Im Kampf um Deutungshoheit über Bauers Leistung lauern tiefe Gründe
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Eine zeitlang hatte Fritz Bauer ein nur wenig gutes Zuhause am Fritz Bauer-Institut. Diese Phase ist noch keineswegs überstanden. Vorgefertigte, eilig und verantwortungslos verbreitete Urteile wurden geblökt. Ressentiments gingen um. Dahinter stand Methode.
Daher währte seit etlicher Zeit eine hitzig-kontrovers geführte Debatte um die politische Rolle und das Werk dieses eminent politischen Menschen und großen Strafrechtsreformers und Wissenschaftlers. Abwegig auch war die neuerlich aufgezäumte Zuschreibung einer homosexuellen Orientierung auf die Person Bauers hin, für die sich ein eindeutiger Beleg nie fand. Auch deswegen hätte hierzu geschwiegen werden müssen. Sexuelle Orientierung hat weder Relevanz in der Wissenschaft als solcher überhaupt, noch gehört sie in die Diskussion um Bauer als empirische Person; sie wird eingesetzt gegen seine Rolle als möglicher politischer Erzieher und Vordenker eines neuen Weltverständnisses von Recht und Rechtskultur.
Anlass jetzt und heute: der Artikel von Werner Renz: 'Sang und klanglos und verheerend milde' (FR 19.08.2015). Sein Thema sind die Urteile zu einer hohen Zahl von nationalsozialistischen Tätern, die sich hatten entziehen können, weil die Rechtspraxis versagte.
Exkurs: Nelhiebels Kampf um die Deutung Fritz Bauers
Kurt Nelhiebel hatte sich dem Deutungskampf um Fritz Bauer gestellt und eröffnete gegen Ende 2014 mit Nachdruck eine engagierte Debatte um Bauers Leben, Wirken und politisch-gesellschaftlichen Stellenwert. Den Zündfunken lieferte das Begleitbuch zur Frankfurter Ausstellung „Fritz Bauer. Der Staatsanwalt“ im Jüdischen Museum von Frankfurt am Main. Besonders schien ihm der nicht hinterfragte Vorwurf der Konspiration - durch Treuebekenntnis - mit den NS-Machthabern aufgrund eines fragwürdigen Artikels in einer Zeitung aus dem Jahr 1933 als abwegig und nicht verifizierbar.
Als infam ist auch die Unterstellung des Fritz-Bauer-Essayisten Ronen Steinke zu bewerten, Bauer habe seine jüdische Herkunft verleugnet. Das Buch wurde vom Fritz-Bauer-Institut gefördert. Weitere Details an Vorwürfen sind über die unmittelbar folgend angegeben Links zu erfahren. Wie es eben so ist: eminente Menschen – besonders wenn sie sich widerständig zeigen - ziehen die Neigung der Inferioren an, ihnen am Zeug zu flicken und sie mit Schmutz zu bewerfen. Vor allem aber stehen die Giganten des wahren, noch unenthüllten Menschengeschlechts über den Ethnien, Stämmen und Religionen und was es sonst noch an Fragwürdigem gibt. Das macht sie besonders verdächtig für die Herrscher, die so etwas brauchen, um ihre Macht zu zementieren. Sie müssen sich gegen die Eigenen und gegen die Anderen verwahren, weil sie einer Idee des Weltrechts verpflichtet sind, das zur Verwirklichung noch aussteht. Fritz Bauer soll klein und unscheinbar gehalten werden, so quasi als wie ein Nichts.
Vergl.: 'Deutungskampf um das Werk von Fritz Bauer: die Nestbeschützer', Teil 1 + 2, Kurt Nelhiebel, tagesspiegel 08.12.2014.
In Teil 2 schreibt Kurt Nelhiebel: 'Die alte Anti-Bauer-Stimmung setzte [zeitlich nachdem Roland Kochs Christdemokraten die Verantwortung für das geförderte Institut – ins Leben gerufen 1995 - bekommen hatten] wieder ein. 2005 stellte ein Institutsmitarbeiter sogar den gesamten Auschwitz-Prozess infrage'. Nelhiebel führt weiter aus: der Leiter des Institutsarchivs, Werner Renz, habe unter der Überschrift „Täterexkulpation und Opfergedenken“ geschrieben: 'die Angeklagten [im Auschwitz-Prozess] seien niedrige Chargen gewesen, für das Geschehen in Auschwitz nicht verantwortlich. Man habe sie auch nicht zum Zweck der Vorbeugung bestrafen müssen, da sie ja ähnliche Verbrechen nicht erneut hätten begehen können.' (So, so)
Nelhiebel vermerkt weiter, dass der wissenschaftliche Beirat des Instituts zu dem 'brisanten Aufsatz' nicht gehört worden war. 'Die Publikation einer kritischen Erwiderung von Joachim Perels, der dem Beirat vorsaß, vereitelte der damalige Institutsdirektor Dietfried Krause-Vilmar, der den Schritt später bedauerte. Perels wurde, wie er sich ausdrückt, aus dem Beirat „hinausbefördert“, Renz aber blieb und veröffentlichte im selben Tenor'.
Der ehemalige Untersuchungsrichter im Auschwitz-Verfahren, Heinz Düx, beschwerte sich beim Fritz-Bauer-Institut über Textpassagen, die als „Beginn einer Demontage und Desavourierung Fritz Bauers“ gelesen werden könnten'.
Nelhiebel spricht von der Entpolitisierung Bauers. In diesem Zusammenhang sei auch beim Institut der Film von Ilona Ziok „Fritz Bauer - Tod auf Raten“, den Archivar Renz als „medialen Missgriff bezeichnet hatte, 'nicht gelitten'. Und auf Ungnade sei auch die Historikerin und ehemalige stellvertretende Direktorin des Fritz-Bauer-Instituts Irmtrud Wojak gestoßen, die vom Institut boykottiert worden sei.
Weiter zu Renz
Mit seinen kürzlichen Ausführungen in der FR zum Auschwitz-Prozess ('Sang-und klanglos und verheerend milde', 19.08.2015) scheint Werner Renz seine Entwertungen Bauers zumindest vorläufig nicht mehr fortzusetzen. Er konzediert, dass es 'Bauers Konzept war, den gesamten Verbrechenskomplex Auschwitz aufzuklären, mithilfe eines Großprozesses das Funktionieren der Todesfabrik darzustellen'. Ob Renz` Wendung nachhaltig ist, bleibt abzuwarten. Auch seine Ausführungen zu dem in der juristischen Praxis schmählich misslungenen Komplex des Verhältnisses von Gehilfen und Mittätern bzw. Tätern - bis hin zum Exzess - künden von Einsichtigkeit.
Erst seit dem Demjanuk-Prozess (mit Urteil vom 12. Mai 2012) gelangte die Rechtssprechung zu der Praxis, auch die Gehilfen und Mittäter als vollverantwortliche Miträuber und Mitmörder („Teil der Vernichtungsmaschinerie“) zu überführen und abzuurteilen. Der Renzsche Artikel schließt mit dem Absatz: 'Heute wird Fritz Bauers verehrend gedacht. In den Jahrzehnten nach seinem viel zu frühen Tod ist sein Vermächtnis jedoch schmählich ignoriert worden'. (Renz)
Der unabgegoltene Fritz Bauer
Besonders auch das überlieferte, 2014 herausgekommene Filmmaterial zu Fritz Bauer ('Fritz Bauer, Gespräche, Interviews und Reden', absolut Medien 2014) offenbart die Dimension von Fritz Bauers rechtsphilosophischer und rechtspraktischer Autorität. Er war ein Mann des Weltbegriffs von Recht, so wie es einen Weltbegriff der Philosophie schon seit der Aufklärung gab. Die Edition seiner politischen Schriften erwarten wir sehnlichst..
Fritz Bauer war ein Verfechter des universellen Weltrechts ohne Abstriche, das über die nationalen Einzelrechte gespannt ist, die noch allzu vielen kontingenten Mengenanteilen dienen. Das Weltrecht erstreckt sich auf alle Ebenen gesellschaftlichen und natürlichen Lebens. Menschen haben im Fall der menschenfeindlichen Praxis in ihrer Nähe immer das Recht Nein! zu sagen, haben ein Naturrecht auf Widerstand und sofortige Verweigerung. 'Naturrecht und menschliche Würde' heißt es bei Ernst Bloch, 1961.
Hiergegen wendet sich eine Partei wie die CDU, die in der nach-nationalsozialistischen Zeit die alten Nazis zu ihrem parteipolitischen Vorteil eingesammelt hatte. Über den nationalen Einzelrechten steht das Weltrecht, das ursprüngliche Naturrecht des Rechts. Mit Natur ist nicht das: 'Dreck unter meinem Stiefel' gemeint, sondern: Du bist mir ein hilfebedürftiges, mein Mitgefühl erregendes Wesen. Es ist auch nicht nur ein bloß für Menschen gezeugtes Recht - das Weltrecht schließt auch das Naturrecht der Natur selbst und schon gar auch das Recht aller außermenschlich empfindenden Wesen mit ein. Das Naturrecht des Weltrechts wird die Oberhand gewinnen oder es es wird eines Tages keine Welt nach dem Nous(ὁ νοΰς)-Maßstab mehr geben. Ohne das entscheidende griechische Nous, das sich der Definition entzieht, erledigt sich die Welt von selbst. Das Nous hat aber nichts mit einem irgendwie bekannten oder geläufigen Gott zu tun, denn der wäre für unser Geschlecht ohnehin unerkennbar.
Info:
Werner Renz: 'Sang und klanglos und verheerend milde' (FR 19.08.2015)