Das Frankfurter Westend wird schleichend geplündert, Teil 1/2

 

Heinz Markert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Artikel, die den Immobiliensektor betreffen, bleiben nie ganz ohne martialische Anklänge. 'Der Kampf um Hamburg', so lautete der Titel eines Artikels der FR vom 15.05.2012, der wohl ewig im Gehirnstübchen widerklingen mag. Was für Hamburg gilt, gilt entsprechend auch für Frankfurter Verhältnisse.

 

Da heißt es: 'Was im Westend läuft, ist reine Spekulation' (FR Weihnachten 2014) – so konstatierte Ortsvorsteher Kaufmann -, 'Aufwertung plus Verdrängung' (22.11.2014) und: 'Die Presslufthämmer müssen weiter schweigen. Auf der Baustelle des Onyx-Hochhauses...dürfen sie bis auf weiteres nicht benutzt werden' (FR 10.09.2014)

 

Die hamburgische Phänomenologie gilt für alle 'megalomanischen' Großstädte. Handgreiflich mit Hausbesetzungen wurde es am Main in den Siebzigern, als deren Jahre vom Häuserkampf im Frankfurter Westend beherrscht waren. Das spekulative Kapital machte Chancen aus, die sich in einem gediegen bürgerlichen Stadtteil auftun. Die Edellage wird vom Nutzenkalkül aufgegriffen, kommt aber dann in Gefahr. Was das finanzgetriebene Kapital schluckt, wird auf Dauer ausgelöscht. Charme und Reiz gehen flöten. Es begab sich in den Siebzigern bereits die Wende zum spekulativen Finanzmarktkapitalismus, dessen Zenith wir jetzt erreichen. Das Kapital begann damals zu holzen, aber es wurde ihm vom Bürgertum und den Studenten der unruhigen Jahre mit Härte begegnet. Herrlichste Baudenkmäler sollten daran glauben - so entzündete sich die empörte Bürger- und Studentenseele.

 

Den Gegebenheiten nach stellt sich die jetzige Situation kaum anders da. Es geht um eine weitere Etappe der Übernahme der Stadt durch das nach Anlage gierende Kapital. Leistungslose Einkommen suchen unablässig und unabhängig vom Zweck nach stets neuer Anlage. Menschliche und gesellschaftliche Belange spielen keine Rolle.

 

 

Der Rundgang

 

Die AG Westend rief zum Rundgang durchs Westend, um einige Beispiele für nicht sozialverträgliches Zulangen näher zu begutachten und zu schildern. Soziale Bezüge gelten den Machern als Plunder von vorgestern. Nicht dass jede Änderung des Teufels wäre: es muss aber der Grundsatz gelten, dass die Veränderung eine menschliche sein soll. Denn wirtschaftliche Tätigkeit ist für den allgemeinen Nutzen da und darf nicht allein dem ungebremsten Selbstinteresse dienen.

 

Ein 60er Jahre Film, der von der Zerstörung von Alt-Offenbach handelte, entschied am Schluss: 'Die Verbindung von Tradition und Moderne war misslungen'. Das gilt auch für Frankfurter Verhältnisse und wird weiter gelten. Der Rundgang startete am Onxy-Haus. Das kam ins Gerede, als der Bauherr dekretierte: keine Fotos! - Das klingt nach einem Befehl, der einem altägyptischen Pharao zur Ehre gereichen könnte. Leute, gebt acht auf die Sprache! Leitende Wörter für den Rundgang durch das überhitzte Geviert lauten: Fünfjähriger Kündigungsschutz (ist wenig), städtisches Vorkaufsrecht (kaum bedient), Wertminderung, Entmietung, Kleinkrieg, in ständiger Angst, kalte Entmietung, Verwertungskündigung, Luxussanierung, Gesetz zur Modernisierung (keine Chance auf Einspruch gegen die Höhe der Miete), Milieuschutzsatzung, Wohnraumzweckentfremdungsverordnung (nicht erlassen in Wiesbaden), Spekulationsobjekt, Geldanlage, Verdrängung; dagegen gesetzt sind von den Betroffenen: Sich gemeinsam Wehren und Solidarität.

 

1. Die Anwohner des Onyx-Hochhauses (Oberlindau 78) berichten von den Qualen einer viele Monate andauernden Umbau- und Luxussanierungsmaßnahme. Es entsteht der wohl teuerste Wohnraum Frankfurts. 18 000 Euro/qm sind gesetzt. Er gründet auf einem ehemaligen Bürohochhaus, das aufgestockt wird. Baulärm ist das Hauptproblem für die AnwohnerInnen, die Arten des Lärms sind unterschiedliche: allmorgendlicher Beginn um 6.30 Uhr, dann bis zu 12 Stunden Durcharbeit, laute Anlieferung und Abholung des neuen bzw. ausgedienten Materials, Materialien ausstemmen und rausreißen (Parkett und Füllung), Eisenstäbe einrammen (mit der Folge von Rissen an Häusern der Umgebung), Eisenteile in Container schmeißen (Höllenkrach), Vibrieren, Zement maschinell Zerkleinern. Entstandene Schäden reparieren und Eingriffe in benachbarte Grundstücke wiedergutmachen ist nicht üblich, es heißt: 'Risse waren schon vorher'. Abmachungen erfolgen aus der brüsken Hoheitsfunktion des bauenden Unternehmens. Hecken werden entfernt mit der Begründung: 'Ihr seid jetzt andere', die bisherige Regelung entfällt.

 

Es entstehen Abgase, Dreck und Staub, die mit der Entkernung auftreten. Parkplätze sind weg. Der Zaun zur beiderseitigen Abschirmung bleibt Thema, ein Elektrozaun war auch schon im Gespräch. Nachbarn zogen weg, denn der Schaden an Leib und Seele durch Lärm, Abgase und Staub reicht weit in die Umgebung.

 

Fürsorge in Anbetracht der Beeinträchtigungen für das Leben der Betroffenen gewährt das bauende Unternehmen nicht. Ein Anwohner meinte: 'Leute, die Profit machen, machen, was sie wollen'. Wird nach einem Wohnersatz im Hotel oder im fremden Büro nachgesucht, geht es schnell um Kosten und die Ablehnung erfolgt umgehend. Schon das Nachbarhaus hatte einen extrem langen Umbau, Onyx dauert jetzt auch schon länger, der Beginn des Einzugs ist im Verzug, die nachfragende Klientel ist eine schwierige, am 1. Oktober sollte es zu Einzügen kommen.

 

Üblich im Viertel ist das illegitime Höherbauen, worauf abgezielt wird; es sollen Grenzen überschritten werden, soweit es irgend geht. Hierzu drängt der Anlage- und Renditewahn, während doch von Belang in einem gewachsenen Viertel ist, dass der Straßenzug nicht außerhalb der Proportion gerät, dass die gründerzeitbürgerliche und dem Jugendstil verhaftete Prägung des Stadtteils gewahrt bleibt, sonst nämlich wird kaputtaufgewertet. Aber das geht, wenn der Anlagedruck hoch ist wie jetzt. Stets geht es nach dem altbekannten Muster: viel herausholen, nichts zurückgeben, keine Grenzen kennen.

 Foto: Heinz Markert

 

Info:

Rundgang der AG-Westend am 18. September 2015: 'Spekulation, Zerstörung und Verdrängung und Bedrohungen der Mieter. Schaffen wir Öffentlichkeit!' - Treffpunkt: Onyx-Hochhaus. E-Mail AG Westend: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

Der 'Verein Zukunft Bockenheim' leitet eine Führung im Stadtteil am 17.10.2015 14 Uhr.