Ardi Goldman: Heimführung der Urne des Auschwitz-Staatsanwalts Joachim Kügler in eine Grabstätte auf dem Frankfurter Hauptfriedhof am 30. September

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Neben dem humanen Akt, dem, wenn nicht letzten, doch so inniglichen Wunsch eines Verstorbenen nachzukommen, hat die von Ardi Goldman nun veranlaßte Umbettung der Urne von Joachim Kügler aus seinem letzten Lebens- und Sterbeort Gummersbach im Rheinland in dessen Heimatstadt Frankfurt auch einen gesellschaftspolitischen Hintergrund.

 

Denn wäre er nicht, zusammen mit Staatsanwalt Georg Friedrich Vogel, die Vertrauensperson für den Hessischen Generalstaatsanwalt Bauer gewesen, hätte er nicht in dessen Auftrag die Auschwitzprozesse vorbereitet und durchgeführt, wäre sein Leben sicher anders verlaufen. Auch einfacher. Aber darüber wissen wir heute zu wenig, was wir wissen ist, daß er in den Interviews, die Ilona Ziok im ersten Jahrtausendjahrzehnt für ihren Film FRITZ BAUER – TOD AUF RATEN (2010 zur Berlinale uraufgeführt) mit vielen Zeitzeugen, eben auch mit Joachim Kügler (1926 – 2012) führte, immer wieder von Frankfurt sprach und eben auch davon, daß er dort begraben werden wolle.

 

So erzählt es Ardi Goldman, der es wiederum von Ilona Ziok hat. Nun muß man in Frankfurt niemandem sagen, wer Ardi Goldman ist. Er ist – wie es so schön heißt – stadtbekannt, ist unternehmerisch tätig und hat als Projektentwickler so manche Ecke von Frankfurt verschönert oder überhaupt erst wieder ins Bewußtsein gerückt. Ob dies auch für die Hanauer Landstraße gilt – also die Straße, die von Frankfurt aus parallel zum Main die gut 20 Kilometer bis nach Hanau führt - , das wissen wir nicht ganz genau. Wissen nur, daß der Osten Frankfurts früher verpönt war als häßliches Industriegebiet, als später gesichtslose Verkehrsader, die rechts und links die großen Gebäude wie die Zentrale von Neckermann aufgefädelt hatte, wozu dann auf einmal – da war es mit dem Versandhandel und Josef Neckermann schon vorbei – die schicken Autoniederlassungen hinzukamen und dann – längst bevor der heute verwirklichte Plan entstand: hier die Europäische Zentralbank (EZB) anzusiedeln – änderte sich der Charakter des Ostends, es kamen Clubs, Bars, andere Vergnügungsmöglichkeiten, Literaturveranstaltungsorte – und eben auch Ardi Goldmans Hotel 25Hours The Goldman hinzu.

 

Von diesem Hotel haben wir schon Sagenhaftes gehört, waren noch nie da, wissen nur, daß dort alle Zimmer „Helden“ gewidmet sind, Menschen, die im wirklichen Leben Zivilcourage gezeigt haben. Also gibt es auch ein FRITZ BAUER ZIMMER, denn neben vielen anderen Dingen besteht dessen Lebensleistung eben auch in der Initiierung der Auschwitzprozesse, die ab 1963 die Bundesrepublik Deutschland zum ersten Mal in voller Wucht mit den Verbrechen der Nazis, dem industriellen Massenmord an Juden und anderen, des von diesem Pack für unwürdig gehaltenen Lebens, konfrontierte. Und da Fritz Bauer diese Prozesse nicht nur initiierte, sondern als Hessischer Generalstaatsanwalt auch die Diensthoheit über die Staatsanwälte ausübte, ist es von heute her schon eine Ehrenbezeigung für Joachim Kügler (wie auch Vogel), daß er diese jungen Leute auswählte und ihnen eine solche Verantwortung übertrug. Denn die Prozesse waren Bauer als Aufklärung für die Jugend und die gesamte deutsche Gesellschaft unabdingbar. Und darin behielt Bauer auch recht, wichtiger als der konkrete Verlauf, die mangelnde Reue der Angeklagten und Verurteilten, war die zwingende Tatsache, nun öffentlich über diese Verbrechen zu sprechen.

 

Das weiß man alles besser, wenn man den wunderbaren Film FRITZ BAUER – TOD AUF RATEN gesehen hat. Ardi Goldman erklärt die Verbindung zur Berliner Regisseurin ganz einfach: Er hatte sie vor ein paar Jahren persönlich eingeladen zur Eröffnung seines Hotels/des Fritz Bauer Zimmers, weil er durch ihren Film, den er sehr lobt, auf die Idee der Benennung eines Zimmers mit Fritz Bauer kam. Und dann hatte Ilona Ziok – Jahre später - eine Idee und erzählte davon – so Ardi Goldman - Anfang des Jahres in seinem Hotel. Sie hatte nämlich auch nach dem Tod von Joachim Kügler noch mit den Menschen, die ihn betreuten, Kontakt, war also über alles informiert und auch mit den traurigen Lebens- und Sterbeumstände des verarmten Juristen vertraut und hatte hin und her überlegt, wen sie auf eine Heimführung des Frankfurter Staatsanwaltes in heimische Erde ansprechen könnte. Denn das hatte sich Kügler so gewünscht und sie hatte es ihm versprochen. Es mußte jemand sein, der die finanziellen Mittel einer Grabstätte auf dem Hauptfriedhof übrig hat und jemand, dem es selber ein Anliegen ist, das zu tun. Und sie hatte richtig überlegt und gefühlt, denn Ardi Goldman war sofort dabei.

 

Am 30. September wird also auf dem Frankfurter Hauptfriedhof diese Heimführung mit vorheriger Gedenkfeier in der Trauerhalle stattfinden, zu der sich viele Prominente aus Politik, Kunst und Kultur angekündigt haben. Redner werden neben Ardi Goldman der ehemalige hessische Justizminister Rupert von Plottnitz sein, Werner Renz vom Fritz Bauer Institut und Harry Schnabel als Gemeindevorstand der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main. Aus Frankfurt wird Johnny Klinke dabeisein, auch er stadtbekannt als Impresario verschiedener künstlerischen Großereignisse und seit über 20 Jahren Gründer und Direktor des Frankfurter Tigerpalastes, mit dem die Ära der hochklassigen Varietés in der Bundesrepublik hier in Frankfurt wiederbegründet wurde.

 

Auch Claus Wisser, der noch als Student vor den 68er Jahren lernte, wie man putzt und daraus eine Firma (WISAG AG) machte, die bis heute rund 50 000 Beschäftigte hat und inzwischen vom Sohn geleitet wird, gehört zu denen, die immer auf der Seite von Menschen stehen, die der Gesellschaft etwas geben, sei es Kunst, sei es Wissen, sei es gesellschaftspolitische Arbeit. Es kommt auch Gerhard Wiese, der damals in den späteren Jahren als Staatsanwalt an den Auschwitzprozessen beteiligt war, also Kollege Küglers wurde. Aber auch Lars Kraume hat sich angekündigt, bekannt durch engagierte Fernsehfilme und anspruchsvolle Kinofilme. Am Donnerstag läuft in den bundesdeutschen Kinos sein Film DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER an.

 

Und fehlt hier die Initiatorin Ilona Bauer. Wir wollten morgen gerne nach der Gedenkfeier ein Gespräch mit ihr über ihre Interviews mit Joachim Kügler zu führen. Da müssen wir unter Umständen einen anderen Weg finden. Auf jeden Fall möchten wir mehr wissen über Küglers Bitten und über ihn selbst, den Staatsanwalt, der diesen so notwendigen, wie aufwühlenden und grauenhaften Prozeß im Auftrag von Bauer führte. „Dem letzten Wunsch von Joachim Kügler zu entsprechen, ist für mich ein Akt der Menschlichkeit“, sagt Ardi Goldmann zu seinen Beweggründen. „Die kritische Aufarbeitung der Gräueltaten der NS-Mörder erfordert Respekt.“, sagt er auch. Und für Kügler gilt: „Seine konsequent unerschütterliche und beharrliche Prozeßführung half, das Leugnen und Verharmlosen der angeklagten NS-Mörder zu enttarnen.

 

Mit der Heimführung Joachim Küglers nach Frankfurt am Main wird sich ein weiteres Kapitel in der Akte der Auschwitzprozesse schließen, doch die Auseinandersetzung wird andauern“, davon ist Ardi Goldman überzeugt.