Die CDU als Bewahrerin des unbegrenzten Flughafenausbaus – vernünftige Stimmen gelten nicht, so im Römer letzte Woche
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Im Vorfeld der Einladung der Ausbaugegner in den Kaisersaal durch Oberbürgermeister Feldmann am 1.Juni 2015 kam es zu Attacken des Frankfurter CDU-Chefs Uwe Becker, mit dem dieser sich gleichsam als der kommende, wild entschlossene Mann für die Aufgaben des von ihm angestrebten Oberbürgermeisteramts erste Vorwahlkampfsporen verdienen wollte.
OB Peter Feldmann, der wahrlich und erfreulicherweise kein Bügler über die Interessen der nicht wenigen vom Moloch des Flughafens gequälten Stadt- und Landbewohner ist, hatte die Geschädigten eingeladen, damit sie in einem ihnen endlich gebührenden Rahmen die nicht enden wollenden Sorgen und Nöte in vernünftig dargelegter Sprache kommunizieren konnten. Den AusbaugegnerInnen geht es um den Schutz vor Lärm im Minutentakt und die Verringerung von Abgasen aus Flugbewegungen, deren Zahl – wie offiziell schon angekündigt - nach oben hin offen sein soll.
Den Flughafenausbau halten sie in der Weise, wie er stattfindet und vor sich geht, für unnötig und essentiell schädlich. Die neue Landebahn hatte den Lärmterror unter den geänderten Landeverläufen in der Fläche extensiviert. Kritische Geister kennen die CDU als eine Partei, deren Tun und Trachten vor allem darin gipfelt, Erfüllungsgehilfin wirtschaftlicher und technokratischer Rücksichtslosigkeiten und Vermessenheiten zu sein (z.B. wenn sie der Finanztransaktionssteuer eine Absage erteilt, die dem immer noch ungesühnten Fehlverhalten privater Finanzakteure nur um ein Geringes gegensteuern sollte und auch was auch die Rolle der hessischen CDU im Zusammenhang mit der Fehlinvestition in die Flughafenruine von Kassel Calden anbetrifft, einem eindeutigen Prestige- und Gefälligkeitsbauwerk).
Klarstellung
Um eines klarzustellen: Die FlughafenkritikerInnen sind keine Gegner der Flughafens. Sie bestehen gleichwohl auf dem substantiellen Schutz der nach ihrem Verständnis über den wirtschaftlichen und technokratischen Interessen rangierenden Belangen und Eigenschaften der menschlichen, tierischen und pflanzlichen Natur, gegen die immer zerstörerischer vorgegangen wird. Allein Leben ist substantiell, Ökonomie nur Werkzeug. Daher: Schutz vor einem in kurzem Turnus über Dächer hinweg schwappenden Lärm, dem unter der Einflugschneise nicht zu entgehen ist; ein naturrechtliches Grundrecht auf saubere Atemluft, d.h. Bewahrung der atmosphärischen und biosphärischen Lebenswelt, dabei die Verletzlichkeit kindlicher Körper und Seelen besonders einbedenkend.
Umwelt ist, wie wir täglich erfahren, exponentiell durch hybride zivilisatorische Entwicklungen gefährdet. Nicht nur der fossil betriebene Autoverkehr kommt in den Ballungsgebieten einer ununterbrochenen Verletzung und Mißachtung organischen Lebens gleich (mit 120 g CO2 pro Fahrzeug, ausgestoßen über die Distanz eines Fahrkilometers: entspricht fast der Schwere einer Tafel Schokolade; bleibt aber unsichtbar!). Der Flugverkehr ist im Rhein-Main-Gebiet der weitere komplementäre Faktor einer gravierenden Dauer- und Hintergrundbelastung, die einer Körperverletzung nach bürgerlichem Recht gleichkommt. Es braucht der Abwägung und des Ausgleichs wirtschaftlicher und lebensweltlicher Interessenlagen, wobei die lebensweltlichen einen naturrechtlich verankerten Vorrang haben.
Hirnforscher Singer erteilt wissenschaftsfeindlicher CDU eine Lehre
Der angesehene Hirnforscher Wolf Singer hat in seinen Ausführungen im Rahmen des Empfangs einsichtig gemacht, dass der ungebremste Ausbau des Flughafens einer wirtschaftlichen und planerischen Fehlleistung entspricht, die allein der Mechanik mangelnder Besinnung folgt, einer Logik des unbedachten Wachstumswahns. Die Funktionen der neuen Landebahn hätten in die bestehenden Landebahnen integriert werden können, wie das Beispiel des Londoner Flughafens Heathrow zeige. Uwe Becker tat schon im Vorfeld jeglichen vernünftig einwendenden Diskursansatz ab und schaltete auf antibürgerlich, wollte einsichtige Argumente nicht anerkennen und machte präpotent den Zorngickel, weil seine seelischen Gemüsebeete schon von Ferne her angekratzt schienen.
Lieber wollte er, ganz dem Wesenszug einer CDU entsprechend, sich umgehend als Erfüllungsgehilfe der grenzenlosen Ausbaulogik in Stellung bringen. Dies entspricht ganz dem gesellschaftspolitischen Stil der CDU: wir als CDU kuscheln uns an die faktisch wahre Macht und Herrschaft an, damit es unserer daran angeschlossenen Klientel nochmal so richtig gut gehe, der geschädigte Rest kann sehen wo er bleibt. Der CDU-Grande Stephan Siegler schien im Kaisersaal auch keinerlei Verständnis für die bedrängte Interessenlage der Ausbaugegner aufzubringen.
Es ist unglaublich, wie indolent, antibürgerlich und unfähig zu einem Diskurs auf ernsthaftem menschlichen und wissenschaftlichen Niveau sich diese Partei mit dem ostentativen bürgerlichen und christlichen Etikett erweist. Die von der Tyrannei des Lärms und der Überziehung mit stinkendem Pesthauch Betroffenen werden einfach als Randgruppe, als pofeliger Rest in die Ecke gestellt, in der sie nicht zählen, in der sie zu Underdogs verdammt sind. Sie werden zu Marginalisierten und Stigmatisierten gemacht, die sich dem sog.Fortschritt (eine 'bloße Idee', wie Nietzsche meinte) verweigern. Die CDU meint, dass sie und der Flughafen allein der Staat seien, alle andern haben sich ihm zu unterwerfen.
Unverwechselbare CDU, wie wir sie seit Anbeginn unserer Zeit kennen: es bleibt ihr ureigenes Markenzeichen, dass sie sich auf Kosten der kleinen Leute, die sich innere Festigkeit und Unmanipulierbarkeit erhalten haben, so liebend gern und restlos entschlossen auf die Seite der Großkopferten schlägt, wo sie die große Macht vermutet und wo es darauf ankommt, den Parias der vorherrschenden Wirtschaftslogik das Gesetz der Eilfertigen und Angemaßten, der Betriebsamen und Begehrlichen und zugleich ein Bild von deren Welt überzustülpen.
Perfide ist auch das förmlich zu Tode gehetzte, in der pauschalisierten Form dümmliche Arbeitsplatzargument, das stets als Totschlagsfloskel herhalten muss. Diesem Einen kann, ja darf die Region geopfert werden. Arbeitsplätze gelten per se als höher „geratet“ als das elementare Interesse der Region an einer nicht zerstörten, intakten Lebenssphäre. Die CDU begreift die Betroffenen als hinderliche Kostenfaktoren und macht sie zur Dispositionsmasse des Flughafeneinzugsbereichs und seiner durchschaubar einschlägigen Interessen. Unbedingt müsste eine Obergrenze an Flugbewegungen eingezogen werden, sonst geht die Bewohnbarkeit der Region auf Dauer zugrunde. Im übrigen: den Bannwald geopfert zu haben - ein Rechtsverstoß -, war unbürgerlich, weil damit eine grundbürgerliche Rechtsposition geschliffen wurde, etwas, das sonst als heilig hochgehalten wird.
Foto: Heinz Markert