Das Frankfurter Westend wird schleichend geplündert, Teil 2/2

 

Heinz Markert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Einer Schändung kommt auch die Luxusaufwertung alter Villen gleich, die zu Büros 'umgewidmet' werden, mit Aufstockung (Friedrichstraße 13). Damit geht dringend benötigter Wohnraum verloren. Das Wohnen in historischen Villen ist ein sehr erlesenes, diese Zeit war einmal, sie kehrt in vergleichbarer Form nie wieder, auch weil Ästhetik und Geschmack auf breiter Front im Niedergang sind.

 

Deswegen kann auch Investoren und Anlegern (über Vermittler) alles Erdenkliche an Fehlleistungen angedreht werden. Desweiteren ist ein Problem, dass die Fünfzigerjahre-Bauten - die nicht selten ganz ansehnlich sind - luxus-umgebaut und aufgestockt werden und dann als günstiger Wohnraum dem Markt entzogen werden.

 

Damit wären wir beim eigentlichen Problem, dem der Gentrifizierung: rings um die Luxussanierungen steigen die Bodenpreise, die Folgen beeinflussen auch den Mietspiegel, Verdrängung kommt in Gang, alteingesessene MieterInnen müssen ausziehen. Der Mietspiegel weist Lagenzuschläge aus, ein Extra für die Eigentümer, gewährt von der Stadtpolitik. Diesem entsprechen verhängnisvolle City-Ladenzuschläge, die der Tod vieler kleiner ehrgeiziger Geschäfte bedeutet.

 

 

2. An der Ecke Wöhlerstraße/Staufenstraße wurde entmietet, entsprechend dem Passus; 'wirtschaftliche Verwertung'. Die Stadt hat geschlafen in Sachen Milieuschutzsatzung. Das Projekt zieht sich seit sieben Jahren hin. Gemäß Gerichtsbeschluss mussten Mieter raus, eine alte Dame bekam nicht mal eine letzte Frist von zwei Wochen, bis sie in die schon neu angemietete Wohnung wechseln durfte, der Gerichtsvollzieher schritt gegen sie ein. Auch hier wurde höher gebaut als gut ist für das Stadtteilgepräge. Die Stadt hat sich nicht den Bebauungsplan angeschaut, sie hätte Hässliches und Unangenehmes verhindern können.

 

 

3. In Wöhlerstraße 2 (Eckvilla) steht ein Altbau seit Jahren leer. Er steht historisch in Beziehung zum Hochtief-Hochhaus ('70er Jahre') nebenan. Mit der Villa wartet ein Objekt, erweckt zu werden. Gründerzeitbauten werden zunehmend verkauft, hochsaniert und teuer vermietet und: Neu wird anders als Alt, möglicherweise sogar öffentlich gefördert.

 

 

4. Im Fall 'WestendFirst' in der Ulmenstraße ist die Vorgartensatzung nicht eingehalten, Stand auf der Fläche vorher noch Kunst, so fällt das Auge jetzt auf Kieseln aus Granit. Unkultiviertheit und Unästhetik sind, obwohl so viel Geld im Spiel ist, üblich. Die Architekturhand arbeitet im gedrungenen Format.- Aufgestockte Architektur bleibt unter ihren Möglichkeiten. Die Politik ist vor den Investoren – was die Gestaltung der Stadt betrifft - zurückgewichen. Neu Errichtetes zeigt sich oft als 08/15-Architektur, aber teure.

 

 

5. In Rüsterstraße 15 wurde um 2 Geschosse aufgestockt, sieben wurden es. Es fanden Verwertungskündigungen statt mit Ersatzwohnung und ggf. Geld. Auch hier ist günstiger Wohnraum der Fünfziger verloren gegangen. Ein Stuttgarter Investor ist engagiert.

 

 

6. Das Faltblatt zur Ankündigung des Rundgangs (komplettiert mit einer duftenden Rose) beschreibt das Beispiel Schumannstraße 13: 'Das Haus ist einem stadtbekannten Spekulanten zum Opfer gefallen, der ein bewährtes Geschäftsmodell betreibt: ein, zwei Wohnungen an Wanderarbeiter (zu Wucherpreisen) vermieten, wonach die alt eingesessenen Mieter entnervt ausziehen'.

 

 

7. Der Abschluss des Rundgangs führte zur ehemaligen Oberpostdirektion, Ludwig Erhard Anlage 2-8. Hier gab es schon mehrere Besitzer. Die Umwandlung in Hochpreisbüros gelang nicht. Der Altbau soll 200 Eigentumswohnungen erhalten (inkl. Balkon).

 

Der 80er-Jahre Neubau soll abgerissen werden (infolge unzureichender Raumhöhe). Der neue Bau wird 12-geschossig und erhält Büros und Wohnungen in der Klasse des Gemeinbedarfs. Man konnte sich einigen; der Bebauungsplan blieb gewahrt. Es wird 12 Büros und 16 Wohnungen geben, hinzu kommen 200 Appartements für 'Westendpendler' und 16 Eigentumswohnungen. Damit kommt es auch zu einer Nachverdichtung. Zum Problem könnte werden, dass durch das überhöhte Bauen im gesamten Umkreis die Alleebäume sturmgefährdet sein könnten.

 

Immerhin: die Postfiliale bleibt bestehen oder wird neu eingerichtet. Es wird zu Staubbelastung durch den Abriss kommen.

 

Foto: Heinz Markert

 

Info:

Rundgang der AG-Westend am 18. September 2015: 'Spekulation, Zerstörung und Verdrängung und Bedrohungen der Mieter. Schaffen wir Öffentlichkeit!' - Treffpunkt: Onyx-Hochhaus. E-Mail AG Westend: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

Der 'Verein Zukunft Bockenheim' leitet eine Führung im Stadtteil am 17.10.2015 14 Uhr.