Eintracht Frankfurt im Fußballkrimi gegen Bayern München 0:0

 

Claudia Schubert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Restlos ausverkauft, das konnte man schon beim Herweg sehen, wo der Bus von Südbahnhof zum Stadion eine Stunde brauchte, was sich nachts um 24 Uhr wiederholte. Dieses Spiel wird zumindest in die Eintrachtgeschichte eingehen. Nach der erbärmlichen Schlappe gegen den Drittligisten Erzgebirge Aue im Pokal, der erste Punktverlust für Bayern München.

 

Die 51 500 Zuschauer waren genau auf so etwas gewappnet. Gleich in der ersten Minute fast ein Bayerntor. Blitzschnell sind sie und tanzen auf allen Seiten. Aber sie spielen auch Theater, denn als die Nummer 29, das ist Kingsley Coman eher ausrutscht denn gefoult wird. Er läßt sich also dramatisch fallen, bleibt dramatisch völlig mucksmäuschenstill liegen. Ist er tot? Nein, zeigt sich, als der Schiedsrichter Daniel Siebert seinetwegen dann doch abpfeift und zu ihm eilt, woraufhin er aufsteht und so tut, als ob er das gellende Pfeifkonzert, das auf ihn niederprasselt, gar nicht hörte. Das gehört zu den unsportlichen Verhaltensweisen, die man auch mal von Schiedsrichterseite mit Pfiff und Karte unterbinden sollte. So erhält er nur unseren Laienschauspielerpreis. Aber dann sieht man das Spiel über, was die Münchener an ihm haben, denn er ist wie ein Wirbelwind, extrem schnell dazu.

 

Von Anfang an spielt sich alles in der Eintrachthälfte ab. Und man reibt sich verwundert die Augen, daß immer noch kein Tor für die Münchner gefallen ist, denn versuchen tun sie es schon. Aber sie wirken gedämpft, nicht so listig, wie man es kennt. Nach und nach analysiert man, wie defensiv die Eintrachtmannen agieren. Da bleibt auf einmal wenig Raum für die bayerischen Stars. Immerhin vergeht eine Halbzeit, ohne das das von allen erwartete Tor für die Bayern fällt. Aber danach, danach kann eine Eintracht den fälligen Sieg kaum halten.

 

Genauso schrieben wir es auf und auch, daß das Unentschieden zur Halbzeit sich schon fast wie ein Sieg anfühle, wüßte man nicht besser, daß die Bayern ihre Erfolge immer in den letzten Minuten eines Spiels absichern. Diesmal wollen sie das schon direkt nach der Pause tun und wie ein Wirbelsturm überkommt die Frankfurter Eintracht die weißen torgetriebenen und torgefährlichen Mannen. Und die Eintracht, die selbst nichts auf die Beine bekommt, kann zumindest bis zur 52.Minute immer noch ihr Tor sauber halten, in der Maier gerade vergeblich den Ball in das der Münchner geschossen hatte. Endlich greift auch die Eintracht mutig an. Und auf einmal überkommt einem im Stadion das Gefühl, einem Fußballkrimi beizuwohnen, in der den Mord, sprich: das Tor zu verhindern, zur einigenden Kraft wird. Man lacht über sich selbst, so etwas für möglich zu halten.

 

Erstaunlich wenige Ecken, jetzt beim Verhältnis 2:4 wird es für die Bayern kurz gefährlich, in der 54. Minute fast die Sensation, denn beim eleganten souveränen Abspiel rutscht Manuel Neuer aus und der Ball fällt dem nächsten Eintrachtspieler fast vor die Füße , was Marc Stendera nicht umsetzen kann. Die Fans zählen hier jetzt schon die Minuten. Es ist die 55ste. Das bedeuten 35 lange Minuten mit den Tormöglichkeiten für die Bayern. Irgendwie kriegen die Frankfurter Mut oder sogar Lust am Fußballspielen, auch wenn das hier Abwehren heißt. Stefan Aigner ist besonders emsig, er versucht es immer wieder auf rechts und Douglas Costa mit der Nummer 11 will nicht glauben, daß er nicht durchkommt.

 

 

Inzwischen ist auch Thomas Müller längst im Spiel. Pep Guardiola wollte bestimmte Spieler angesichts englischer Wochen schonen, aber von einer B-Elf kann man nicht sprechen, denn die Stars der Liga Robert Lewandowski, Arjen Robben, Xabi Alonso , Jérome Boateng, Philipp Lahm, Arturo Vidal, sie sind doch alle da. Aber sie finden keinen Raum, sich zu entfalten. Das Mauern der Eintracht kann nicht lange gutgehen, ist die Überzeugung aller.

 

Trotzdem auch in der 60sten Minute noch kein Tor für die Münchner. Schon wieder Ecke für die Eintracht und noch eine drauf. Marc Stendera ist einfach zu brav, läßt sich den Ball abnehmen, nachdem gerade zuvor Alex Maier einmal nicht den Überraschungsball verwandeln konnte. Sicher hat das mit der Ehrfurcht vor den Bayern zu tun, denn er stand gut und der Ball war gut für ein Überraschungstor. Das waren wirklich die besten fünf oder zehn Minuten der Frankfurter. Richtig eingemauert waren die Bayern. Aber schon in der 62. Minute sind die Tormöglichkeiten auf der anderen Seite .

 

Wieder ist es Stefan Aigner, der klug den Ball laufen läßt, denn die dann fälligen Einwürfe sind besser zu handhaben. Aber zu brav, zu vorhersehbar sind die Torschüsse, zumal sie weit am Tor vorbeigehen. Aber immerhin. Das Entscheidende ist ja, daß nach den fatalen Spielen, erst gegen Ingolstadt und dann verschärft gegen den Drittligisten Aue das Selbstvertrauen der Mannschaft im Eimer war und sie hier Mut sammeln. Ausgerechnet gegen die Bayern. Pep Guardiola wechselt fleißig aus, auch der mit dem Laienpreis, Coman, geht raus, dafür kommt Thiago. Die Fans, die wieder fünf Minuten ohne Tor feiern, geben der Heimmannschaft durch Anfeuerungsrufe Rückhalt, aber jeder erwartet weiterhin das Bayerntor.

 

Und jetzt in der 67. Minute wäre es so weit gewesen, Costa auf Müller, aber der Ball rutscht am Tor weit vorbei. Der kräftige Abschuß von Hradecky Kann nur von einem Münchner angenommen werden, denn da steht niemand von der Eintracht, also kommt der Ball wieder in die Eintrachthälfte zurück. Aigners tolle Parade. Er nimmt aus der Luft einen Ball, verhindert das Spiel der Bayern, es läuft für die Eintracht, er wird aber kurz vorm Strafraum von Costa einfach festgehalten und fliegt hin. Den Freistoß schießt Marc Stendera , aber leider weit über das Tor und obwohl der Ball noch zurückkommt, wird keine Torgefahr daraus. Das waren tolle Widerstandsmomente, die niemand der Eintracht zugetraut hätte. Nicht generell nicht, sondern nach diesen grauenvollen Spielen gegen Ingolstadt und Aue nicht mehr.

 

Schon die 72.Minute geschafft und die letzten Minuten fand das Spiel rein in der Eintrachthälfte ab, wo Hradecky schöne Paraden lieferte. Was ist mit Alex Maier? Oder nein, es ist der muntere Aleksanddar Ignjovski, der liegt und klagt. Die Münchner Abwehr, so sieht es oben von den Presserängen aus, besteht aus baumlangen kräftigen Kerlen, während die Eintrachtler spirlige Gewächse sind.

 

Auch die Eintracht wechselt – Marco Russ kommt und die Uhr zeigt die 77. Minute, die das Unentschieden hält. Der dicht gefüllte Münchener Block schwenkt Fahnen, aber ist leise, während die Frankfurter Fankurve weiterhin kräftig unterstützt oder - wie eben - bei einem undurchsichtigen Strafstoß pfeift. Und noch immer wird jede Minute das Tor erwartet, während die Hoffnung sich auch noch hält, daß das Unentschieden gehalten werden könnte und solche Titelformulierungen wie „Ein Unentschieden, das fast ein Sieg ist“ einem durch den Kopf wandern. Weg damit. Es ist die 80ste Minute und zehn Minuten können die Bayern noch drauflosballern und viele Tore schießen. Aus einem Abseits wird ein gefährlicher Schuß, einem Meter links am Tor vorbei. Irgendwie realisieren alle jetzt, daß nur noch 9 Minuten zu spielen sind. Wäre doch wichtig, daß mal wieder was vor dem Bayerntor passiert und schon ist die nächste Ecke da, die wie das Spiel ohne tore ausgeglichen sind, 5: 5. Die Ecke gelingt auch gut, aber Neuer ist einfach zu gut und eine Autorität, die einschüchtert.

 

Zwischendurch wurde die Statistik eingeblendet, dernach die Eintracht 52 Prozent der Zweikämpfe gewonnen habe und auch bei den Torschüssen ein Pari besteht. Das gilt aber nur für diese paar Minuten, denn grundsätzlich werden die Ballaktionen der Gäste 68 Prozent erreichen, die der Frankfurter nur 32 Prozent. Es ist die 85ste Minute erreicht und ein Krimi ist nichts dagegen. Wem galt die gelbe Karte in der 84sten Minute? Abstoß vom Eintrachttor. Jetzt gibt es Scharmützel und in der 87sten Minute legen die Bayern wieder los, lassen den Ball in den eigenen Reihen laufen und dann blitzschnell vors Tor. Da steht Hradecky zwar richtig, aber der Ball fliegt weiter und Makoto Hasebe rettet.

 

Es ist die 88ste Minute, Stefan Aigner wird verabschiedet, wacker geschlagen, dafür kommt Namensbruder Stefan Reinartz ins Spiel. Kurze Verunsicherung und ein Tor der Münchner? Ja und Nein: es war drinnen, aber weit vorher schon abgepfiffen. Es ist die 90ste Minute. Und noch mal Wechsel bei der Eintracht

 

Djakpa kommt für Stendera, aber gleichzeitig wird bekanntgegeben, daß noch fünf Minuten Nachspielzeit zu überstehen sind. Und noch immer sagt das Unterbewußtsein, daß die Münchner gleich ihr Tor schießen,. Mein Gott ist das spannend und wie unnötig waren diese Spiele von Ingolstadt und Aue. Aber der wackere und immer noch erfolgreiche Kampf versöhnt die Fans mit ihrer Mannschaft. Die müßte jetzt alles in die Münchner Hälfte legen und die letzten Minuten überstehen. Aber das tut sie ja erfolgreich schon 90 Minuten lang. Leider zeigt die große Stadionsuhr die Nachspielzeit nicht mehr an. Der Zeiger bleibt bei 90 Minuten stehen und solche Dramatik glaubt man nicht, die Hessen gehen endlich nach vorne und gleichzeitig werden die Bayern immer gefährlicher. Sie wollen es in den letzten Minuten wissen.

 

Und schon wieder eine gelbe Karte für die Eintracht. Meine Güte, was für ein Geschiebe und hin und her. Sind denn die fünf Minuten immer noch nicht rum? Und dann der Abpfiff. Die Leute glauben es nicht. Wir irgendwie auch nicht und sind jetzt froh, daß wir mitgeschrieben hatten, denn nachdem unsere Phantasieüberschrift Wirklichkeit wurde, hätte man sich auch kürzer fassen könnte: Elf Eintrachtler in der Eintrachthälfte hindern konsequent und erfolgreich zehn bayerische Spitzenfußballer am Toreschießen.