Im Zeichen der Integration: Der 14. Integrationspreis der Stadt Frankfurt 2015, Teil 2

 

Heinz Markert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Stadträtin Dr. Narges Eskandari-Grünberg über die Bedeutung des Preises: „Mit dem Integrationspreis...setzen wir auch in diesem Jahr...ein großes Ausrufezeichen für eine starke Zivilgesellschaft. Der Zusammenhalt und die Solidarität der Stadtgemeinschaft sind angesichts aktueller Ereignisse wichtiger denn je“.

 

Weiter heißt es: „Wir brauchen Personen und Einrichtungen, die durch ihren persönlichen Einsatz das Zusammenleben unserer Bürgerinnen und Bürger im Alltag stärken“.- Den Preis in Höhe von insgesamt 15 000 Euro teilen sich die drei Einrichtungen und Angebote.

 

Moses e.V.

 

Begründend heißt es: „Das Projekt fördert seit 2006 zielgerecht die Selbsthilfe im Bereich der gesellschaftlichen und beruflichen Integration für eritreische Migrantinnen und Migranten. Moses e.V. bietet u.a. eine vielfältige Beratung bei Beziehungs- und Familienproblemen sowie Behördengänge an“.

 

Noch sind wir erst beim: Wenige stehen für Viele ein, noch kaum beim: Alle für Alle, was der Idealzustand wäre, denn die Wenigen für die Vielen können nur der Anfang sein. Integration ist ein gesellschaftliches Großprojekt, denn heutige gesellschaftliche Gruppen sind in der Gefahr auseinanderzudriften und sich fremder zu werden in Zeiten der Globalisierung, die nicht nur zusammenführt, sondern auch spaltet.

 

Der Gründer von Moses e.V., Zerai Kiros Abraham, zugleich 'großer Bruder' für die Jugendlichen, floh einst selbst aus Eritrea. Abraham ist der Gründer im Gründen, er sprudelt nur so vor weiteren Projekten und Vorhaben. Seine gegenwärtige Praxis besteht darin, die Kinder von eritrischen Einwandererfamilien zunächst mit muttersprachlichem Unterricht zu versorgen. Damit sei die Absicht verknüpft, sie da abzuholen, wo sie sind und sie selbstgestärkt in die gesellschaftliche Gesamtheit zu integrieren, damit sie nicht verloren gehen.

 

Die größte Hürde liegt in der anfänglichen Unüberwindlichkeit der Barriere Schule. Die Distanz zwischen Familie und Schule zu verringern, zu überwinden, steht am Anfang eines Bildungswegs. Die Gemeinschaft der Eritrerinnen und Eritrerer ist in Frankfurt am Main eine umfängliche. Außer Abraham, dem Umtriebigen und sozialen Unternehmer, trägt auch die erste Vorsitzende des Vereins, Letina Haile, das gefestigte Projekt, zu dem sich noch Abrahams Frau und weitere eritrische Kirchengemeindeangehörige als nächst verbundene Gründungsmitglieder zurechnen.

 

Der Verein bietet Hausaufgabenhilfe für Jugendliche, Computerkurse, Telefonseelsorge und Beratungsgespräche, hilft bei Job- und Wohnungssuche. So wie es für die angekommenen Jugendlichen erst einmal steht, stand es am Anfang auch für Zerai Kiros Abraham. Dadurch ist er zugleich Bruder und Vorbild geworden, der den Weg weist.

 

Zusatz: „Besonders mit der Gründung der Non-Profit Organisation 'Ubuntu Haus' wurde vor einem Jahr eine Begegnungsstätte für kreative Jugendliche gegründet...“. Hiermit wird auch ein Radrennteam „Team Afriqa“ aufgebaut. Durch Umorganisation bedingt benötigt das Projekt Moses finanzielle Mittel für ein neues geeignetes Domizil, um in Frankfurt zentrale Anlaufstelle zu bleiben.

 

Info:

Moses e.V., Herr Zerai Kiros Abraham (Projektgründer)

Frau Letina Haile, Frau Kathrin Rietmann, http://projektmoses.de

 

 

Teachers on the Road

 

Dieses Projekt ist eins zum Aufsatteln. Es setzt sich immer weiter fort in die Fläche und es könnte sein, dass es zum weltweit aufgelegten Programm wird (wenn es das nicht schon ist), denn Flucht wird eines der großen Themen der nahen und ferneren Zukunft bleiben. Die Gesellschaft, die die Geflüchteten aufnimmt, hat ihre neuen Aufgaben zivil-gesellschaftlich erkannt und (positiv) entschieden, an dieser Aufgabe zu wachsen.

 

Offiziell lautet die Beschreibung: „Mehr als 150 freiwillige Helferinnen und Helfer bieten im Rahmen dieses Projekts seit November 2013 kostenlose Sprachkurse für Flüchtlinge an. Nicht nur die deutsche Sprache wird unterrichtet, sondern auch die deutsche Kultur. Dazu werden gesellschaftliche Zusammenhänge vermittelt“.

 

Die Sprachkurse holen die Menschen, die noch nicht näher der Mitte der Gesellschaft leben, aus der Isolation und ermöglichen ihnen Teilnahme und Teilhabe. Die Geflüchteten sind Teil der Weltbürgergesellschaft. Daher empfinden sie das Bildungsdefizit am Beginn ihres Lebens in einer neuen Umgebung als gravierenden Mangel, den sie ausgleichen möchten. Zu den Aufgaben des Projekts gehört auch, die Geflüchteten für die Gänge zu den Behörden, für die Suche nach Wohnungen und für Freizeitgestaltung fit zu machen.

 

Seit dem Sommer der angelandeten Geflüchteten hatten sich 2000 Menschen um eine Lehraufgabe bei 'Teachers on the Road' beworben. In Frankfurt gibt es rund 300 aktive 'Teachers', das Projekt breitet sich immer weiter über Frankfurt hinaus auch in Richtung Ferne aus. Die neue Sprachperspektive ist für die Geflüchteten entscheidend, weil die Sprachgrenze eine 'krasse Grenze ist', wie die Sprachmittlerin Juliana Gössmann aus eigener Erfahrung beschreibt (FR 12.12.2015). Ein neues Alphabet muss zunächst gelernt werden, womöglich auch mal überhaupt ein Alphabet. Warum also zu lange auf die Gnade eines Amtes warten?

 

Für den Gründer der Teachers, Ulrich Tomaschowski, ist das laufende Projekt zu einem Vollzeitjob geworden. Das hängt nicht nur, aber doch sehr auch mit der gestiegenen Zahl der Geflüchteten zusammen. Insbesondere aber konnte der Zuspruch mit einer weniger amtlich betriebenen Art des Angebots und durch eine niederschwelligere Zugangsweise gesteigert werden. Droht einem Geflüchteten abgeschoben zu werden, so kann ihn die Alltagspraxis des informellen Systems leichter auffangen, denn die Offenheit des Kursangebots ist bei den 'Teachers' auch nicht an die 'Bleibeperspektive' gebunden, wie das bei den Ämtern der Fall ist. Afghanen werden also nicht ausgeschlossen. Am Tag der Menschenrechte, am 10. Dezember, demonstrierten die 'Teachers' im Frankfurter Bahnhofsviertel für den Grundsatz 'Gleiche Rechte für alle'.

 

Info:

Teachers on the Road, Kontakt: Ulrich Tomaschowski (Projektgründer), Frau marianne Köster, Tel. 0175 590650 http://www.vielfalt-bewegt-frankfurt.de/de/angebote/teachers-road-sprachkurse-fuer-frankfurt-und-oberursel

 

 

Al Karama

 

Offiziell heißt es: „Das seit 2009 bestehende Eltern-Kinder Zentrum bietet regelmäßig beratende Dienstleistungen sowie Eltern-Kind Gruppentreffen an. Dadurch werden Migrantenfamilien aktiv in die Stadtgesellschaft eingebunden. An das Zentrum ist eine arabische Schule angeschlossen. Mit der Familienstätte 'der hof' in Niederursel verbindet Al Karama eine langjährige Kooperation...“ .

 

Die Integration geht in arabischen Familien von den Müttern aus. Im Fall von Al Karama ist sie ab Beginn mit Zamira Benjelloun verbunden. Sie ging mit ihren kleinen Kindern in die Familienbildung, zum Kinderturnen und in Spielgruppen. Ihr fiel auf, dass andere Migrantinnen ähnlicher Abstammung sich weniger aktiv zu den vorhandenen Angeboten verhielten. Das brachte sie dazu, ein selbst entworfenes Bildungsangebot für Familien zu entwickeln, um die Frauen leichter zu erreichen. Schwelle war das Nichtkennen von Angeboten, die mangelnde Sprachkenntnis und auch die Höhe der Kursgebühren. Die Quartiersmanagerin Annette Püntmann unterstützte sie.

 

Andere Frauen kamen hinzu, um mitzuwirken, wollten sich ehren- oder hauptamtlich engagieren. Die Anknüpfung an die Herkunftssprache führte auch andere Mütter an ihre noch ungenutzten Möglichkeiten heran. So kam es zur Spielgruppe, zum Frühstückstreff und zur Reise nach Istanbul. Über den Kontakt zum jetzigen Träger „der hof“ wurde Al Karama zum Qualifikationsprojekt für Frauen, denn „der hof“ in Niederursel ist eine Stätte des Kifaz Nordwest, das auch einen Kindergarten des Internationalen Vereins für Kinder und ihre Familien beherbergt. Diesen leitet Fatima Bousrouf.

 

Das 'Al Karama' hat Frauen mit arabischen Wurzeln aus der Isolation geholt und ihnen geholfen, Abschlüsse zu machen und Ausbildungen zu absolvieren, die sie an eine Berufstätigkeit heranführten. Die Männer waren nicht untätig und haben nach diesem Vorbild eine Vätergruppe gegründet.

 

Info:

Al Karama, Kontakt: Zamira Benjelloun (Gründerin), Frau Susanne Beckey und Fatima Bousrouf („der hof“), Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

 

Im Rahmen der Feierstunde wurde „eine lobende Erwähnung in Form einer Ehrenurkunde ausgesprochen. Persönlich gewürdigt wurden Herr Ylmaz Karahasan und die Projektwoche Flucht der IGS Nordend“.- „Die Interessengemeinschaft IGSüdend hat eine Woche lang auf dem Schulhof der IGS (Integrierte Gesamtschule) Nordend eine authentische Flüchtlings-Zeltstadt errichtet, die die Kinder besichtigen konnten...die Kinder konnten sich über die Lage der Flüchtlinge informieren und sich mit einigen austauschen. Die AG IGSüdend hat für ihr Engagement den UNICEF-Juniorbotschafter-Sonderpreis erhalten“.

 

Als Vertrauensmann der IG-Metall leistete Herr Karahasan vorbildliche Integrationsarbeit und führte dies als Gewerkschaftssekretär bis zu seiner Verrentung fort. Unter anderem ist es ihm zu verdanken, dass die Anzahl der ausländischen Mitarbeiter/innen deutlich anstieg. [...] Zuletzt rief er gemeinsam mit seiner Frau das Stadtteilzentrum Sossenheim der Arbeiterwohlfahrt ins Leben. Dies bauten sie zu einer sozialen und kulturellen Begegnungsstätte aus. Herrn Karahasan wurde im Juni 2012 das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland überreicht“.

 

Foto: (c) Heinz Markert

 

Info:

Verleihung des Integrationspreises 2015, Frankfurt am Main im Kaisersaal/Römer am 26.11.2015 · Begrüßung durch Stadträtin Dr. Nargess Eskandari-Grünberg. Die Laudationes hielten Stadtverordneter Uwe Paulsen, Prof. Dr. Helma Lutz, Universität Frankfurt, Stadtverordneter Thomas Kirchner und Enis Gülegen, Vorsitzender der KAV