Senckenberg-Direktor Volker Mosbrugger plant das Naturmuseum der Zukunft in Frankfurt am Main-Metropole

 

Helga Faber und Gerhard Wiedemann

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Denkt der Deutsche an Senckenberg, dann fällt ihm vielleicht das Frankfurter Naturkundemuseum ein. Denken der Deutsche und der Frankfurter an Senckenberg, dann fallen beiden nicht ein, daß das Institut die naturwissenschaftliche Größe der Republik darstellt mit exzellenten Forschungseinrichtungen, einschließlich der Meeresforschung. Denkt allerdings der Frankfurter an Senckenberg, dann fällt ihm sofort das meistbesuchte Frankfurter Museum ein und dazu fallen ihm zuerst die Dinosaurier und ausgestopften Tiere ein. Das soll sich jetzt ändern.

 

Verdoppelung

Denn Senckenberg-Direktor Volker Mosbrugger plant am Stammsitz in Bockenheim derzeit den größten Ausbau in der Geschichte der Stiftung. In einem „Naturmuseum der Zukunft“ auf dem geplanten neuen Kulturcampus sollen Natur und Geist wieder zusammen gedacht werden. Wieso der rührige Direktor überhaupt solch große Ideen mit viel Platz äußern kann, liegt an der sehr speziellen Situation, daß die Johann Wolfgang Goethe Universität im angestammten Universitätsgebäude ausgezogen ist und bald nur noch in der einstmaligen Dependance, dem durch den Weggang der Amis freigewordenem ehemaligen IG-Hochhaus mit einem Riesengelände, das mit vielen Uni-Bauten gepflastert wurde, der Universitätshauptsitz – sogenannter Campus Westend – sein wird. Die schöne ehrwürdige Universität, die erst von 1912-14 stammt, wird dem benachbarten Senckenbergmuseum zugeschlagen. Eine ideale Situation für Ideen und für Ausweitung, denn die Fläche wird sich bis 2018 fast verdoppeln und Bund und Land haben dafür schon 116 Millionen zugesagt.

Die Dinos sind weiter für uns wichtig. Aber wir müssen auch aus dieser Ecke raus. Dem Menschen müssen die wirklich wichtigen Fragen der Natur wieder nahegebracht werden“, sagt Volker Mosbrugger, Generaldirektor des Frankfurter Senckenberg Naturmuseums. „Wir hatten zuletzt großartige Möglichkeiten in der Forschung. In der Vermittlung hatten wir sie bis jetzt weniger.“ Deshalb wollen die Forscher aus eigenen Mitteln und Spenden für 35 Millionen Euro noch einen Neubau. Im Jahr 2019 soll das neue Museum 13.000 Quadratmeter groß sein (heute 7000). Das bedeutet: An der Senckenberganlage entsteht in den nächsten sieben Jahren das größte Naturmuseum Deutschlands. Hier muß man auch aufmerken, denn NATURMUSEUM sich zu nennen, ist etwas anderes als der bisher geläufige Begriff des NATURKUNDEMUSEUMS und auch etwas anderes als die englischen Varianten, die stärker das NATURWISSENSCHAFTLICHE betonen. In der Tat ist aber im Bereich alles zusammengerückt: Fauna und Flora und auch der Mensch, vor allem der Frühmensch.

 

Naturmuseum der Zukunft



Die Gelegenheit, das Bestehende auf ganz neue Füße zu stellen, lässt Volker Mosbrugger alle naturwissenschaftliche Zurückhaltung beiseiteschieben: „Wir haben die Chance, zum Weltort der Naturforschung zu werden.“ Mit einem großen Kongress wurde Anfang Juni der Startschuss für das „Projekt Senckenberg“ gegeben. Das Treffen - es kamen Museums-Experten, Ausstellungsgestalter und Architekten - diente als Ideenschmiede für ein Naturmuseum der Zukunft. Nun geben sich die Naturforscher ein Jahr Zeit, um einen Plan fertig zu stellen. Eingaben von der interessierten Öffentlichkeit sind ausdrücklich erwünscht. Wirklich Konkretes gibt es jetzt, ganz zu Beginn der Ideensammlung natürlich noch nicht, fest steht aber, dass sich alles rund um die Bausteine Kosmos, Erde, Mensch und Zukunft drehen soll.

 

Geist, Kultur, Gesellschaft und Naturwissenschaft zusammenbringen



Die ursprüngliche Aufgabe des Naturmuseums, die Wunder der Natur enzyklopädisch zu zeigen, sei, meint Mosbrugger, durch die heutigen Reisegewohnheiten und Medienwelten weitgehend obsolet geworden. „Dafür sind neue Aufgaben hinzugekommen, nämlich eine emotionale Beziehung zur Natur zu fördern und Orientierungswissen bezüglich der Natur zu vermitteln.“ Dem Geowissenschaftler ist es wichtig, Geist, Kultur, Gesellschaft und Naturwissenschaft in dem Museum zusammenzubringen. Den heute meist in der Stadt lebenden Menschen müsse die Natur wieder mehr bewusst gemacht werden. Vor dem Hintergrund des Klimawandels müsse ihnen klar werden, wie sehr alles ineinander greift und dass ihr Handeln unmittelbare Auswirkungen auf ihre Umwelt hat. Dass das alles nicht nur Zukunftsmusik ist, kann man in der aktuellen, zusammen mit dem Historischen Museum realisierten Sonderausstellung im Senckenberg Museum schon sehen. Sie widmet sich noch bis 16. September der Frage nach dem „Sinn menschlicher Arbeit“ und ist zu diesem Natur und Gesellschaft übergreifenden Thema mit einer Fülle von audiovisuellen Vermittlungshelfern ausgestattet.

Info:

 

Unternehmen Senckenberg

Volker Mosbrugger steht seit 2006 an der Spitze des Unternehmens Senckenberg. Es handelt sich längst um ein Unternehmen, denn die Stiftung ist in den vergangenen fünf Jahren erheblich gewachsen. Unmerklich, weil sich am Stammsitz wenig veränderte. Aber es kamen neue Standorte im Osten der Republik hinzu. Das forschende Personal verdreifachte sich: Mittlerweile arbeiten 750 Menschen an zehn Standorten in sechs Bundesländern für die Gesellschaft, davon circa 350 in Frankfurt. Der Ausbau wird in der Gesellschaft als längst überfällig angesehen.

 

Der Generaldirektor hat Spaß am Projekt



Mosbrugger steht im zweiten Obergeschoss in einem der riesigen Korridore des alten Universitätsgebäudes, das das Senckenberg Naturmuseum schon bald beziehen wird. Alle paar Meter sind Stufen. „So würde heute natürlich niemand mehr bauen. Und wir werden das auch nicht so lassen.“ Vorne in der Halle hängen zwei große Gedenktafeln, die an die gefallenen Frankfurter Studenten des Ersten Weltkriegs erinnern. Ob die hängen bleiben? „Ich hätte nichts dagegen, den Bezug zur Geschichte des Gebäudes zu erhalten.“ Er zeigt nach links auf eine abgeklebte Glasfront. „Dort drüben“, zeigt er, „wird einmal die Administration sitzen.“ Sein Arbeitsplatz wird allerdings nicht dabei sein. Bis dahin ist er im Ruhestand. Doch das ficht Mosbrugger nicht an. „Diese ganzen Festivitäten – das ist nicht so meins. Was mir Spaß macht, ist dieses Projekt.“

www.senckenberg.de