Eine Vortragsreihe des Kulturamtes Frankfurt am Main im Haus am Dom

 

 

Felicitas Schubert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Oft muß man einfach vergessen, daß die Stadt Frankfurt, die so gerne hört, wenn sie METROPOLE genannt wird, gerade auf 700 000 Einwohner kommt, was selbst europaweit keine wirklich große Stadt ist. Was aber ihr kulturelle Angebot angeht, kann sie mit den wirklichen Metropolen nicht nur mithalten, sondern übertrifft so manche in der Vielfältigkeit. Wichtig ist dabei, daß auch das Wort, der Gedanke, die Literatur nicht zu kurz kommen, wie die neueste Vortragsreihe des Kulturamtes beweist.

 

 

Wenn nun ganz offiziell der Philosoph David Hume bemüht wird: „„Schönheit ist keine Eigenschaft der Dinge an sich: sie ist lediglich in dem Geist vorhanden, der die Dinge betrachtet.“, so fallen einem nicht nur Arthur Schopenhauer ein, der geradewegs meint: „Schönheit ist ein offener Empfehlungsbrief, der die Herzen zum voraus für uns gewinnt.“ Oder auch Martin Tuppert, der genau weiß: „Schönheit ist die angenehme Gaunerei, die die halbe Welt betrügt.“ Die beiden letzteren sind aber – ideologieunkritisch – überhaupt nicht auf das changierende Wesen der Schönheit eingegangen. Mußten sie auch nicht, denn im allgemeinen hält jede Zeit, jede Epoche dieses für schön und dieses andere nicht. Zwischen den Epochen da passieren die Werte- und Anschauungswandlungen, denn Schönheitsvorstellungen ändern sich – und entsprechend ändert sich die Schönheit, die die Kunst erfasst oder vermittelt. Was heute als Kunst gilt, kann morgen zu Kitsch werden – oder: was gestern für Kitsch gehalten wurde, gilt heute als Kunst.

 

Zwar gehören wir zu den Oberschlauen, die insgeheim meinen, doch, Kriterien für Schönheit und vor allem Kriterien für Kitsch gibt es schon. Aber auch darum geht es nicht, sondern darum, ob in den Veränderungen der Wahrnehmung und ihrer Qualifizierung durch Sprache eine eine Verfallsgeschichte zu konstatieren ist oder ob es sich um eine fortschrittliche Berichtigung des Kunstbegriffs handelt. Diese Alternative wird in sechs Vorträgen und daran anschließenden Diskussionen verhandelt werden. Mehrere künstlerische Sparten werden dabei berücksichtigt. In der Literatur, in der Musik und in der Bildenden Kunst wird eine Verortung des Begriffs „Kitsch“ und die Abgrenzung bzw. die Annäherung zwischen Kunst und Kitsch unternommen. Darüber hinaus werden aber auch Funktion und Bedeutung von Kitsch für die Alltagskultur und für die Positionierung des Individuums in der Gesellschaft thematisiert.

 

Die Referenten sind allesamt renommierte Wissenschaftler und Publizisten, die sich in ihren Vorträgen an ein allgemeines Publikum richten und ihm Denkanregungen liefern möchten. Denn es soll keine „Kitsch gegen Kunst“-Debatte angezettelt, sondern eine Diskussion über die soziale und ästhetische Funktion von Kitsch als einem inhärenten Element der medialen Kultur- und Konsumgesellschaft angeregt werden. Diese Vortragsreihe, die am Dienstag, den 4. September mit dem Vortrag von Hanno Rautenberg startet, wurde von der Literaturwissenschaftlerin Stefana Sabin im Auftrag der Veranstalter Kulturamt Frankfurt am Main und Katholische Akademie Rabanus Maurus im Haus am Dom konzipiert.

 

Programm und Referenten

 

Dienstag, 4. September 2012, 19.30 Uhr

Hanno Rauterberg
„Es gibt kein Entkommen! Über die Erfolgsgeschichte des Kitsches – und was die Kunst von ihr lernen kann.“

 

Hanno Rautenberg ist seit 1998 Kunst- und Architekturkritiker im Feuilleton der ZEIT. 2011 erschien sein Essay: „Und das ist Kunst? Eine Qualitätsprüfung“ (Fischer Taschenbuchverlag)

 

Mittwoch, 5. September 2012, 19.30 Uhr

Daniel Strassberg
„Vom unsagbaren Ereignis zur empathischen Achtsamkeit. Ein Rundgang durch philosophischen und psychologischen Kitsch.“

 

Daniel Strassberg ist praktizierender Psychoanalytiker und Dozent am Psychologischen Institut der Universität Zürich. 2008 gründete er unter dem Namen „Entresol“ das Schweizer-deutsche „Netzwerk für Philosophie, Psychoanalyse und Wissenschaften der Psyche“.

 

Mittwoch, 12. September 2012, 19.30 Uhr

Ute Jung-Kaiser

"Eine Blütenlese über verschwimmende Grenzen hinweg. Zur Wertungsproblematik klassischer Musik."

 

Ute Jung-Kaiser war bis 2007 Professorin für Musikpädagogik an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt. Ihr Arbeitsschwerpunkt waren – und sind – historiographische und ästhetische Studien zur europäischen Musik und Kultur der Moderne ebenso wie interdisziplinäre Studien zur Musik im Spannungsfeld der bildenden Künste, der Literatur und der Theologie.

 

Dienstag, 18. September 2012, 19.30 Uhr

Christian Nürnberger

"Glaube und Unglaube. Das Rettungsversprechen und die Verfälschung der Religion."

 

Christian Nürnberger begann seine journalistische Karriere bei der Frankfurter Rundschau und ist heute Autor der Süddeutschen Zeitung, wo er vor allem über religionspolitische Themen schreibt. 2010 erschien „Charakter. Worauf es bei Bildung wirklich ankommt.“

 

Mittwoch, 19. September 2012, 19.30 Uhr

Thomas Anz

Spielen mit den Emotionen. Ein literarischer Überblick.“

Thomas Anz ist Professor für Neuere deutsche Literatur an der Universität Marburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind Literaturgeschichte und historische Kulturanthropologie ebenso wie Literaturvermittlung in den Medien. 2007 erschien „Literaturkritik. Geschichte-Theorie-Praxis“ und 2009 „Literatur als Spiel.“

Mittwoch, 26. September 2012, 19.30 Uhr

Martin Seel

Von der Macht des Schönen. Eine kleine ästhetische Theorie.“

Martin Seel ist seit 2004 Professor für Philosophie an der Universität Frankfurt, wo er vor allem ästhetische Theorie, praktische und theoretische Philosophie lehrt. 2007 erschien „Die Macht des Erscheinens“ und 2011 „eine philosophische Revue“ unter „111 Tugenden, 111 Laster.“

 

Ort: jeweils Haus am Dom in Frankfurt am Main

 


ORT Haus am Dom, Domplatz 3, 60311 Frankfurt am Main