150 Jahre Okkupation Frankfurts durch Preußen – kaum erinnert, Teil 4/5

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Karl Konstanz Viktor Fellner war Sohn eines Frankfurter Bankiers und als Direktor einer chemischen Fabrik sowie Anhänger der liberalen Gothaischen Partei  seit 1852 in den Frankfurter Senat gewählt worden.

Dreimal war Fellner Jüngerer Bürgermeister, wie die Stellvertreter des Stadt- und Staatsoberhauptes, des Älteren Bürgermeisters genannt wurden, bis er dann durch Los Älterer Bürgermeister für das Jahr 1866 wurde.



Am 16. Juli besetzten die preußischen Truppen  unter General Eduard Vogel von Falckstein die Stadt Frankfurt und schon am 17. Juli wurde ihr die sofortige Zahlung von 5,8 Millionen Gulden aufgedrückt, die sie leistete.



Doch schon am 20. Juli forderte Edwin von Manteuffel, der preußische Nachfolger, eine weitere Kontributionzahlung von 25 Millionen Gulden, also das fast Fünffache der ersten Forderung, was übrigens heute rund 250 Millionen Euro entspräche. Dabei muß man wissen, daß die Freie Stadt Frankfurt damals rund 35 000 Bürger hatte, von denen aber nur etwa 8 000 steuerpflichtig waren. Achttausend also, die 25 Millionen Gulden zahlen sollten. Bürgermeister Fellner, der am 22. Juli von Preußen als Bevollmächtigter eingesetzt wurde, zeigte sich sehr kooperativ, er lehnte nicht den Einbezug Frankfurts in die preußische Oberhoheit ab, und auch nicht die Geldforderungen. Aber er wollte von den Preußen die Möglichkeit der Ratenzahlung.


Das war sein Vorschlag, den jedoch die Gesetzgebende Versammlung der Stadt und die Ständige Bürgerrepräsentation am 23. Juli ablehnten, obwohl Manteuffel die Niederlegung und Plünderung der Stadt angedroht hatten. Und jetzt forderten die Preußen, inzwischen als preußischer Stadtkommandant Generalmajor von Röder, also vom Bevollmächtigten  Fellner  bis zum nächsten Morgen die als Proskriptionsliste bekannten städtischen  Unterlagen über die Namen, Adressen und Besitzverhältnisse aller Mitglieder der städtischen Körperschaften?


Er war  als Bevollmächtigter Preußens mit Eid also nicht nur rechtlich , sondern auch moralisch als Bürgermeister der Stadt mit der Pflicht, alles für die Stadt und ihre Bürger zu tun, nun in einen nicht lösbaren Konflikt geraten, weshalb er sich umbrachte. Das sollte seitens der preußischen Besatzung totgeschwiegen werden. Als er aber zwei Tage später, am 26. Juli auf dem Frankfurter Hauptfriedhof beerdigt wurde, begleiteten ihn rund 6 000 Frankfurter Bürger.
Mit welchen Mitteln die neue Besatzungmacht arbeitete, erkennt man auch daraus, daß die Beerdigung auf 4.30 Uhr morgens festgesetzt worden war. Auf der Trauerfeier überreichte dann Fellners Schwager dem neuen preußischen Zivilkommissar für Nassau – ziemlich viel wechselndes Personal in preußischen Diensten!!! - die nicht ausgefüllte, völlig leere Proskriptionsliste zusammen mit dem Seil, mit dem sich Fellner erhängt hatte.


Was wie aus einer antiken Tragödie oder einem Hollywoodfilm klingt, wurde wirklich sehr bald in einem Drama festgeschrieben, das Der letzte Bürgermeister der freien Stadt Frankfurt a.M. heißt. Wie man weiß, kam im gleichen Jahr Alexander Dumas d.Ä. nach Frankfurt und nahm die  schaurigen Erzählungen der Bürger über die Besetzung der Stadt und die Folgen zum Anlaß, erst eine Geschichtenfolge in der Pariser Zeitung La Situation zu schreiben, die als Roman La terreur prussienne heißt und erst im Mai 2004 auf Deutsch erschien als DER SCHLEIER IM MAIN. Der historische Frankfurt-Roman, Societäts-Verlag.


Das wäre doch die richtige Ferienlektüre, die  einen Fastkrimi mit historischem Wissen vereint, geschrieben von einem Fachmann für Thriller. Schade, daß man davon im Umfeld der Berichterstattung zum Ereignis des 150sten Todestages der Freien Stadt und ihres Bürgermeisters Fellner nichts hörte.


Die Rede der Stadt zur Kranzniederlegung zum 150sten Todestag am heutigen Sonntag folgt.

 

Foto: Hier die Frankfurter Paulskirche als Ort der freiheitlichen Gesinnung der Stadt. Allerdings ein Stich von 1848, der aber die Gesinnung von 1866 mitausdrückt (c) wikipedia



Info:


Alexandre Dumas, Der Schleier im Main. Der historische Frankfurt-Roman. Nacherzählt und mit einem Nachwort versehen von Clemens Bachmann, Societäts-Verlag, Frankfurt 2004

Heute Kranzniederlegung


Mit einer öffentlichen Kranzniederlegung auf dem Hauptfriedhof durch Stadtrat Bernd Heidenreich erinnert die Stadt Frankfurt an das tragische Schicksal ihres Bürgermeisters, der sich in den Morgenstunden des 24. Juli 1866 das Leben nahm. Treffpunkt ist am Sonntag, 24. Juli, um 10.45 Uhr am Alten Portal des Hauptfriedhofs, Eingang Eckenheimer Landstraße 190.