Serie: Chaplins Tramp – Ikone zwischen Kino, Kunst & Kommerz im Deutschen Filmmuseum Frankfurt am Main , Teil 4/5
Romana Reich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Von den 6 000 Chaplinmotiven, die Wilhelm Staudinger gesammelt hatte und die nun dem Deutschen Filmmuseum anvertraut sind, sehen wir in dieser Sonderaussteller der von Chaplin erschaffenen Kunstfigur: Charlie, der Tramp mehr, viel mehr als man erst einmal denkt, wenn der Blick auf die unvergleichlichen und sehr großen Originalplakate fällt, die damals schon von weitem in die Kinos lockten und uns in die Ausstellung.
Denn Feuerzeuge, Streichholzschachteln, Aschenbecher, Kaffeebecher, Döschen, Büromaterialien, Seifenspender, Sammeltasse, Orden, Anstecknadeln, Kinderspielzeug, Karussell, Toilettenhalter, Uhren, Taschenmesser, Eierbecher, Schlüsselanhänger, Masken, vor allem aber die mechanisch zu betreibenden Spieldosen und Wunderwerke mit seiner Figur verziert, die füllen die Regale derart, daß man schon Zeit braucht, sie alle zu sichten und sich sowohl der Ähnlichkeit wie auch des Anderssein zu versichern. Bei vielen allerdings fragt man sich auch: „Wollte ich das überhaupt haben?“
Beim Presserundgang ging Sammler Wilhelm Staudinger von selbst darauf ein, als er beim Berichten darüber, wo und wie er die Stücke auf der ganzen Welt gefunden hatte, formulierte, wie abscheulich er so viele der Chaplingegenstände fand und sie dennoch kaufte: „Da gab es ein Püppchen aus China, das aussah wie eine Kreuzung von Chaplin und Miss Piggy. So etwas Scheußliches, dachte ich. Und dennoch schien es mir wichtig als Dokument einer bestimmten Alltagskultur.“
Gerade weil diese Ausstellung nicht geschönt ist, sondern die positiven und negativen Auswirkungen einer weltweiten Manie, nämlich dem Kult um den Tramp dient, mit einem Worte: der Geschäftemacherei mit seinem Abbild, gerade darum überzeugt sie so. Natürlich gibt es genug, was man selber gerne mit nach Hause nähme. Das hinreißende Kindergrammophon aus dem Jahr 1925, das eine kleine Platte abspielt, auf der sich Charlie dann dreht, das gefällt auch Großen – abgedruckt im vorherigen Artikel - und die Lithographien, die alten Plakate mit dem ehrenwerten Druckverfahren gefertigt, die sind einfach schön.
So werden die Besucher hauptsächlich die kuriosen Dinge bestaunen, auf denen ihnen der unergründliche Charlie entgegenschaut. Die Bücher hingegen, die sind gleich am Anfang in hohen Regalen durch die alles überziehende Gaze geschützt, weshalb man sie leider – ja, ja, gut verständlich – nicht in die Hände nehmen kann. Denn die wissenschaftliche Forschung, was es mit dieser so oft kopierten, nachgeahmten, abgemalten Figur auf sich hat, die findet sich genau in diesen Büchern. Wie gut, daß nach der Ausstellung ein Gutteil von ihnen in der Bibliothek des Filmmuseums studiert werden kann.
Es war wirklich das Interesse des Buben Wilhelm, das die Sammelleidenschaft in Gang setzte, mehr über die Absurdität zu erfahren, daß ausgerechnet der Held der Freiheit der Landstraße, dieser Charlie, in Person seines Schöpfers Chaplin in den USA durch den FBI überwacht und gedemütigt, dann 1952 noch des Landes verwiesen wurde, als ihm die Einreise in sein damaliges Heimatland verweigert wurde. Sympathisch, daß dies Staudinger noch heute aufregt, uns übrigens auch.
Das dritte Stockwerk des Filmmuseums ist in elf Bereiche unterteilt. Das merkt man aber nur, wenn man genau hinschaut und auch die Texte durchliest. Natürlich ist nichts chronologisch geordnet, das ginge auch bei einem solchen Sammelsurium gar nicht. Von vielen Gegenständen weiß keiner das Fabrikationsdatum, nur der Kauf durch den Sammler, wo, von wem, wie, wieviel ist von ihm festgehalten worden. Neben dem Lesen und den Plakaten sind das auch Fotos an der Wand, wo Berühmtheiten sich selbst als Charlie verkleiden und schminken. Von Caterina Valente hatte man das noch in Erinnerung, Michael Jackson hat sich auch darin versucht – durchaus mit Erfolg. Die vielen Faschingskostüme mal nicht mitgerechnet, denn die sind hier nicht vorhanden, nur die Vielfalt der Charlie-Masken ist beeindruckend, darum heißt es hier auch: Charlie sein!
Denken wir immer daran, daß diese Ausstellung die Popularität des Helden genauso feiert, wie es das Gewinnstreben dieser Charlie-Industrie an Andenken, religiös überhöht sogar Devotionalien genannt, bloßlegt. Schließlich ist das bei den Zeitschriften nicht anders. Wie oft sich Charlie auf den Titelbildern der wichtigsten Magazine der Welt wiederfindet! Warum? Eben auch, weil er ein Sympathieträger war und ist und lieber gekauft wird, als sonstwer. Uns ist das übrigens genauso gegangen. Wir sind in diese Ausstellung „Charlie“ mit noch mehr Vorfreude gegangen, als wir es sonst schon tun. Sie lohnt. Fortsetzung folgt.
Ausstellung: CHARLIE, THE BESTSELLER bis 13. Mai 2012
In der Ausstellung sind Abschnitte aus den Filmen zu sehen. Die Sondervorführungen der vollständigen Charlie Chaplin Filme entnehmen Sie bitte dem Programm oder der Webseite.
Fotos: Uwe Dettmar
Quelle: Deutsches Filminstitut
www.deutsches-filmmuseum.de