplin komplettiert wird.

 

Hier geht es aber nicht in erster Linie um den Filmkünstler, den begnadeten Darsteller, Regisseur, Komponisten, Autor und Produzenten, sondern um seine Verkörperung als Tramp. Denn Stock, Charme und Melone hat diese Figur unsterblich gemacht und zu einer Sucht geführt, diese leicht erkennbare Figur in Gegenständen des Alltags, aber auch als Schmuckelement in allen möglichen Materialien wiederzugeben.

 

Wie ist Wilhelm Staudinger in einer Zeit ohne Ebay auf die Idee gekommen, seine Charlies aus aller Welt zu sammeln? Da fällt ihm die Antwort leicht. Wilhelm wuchs in München auf, die Amis waren die Befreier, versorgten die Bewohner mit Demokratie und Hershey – das ist diese dunkle Schokosoße in Dosen, gab es in Frankfurt zusammen mit Kaugummi auch als Geschenk der Soldaten an die Kinder der unmittelbaren Nachkriegszeit. Amerika war das Land der Freiheit und der guten Menschen. Dachten wir alle. Und dann das!

 

In Band 1 der Reihe „Prominent“ im Bastei-Verlag – Jerry Cotton gab’s dort genauso wie die Krankenschwester-Arztheftchen – erschien CHARLIE CHAPLIN, KÖNIG DES LACHENS. Dort stand 1955 drinnen, was Wilhelm erst nicht glauben mochte, nämlich wie heftig und ausdauernd die Amerikaner Chaplin angefeindet, verleumdet, verfolgt und herausgeschmissen hatten. Das wollte der 12jährige Wilhelm genauer wissen und sammelte erst einmal alles, was er an Aufklärung darüber in die Finger bekam: Bücher, Zeitungen und Zeitschriften.

 

Die sind heute genauso im Archiv wie die Gegenstände, die er unterwegs in der ganzen Welt dann zu sammeln begann. Auf die Frage: „Warum gerade Chaplin? Was hat Sie an ihm fasziniert: Charles oder seine Figur Charlie?“, antwortet Wilhelm Staudinger: „Beide. Ehe ich Charles kannte, natürlich nur Charlie auf der Kinoleinwand. Der Grund: Man lachte über die Späße der meisten Komiker, ohne mit ihnen zu fühlen. Bei Chaplin lacht und fühlt man mit ihm. Und seine Augen: ‚das Tor zu seiner Seele‘, wie das ein Kritiker so schön beschrieben hat. Aber es hat mich ebenso der Mensch fasziniert, mit seiner einmaligen Lebensgeschichte, seinen Erfolgen, seinen Problemen, seinen Wirkungen auf die Umwelt.“

 

Schaut man mit Wilhelm Staudinger zurück, dann sieht man, wie früh die Welt von der  CHAPLINITIS  befallen wurde, wie schnell eine regelrechte CHARLIE-MANIE in Gang geriet. Tucholsky hat ihn schon 1922 als den „zweifellos berühmtesten Menschen“ bezeichnet. Charlie eroberte auch den deutschen Filmmarkt im Sturm. Aber die Nazis verboten ihn, schlimmer, sie konnten auf ein offizielles Verbot verzichten. Das regelte man anders. Dazu noch mehr.

 

Nach 1945 war Charlie dann zusammen mit Mickey Mouse als alliierte Sieger im besiegten Deutschland eingezogen. Wir hielten damals Charlie alle noch für einen Amerikaner, bis sich diese von ihm distanzierten, was nicht Chaplin, wohl aber den USA schadete. Was Wilhelm Staudinger nun in der ganzen Welt an Gegenständen von und über Charlie Chaplin zusammengesammelt hat, das ist ab Mittwoch, 22. Februar im Deutschen Filmmuseum in Frankfurt zu sehen. Stimmt nicht ganz. Aber immerhin sind von den 6 000 Gegenständen des Archivs sehr viele im Dritten Stock des Filmmuseums gelandet. Zählen Sie selbst. Fortsetzung folgt.

 

Ausstellung: CHARLIE, THE BESTSELLER  bis 13. Mai 2012

Fotos: Uwe Dettmar

Quelle: Deutsches Filminstitut

www.deutsches-filmmuseum.de