Interview vom Medienchef des 1. FFC Frankfurt mit dessen Manager Siegfried Dietrich

Dirk Zilles

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Pokale und Meisterschaften zu gewinnen, ist für Siegfried Dietrich nach mehr als zwei Jahrzehnten erfolgreicher Tätigkeit im Vereinsfrauenfußball ein vertrautes Gefühl: Nicht weniger als 20 nationale und internationale Titel zieren mittlerweile den Briefkopf des 1. FFC Frankfurt, in dem seit knapp vier Monaten auch der vierte Champions-League-Gewinn dokumentiert ist. Ein Triumph, dem der FFC-Manager – gerade im Hinblick auf die Herausforderungen der Zukunft – einen sehr hohen Stellenwert beimisst.



Herr Dietrich, was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Mandy Islacker in der Nachspielzeit des Champions-League-Finales in Berlin mit einem Kunstschuss das entscheidende 2:1 gegen Paris Saint-Germain erzielt hat?



Es ist nicht einfach, diese Gefühle in Worte zu fassen. Erst einmal musste ich realisieren, dass der Ball wirklich im Netz zappelte und das Tor auch zählte. Dann fiel eine große Anspannung von mir ab und ich hätte die ganze Welt umarmen können. Was mir besonders in Erinnerung geblieben ist: Als ich ein Stück zur Seite sah, hatte ich kurz Blickkontakt mit Angela Merkel, die sich mit uns freute. Ach ja, und dann habe ich realisiert, dass das Spiel ja noch fortgesetzt wurde. Und man weiß ja, dass im Fußball alles passieren kann…





Wie würden Sie diesen Champions-League-Sieg einordnen, gerade auch im Vergleich mit den vorherigen europäischen Titeln 2002, 2006 und 2008?



Jeder Sieg hatte seine eigene Story und jeder war auf seine Art und Weise ein grandioses Erlebnis. 2002 waren wir der erste Europapokal-Sieger der Frauen überhaupt – das wird für ewige Zeiten in der Statistik stehen. Die rein deutschen Final-Spiele 2006 mit dem erstmaligen Besuch der Bundeskanzlerin bei einem Vereinsfrauenfußballspiel sowie das grandiose Endspiel 2008 in der Commerzbank Arena sind ebenso unvergessliche Highlights. Diese Siege fielen allerdings in eine Zeit, in der im Frauenfußball noch andere Rahmenbedingungen herrschten: Sowohl national als auch international dominierten die reinen Frauenfußball-Clubs und starke Lizenzvereine waren eher die Ausnahme. Dieses Verhältnis hat sich mittlerweile umgekehrt – und das ist auch der Grund, warum man den aktuellen Sieg nicht hoch genug einschätzen kann. Viele andere Klubs mussten der schnelllebigen Entwicklung Tribut zollen. Wir hingegen haben es geschafft, uns den anspruchsvoller werdenden Rahmenbedingungen immer wieder erfolgreich zu stellen. Darauf können wir alle stolz sein!





Was bedeutet der Champions-League-Sieg für die Zukunft des 1. FFC Frankfurt?



Zum einen gibt uns dieser Erfolg Motivation, um die vor uns liegenden Herausforderungen mit Herzblut und großer Leidenschaft anzugehen. Wir haben gesehen, dass sich zielstrebige Arbeit in allen Bereichen auszahlt – und das verleiht neue Kraft. Zum anderen ist der Sieg auch wichtig für unsere Wahrnehmung im internationalen Frauenfußball. Fakt ist: Der 1. FFC Frankfurt war und ist eine Top-Adresse für Spielerinnen aus aller Welt. Und zwar nicht deshalb, weil wir mit traumhaften Gehältern locken. Spielerinnen, die zu uns kommen, schätzen die sportliche Perspektive in einem professionell geführten Klub, in dem die Frauenmannschaft nicht nur eine Abteilung ist, sondern im Mittelpunkt des Vereinslebens steht. Und ein weiterer wichtiger Punkt: Mit dem Champions-League-Erfolg haben wir uns erneut für die europäische Königsklasse qualifiziert.





Und da trifft der 1. FFC Frankfurt als Titelverteidiger zunächst auf den belgischen Klub Standard Lüttich. Eine lösbare Aufgabe, oder?



Lösbar sind alle Aufgaben, wie man in der letzten Saison gesehen hat… Natürlich sind wir klarer Favorit in dieser Paarung, doch deshalb werden wir uns genauso konzentriert auf diese Aufgabe vorbereiten wie auf jeden anderen Gegner. Auch als Champions-League-Sieger betrachten wir jedes europäische Spiel als etwas Besonderes!





Kommen wir zur Allianz Frauen-Bundesliga, in der ja heute der Klassiker gegen den 1. FFC Turbine Potsdam auf dem Programm steht. Wie bewerten Sie den Saisonstart des 1. FFC Frankfurt?



Zunächst mal bin ich sehr froh, dass wir mit der optimalen Ausbeute von sechs Punkten in die heutige Partie gehen. Vergessen wir nicht: Vor zwei Jahren haben wir gleich zu Saisonbeginn zwei ärgerliche Unentschieden hinnehmen müssen, die uns in der Endabrechnung sehr weh getan haben. Von daher gilt es erst einmal, die nötigen Punkte zu holen. Nur das zählt! Dass zum Anfang einer Saison noch nicht alles rund laufen kann, ist doch ganz normal und den anderen Klubs geht es doch genauso. Auch unsere Konkurrenten im Liga-Spitzenquartett haben ihre Aufgaben am letzten Spieltag erfolgreich erledigt, ohne ihre Gegner dabei in Grund und Boden gespielt zu haben.



An diesem Spieltag der Allianz Frauen-Bundesliga kommt es zu einer interessanten Konstellation: Die finanzstarken und bezüglich ihrer Rahmenbedingungen bestens aufgestellten Lizenzvereine FC Bayern München und VfL Wolfsburg sind bereits am Freitag aufeinandergetroffen – heute folgt das Kräftemessen der traditionsreichen Frauenfußball-Klubs aus Frankfurt und Potsdam. Wie lange wird dieser Klassiker auch gleichzeitig noch ein Top-Spiel um die vorderen Plätze sein?



Ich kann nicht in die Zukunft schauen, aber die Allianz Frauen-Bundesliga lebt doch gerade von diesem spannenden Vierkampf, der zugleich ein Zweikampf der Systeme ist. Wir haben momentan genau jene Wettbewerbssituation, die ich mir schon vor zehn Jahren gewünscht habe und es wäre toll, wenn auch in Zukunft eine solch spannende Konstellation in der stärksten Frauenfußball-Liga der Welt gegeben wäre. Dass es möglich ist, mit unserem Weg und unserer Philosophie erfolgreich zu sein, haben wir mit dem Gewinn der Champions League ja gerade erst unter Beweis gestellt. Genau diesen Weg müssen wir nun weitergehen! Konkret bedeutet dies, mit einer guten Nachwuchsarbeit, einem schlüssigen sportlichen Konzept, aber auch mit einer professionellen Außendarstellung unser Profil als Top-Adresse im Frauenfußball zu schärfen.





Turbine-Coach Bernd Schröder hat seinen Abschied zum Saisonende angekündigt. Sollte es nicht noch mal ein Wiedersehen im DFB-Pokal geben, wird das Trainer-Urgestein heute zum letzten Mal neben Ihnen bei der Pressekonferenz sitzen…



Das glaube ich erst, wenn es wirklich so weit ist. Bernd hatte ja schon öfters seinen Abschied angekündigt und es sich dann noch einmal anders überlegt. Und ganz ehrlich: Ich würde mich wirklich freuen, wenn er seine Entscheidung noch einmal überdenken würde. Er hat große Verdienste um die Entwicklung des deutschen Frauenfußballs weit über seinen Verein hinaus und ist ein wichtiges Gesicht – nicht nur der Allianz Frauen-Bundesliga.



Es gab Zeiten, da haben sie nicht immer nur Nettigkeiten ausgetauscht.



Klar, es gab früher einige hitzige Partien zwischen unseren Klubs und da ist von beiden Seiten schon mal der eine oder andere Satz gefallen, den man heute sicher nicht wählen würde. Aber ich denke, das Ganze hat der Wahrnehmung des Frauenfußballs nur gutgetan: Auch wenn es die Medien oft an der Personalie „Schröder gegen Dietrich“ festgemacht haben – letztlich stand doch unser Sport in den Schlagzeilen. Und dafür hat es sich gelohnt! Tatsache ist, dass ich größten Respekt vor Bernd und seiner Lebensleistung bei Turbine Potsdam habe. Und sollte es wirklich sein letztes Auswärtsspiel bei uns sein, dann wünsche ich ihm schon jetzt alles erdenklich Gute für seinen Fußball-Ruhestand. Er muss aber auch wissen: Ein Abschiedsgeschenk in Form von Punkten wird’s heute nicht geben…



Foto: Medienreferent Dirk Zilles und Manager Siegfried Dietrich, beide 1. FFC, in Monaco anläßlich der Wahl von Celia Sasic (bis dahin 1. FFC) zu Europas Fußballerin des Jahres, © 1. FFC Frankfurt



Info I

Die nächsten Spiele der Saison 2015/16:

26. 9. 2015, 14.00 Uhr PSV Freiburg – 1. FFC Frankfurt (2. Runde DFB-Pokal)

4. 10. 2015, 14.00 Uhr 1. FC Köln – 1. FFC Frankfurt

7. 10. 2015, 19.00 Uhr Standard Lüttich – 1. FFC Frankfurt

(Sechzehntelfinal-Hinspiel Champions League)



Info II:



Die 49. Auflage des ewig jungen Klassikers wird ab 11.00 Uhr live im hr-fernsehen übertragen.

Moderator ist Volker Hirth, Kommentator ist Florian Naß. Eine ausführliche Zusammenfassung wird ab 18.00 Uhr in der ARD-Sportschau zu sehen sein.



Auch das zweite Top-Spiel des Wochenendes, die Begegnung zwischen dem Deutschen Meister FC Bayern München und dem DFB-Pokalsieger VfL Wolfsburg, wird live übertragen: Eurosport und DFB-TV sind am heutigen Freitag, dem 11. September 2015, ab 17.45 Uhr auf Sendung.



Info III:

Abdruck des Interviews aus dem kommenden FFC-Stadionmagazin ANPFIFF mit freundlicher Genehmigung des 1. FFC