Der Integrationspreis der Stadt Frankfurt wurde am 26. November 2015 zum 14. Mal verliehen, Teil 1

 

Heinz Markert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – 'Die Stadt Frankfurt am Main verleiht den Integrationspreis zur Anerkennung des Engagements von Personen und Institutionen, die sich im alltäglichen Leben um die Integration und Gleichberechtigung ausländischer Bürgerinnen und Bürger verdient gemacht haben und für eine gegenseitige Anerkennung der Kulturen eintreten'.

 

Der Preis erlangt eine verstärkte Aktualität durch die in diesen Tagen in der Stadt eintreffenden Geflüchteten, die vor brutaler staatlicher und nicht-staatlicher Gewalt geflohen sind. Eine Privatinitiative ist flexibler als der Staat, sie bildet leichter Netzwerke und arbeitet informell.

 

Die Stadt vergab diesmal den Integrationspreis an an drei Preisträger: den Selbsthilfeverein 'Moses e.V.', das Bildungsprojekt 'Teachers on the Road' und den Verein 'Al Karama – Jeder Mensch verdient es geachtet zu werden'.

 

 

Widersprüchliche Signale

 

Die Zivilgesellschaft muss sich Gedanken darüber machen, dass nicht immer nur kommunale, landeseigene oder bundesstaatliche Körperschaften das gesellschaftlich Erforderliche zu leisten imstande sind, sondern eine neue, Verantwortung ergreifende Zivilgesellschaft mit eigenen Initiativen das staatlicherseits nicht genügend Geleistete übernehmen muss. Es gibt Tätigkeitsfelder, für die sich Ämter weniger eignen.

 

Staat vor Privat ist solange gut, als der Staat die Grundlagen liefert und die Kernaufgaben übernimmt. Immer mehr zeigt sich aber, dass staatliche Verwaltung sehr zwiespältig ist und zwar nicht erst, wenn Verwaltungsversagen und Bürokratiewahnsinn so offensichtlich werden wie jetzt in Berlin mit Lageso, dem Landesamt für Gesundheit und Soziales oder wenn – wie Frontal 21 berichtete - syrischen Ärzten Steine in den Weg gelegt werden, weil sie beglaubigte Unterlagen aus Syrien beibringen sollen oder auch, wenn die Bürokratie auf einem Gegensatz zwischen Förderung/Bildung und Arbeitsaufnahme besteht ('Wo bin ich hier gelandet?' - 'Iranischer Arzt fährt Taxi', FR 03.12.2012) - nur um die Arbeitslosenstatistik zu Lasten der Bildung und Fortbildung aufzubessern.

 

Die große Politik wirkt - aus wahltaktischem Kalkül - zu wenig versöhnend, sie scheint dies oft auch gar nicht sehr zu wollen, weil das Ideologische die Oberhand beansprucht. Stadträtin und Integrationsdezernentin Eskandari-Grünberg kam zu dem Punkt, dass die Politik, wo immer sie verlautbare, sich zu allem Überdruss in widerstreitenden Äußerungen ergehe. Einerseits hängt sie sich an die Willkommenskultur dran, gleichzeitig vermittelt sie den Geflüchteten und den noch Flüchtenden umgehend ein Bedrohungsgefühl, wenn sie kleinlicherweise umgehend Zuwendungen kappt oder gegen die eigene Überzeugung so Grundlegendes wie den Familiennachzug in Frage stellt und auch dekretorisch verfügt, dass Afghanistan ein sicheres Herkunftsland sei. Fernstenliebe wurde zu einem Begriff aus untergegangener Zeit. Und Integration meint manchmal auch etwas anderes, als den freundlichen Begriff davon. Auch was die restriktive Residenzpflicht bedeute, könnten nur die ermessen, die sie selbst erfuhren. Immer wird vorzugsweise gern auseinanderdividiert und insonderheit an irgendeiner Stelle kleinlich zu streichen versucht.

 

Fragwürdig ist auch,gewohnheitsmäßig die Naturgewaltsrhetorik zu bemühen, etwa, wenn Schäuble von der Flut der Flüchtlinge dahersinniert oder die Rhetorik aus dem Hause Pathologie der Massen, wenn Gauck leichtfertig mit dem Terminus Flüchtlingskrise operiert.

 

Im Amtshandeln steckt oft noch zu viel an Behörde. Die behördliche Gesinnung ist ein Residuum des Obrigkeitsstaates. In der Wortbildung schwingt mit, dass die Untertänin/der Untertan gnädigst gehört werden mögen, jedoch mit einem Kern Vorbehalt. Recht wird formalrechtlich verkürzt praktiziert, nicht dem Geist nach; mehr gegen die Bittstellenden gerichtet als zu ihren Gunsten ausgelegt, obwohl es sich einfach nur rechnet, anhand des konkreten Falls positiv zu entscheiden. Es kommt zu fragwürdigen Vorgehensweisen, die einfach nur kontraproduktiv sind.

 

Staatshandeln bedeutet immer noch eher nicht so sehr: Förderung, Entwicklung und Begünstigung als vielmehr: Hintertreiben, Verhindern und Blockieren - nämlich von sachgerechten und praktischen Lösungen. Zwar sollen sich die Geflüchteten – nach der Vorstellung der Politik und Wirtschaft - auch rechnen, aber ihre Qualifikationen wurden über Jahrzehnte missachtet und in den Ofen getreten. Daraus entstanden Schicksale. Was der Mensch mitbrachte, wurde als vernachlässigbar eingestuft und auch jetzt ist das konträre Muster noch immer nicht fest in die Aufnahmepraxis des aufnehmenden Landes eingeprägt, wobei Bildung und Fachkenntnis besonders jugendlichen Ankommenden zur Chance wird - wie auch dem Aufnahmeland.

 

Der Frankfurter Integrationspreis ist eine verdienstvolle Einrichtung, der sowohl zum Weitermachen als auch zum Neugründen anregt. Die bürgerschaftlichen Gründungen, vielfach vor dem Hintergrund der Migration wie auch aus ihr heraus entstanden, schaffen ein Netzwerk, das sich über die Gesellschaft legt, in sie hineinwirkt und kommunale Einrichtungen nicht nur ergänzt, sondern den Zielen der Einrichtungen eine entscheidend neue Konkretisierung hinzufügt.

 

 

Was Flucht bedeutet, auslöst und fordert

 

Stadtverordneter Uwe Paulsen stellte einen Vergleich ins Bedenken: wenn Leute wegen 50 Euro an einem winterlichen Suchspiel teilnehmen, stundenlang durch die Stadt laufen, um verborgene 50 Euro aufzufinden, dann muss es doch verständlich sein, dass die Flucht gewählt wird, wenn Terror und Verheerung die Lebensgrundlagen vernichtet haben.

 

Jüngere begeben sich entschlossener auf die Flucht, sie können unter dieser Voraussetzung umso mehr bestätigt in die aufnehmende Gesellschaft integriert werden. Geflüchtete wollen wieder in Ruhe schlafen können, ohne befürchten zu müssen, in einer beliebigen Nacht aus dem Bett gezerrt und massakriert zu werden. Sie erwarten auch, eine neue Souveränität zu erlangen, während sie sich mit den Gegebenheiten der neuen Heimat versöhnen. Deutsch zu lernen ist in der Regel ihr Hauptwunsch, um wie viel garantierter ist der Erfolg in diesem natürlichen Bestreben, je umgehender und entgegenkommender diesem Wunsch entsprochen wird.

 

Es gibt Kinder die, kaum fremdsprachlich in die Kita gekommen, bereits nach wenigen Wochen der deutschen Sprache außerordentlich mächtig geworden sind – was im ungezwungenen Spiel und in unbändiger Freude gelang.

 

Das Ankunftsland muss sich in die Lebenswelt der Geflüchteten hinein versetzen. Dazu bedarf es der Öffnung der Einrichtungen, die die Geflüchteten bezogen haben und der Öffnung einer lebendigen 'Bestandskultur' der aufnehmenden Gesellschaft. Hierzu ist es in den letzten Wochen ohne das gar zu angestrengte Bemühen offizieller Stellen auch vielfach gekommen, besonders durch die Offenheit der neu erstandenen Bürgerinnen- und Bürgergesellschaft, die lange im System schlummerte. Offene Gesellschaften treffen aufeinander. Die traditionelle deutsche Abschottungskultur ist dabei zur Vergangenheit zu werden. Die Politik aber verlegt sich weiterhin stur auf Stammtischpolitik.

Fortsetzung folgt.

 

Info:

Verleihung des Integrationspreises 2015, Frankfurt am Main im Kaisersaal/Römer am 26.11.2015 · Begrüßung durch Stadträtin Dr. Nargess Eskandari-Grünberg. Die Laudationes hielten Stadtverordneter Uwe Paulsen, Prof. Dr. Helma Lutz, Universität Frankfurt, Stadtverordneter Thomas Kirchner und Enis Gülegen, Vorsitzender der KAV