f pierreSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 22. Juni 2017, Teil 3

FILMHEFT

PARIS (Weltexpresso) - Obwohl Jugendlichkeit (fast) überall im Trend liegt, wählen Sie für Ihren dritten Film einen Siebzigjährigen als Hauptfigur...

Ich mag es, für ältere Menschen Geschichten zu erfinden. Wenn man älter ist, wird alles komplizierter. Man muss seine Grenzen überschreiten, Lösungen finden – und kämpfen! Für mich zeichnet genau dies einen Helden aus. Ich hatte viel Spaß daran, meinen letzten Film UND WENN WIR ALLE ZUSAMMENZIEHEN? zu machen. Um eine kleine Gruppe von Siebzigjährigen, die trotz ihrer Wehwehchen und Krankheiten entscheiden, wie Jugendliche in einer WG zusammenzuleben. Drehbuch, Dreharbeiten, Kinotour... ich habe nur gute Erinnerungen, besonders da der Film sein Publikum gefunden hat. MONSIEUR PIERRE GEHT ONLINE ist eine Form, in die Verlängerung zu gehen und das Spiel auf die intergenerativen Begegnungen zu eröffnen. Daher die Idee von einem Zwiegespräch zwischen einem alten Mann und einem jungen Mann, der sein Enkel sein könnte. Vielleicht ist es auch eine Reminiszenz an meine Kindheit. Ich hatte das Glück, meine Urgroßeltern gut zu kennen. Als ich klein war, habe ich sie viel gesehen und sie haben mir viel beigebracht. Während meiner Jugend, als ich langsam meine Unabhängigkeit erlernte, fingen sie an, ihre zu verlieren. Zu dieser Zeit hat mich der Rollentausch sehr berührt...


Ihre Komödie ist mitten in der modernen Online-Welt angesiedelt...

Ich wollte eine moderne Geschichte, mit der sich alle identifizieren können. Internet ist ein Symbol für Modernität. Die, die damit aufwachsen sind, merken es nicht mehr, aber es ist ein Tool, das alles verändert hat. Über Nacht hat es den Menschen ermöglicht, zu kommunizieren, zu reisen, Leute kennenzulernen, zu träumen, sich eine Identität zu erfinden und sich sogar zu verlieben. Und das alles, ohne das Haus zu verlassen! Aber während das Internet für die meisten mittlerweile zum Alltag gehört, hatten viele Senioren keine Gelegenheit, es in ihrem Berufsleben kennenzulernen. Die Idee, einen Senioren und einen jungen Mann vor einem Computer zusammenzubringen, hat mir sehr gefallen! Dann habe ich meine Geschichte entwickelt... Der alte Mann lernt virtuell eine junge Frau kennen, verliebt sich in sie, erlebt dank ihr eine neue Jugend und muss einige Lügen auf sich nehmen, damit es weitergeht. Da er ein Foto von seinem Internet-Lehrer benutzt hat, um Flora anzuschreiben, muss er unbedingt ihn an seiner Stelle schicken. Im Grunde ist MONSIEUR PIERRE GEHT ONLINE wie ein Cyrano de Bergerac der Neuzeit: Pierre könnte Cyrano sein, Alex Christian und Flora Roxane... Jedoch endet hier schon die Ähnlichkeit mit Rostands Charakteren, denn mein Film ist eine Komödie!


Man spürt in den Dialogen und Szenen eine große Zärtlichkeit für Ihre Charaktere...

Ich liebe sie allesamt. Durch die intensive Arbeit binde ich mich an sie, ich finde für sie Ausreden, ich rechtfertige ihre Fehler. Zum Beispiel sind die Charaktere Pierre und Alex beides findige Lügner. Aber es ist aus Liebe, weil ihr Begehren stärker ist als ihr Willen zu Aufrichtigkeit. Sie müssen die Wahrheit verdrehen, um an ihr Ziel zu kommen. In UND WENN WIR ALLE ZUSAMMENZIEHEN? log die Figur von Claude Rich, um an Viagra zu kommen. Aber wie Pierre und Alex war er dabei sehr sympathisch! Meine Charaktere sind Süßholzraspler, keine bösen Schurken. Ihre Suche soll uns bewegen, auch wenn die Mittel nicht immer ehrenhaft sind.


War die Figur von Monsieur Pierre schwer zu schreiben?

Nein, weil ich immer viel Kontakt zu älteren Menschen hatte. Alex hat mir hingegen etwas Schwierigkeiten bereitet, er ist 25 Jahre alt und ich kenne mich mit diesem Alter wenig aus. Mein Sohn ist 18 Jahre alt, aber es ist nicht dasselbe. Ich habe viel daran gearbeitet, dass es eine Verbindung zwischen Alex und Pierre gibt. Ich wollte, dass sie ein echtes Team bilden.


Pierre wird verkörpert von Pierre Richard. Wir vermuten, dass das kein Zufall ist...

Nein (lacht). Pierre ist „der Schauspieler“ meiner Kindheit, der mich lachen und träumen ließ. Ich hatte ihn bereits in meinem letzten Film besetzt als Jane Fondas Ehemann. Dabei hatte ich ihn gebeten, etwas anders zu machen – und zwar auf das Burleske im Spiel zu verzichten, was ein wesentliches Element seiner Schauspielkarriere ist. Das hat ihn überrascht, aber es ist ihm gelungen, „realistisch“ zu spielen und nicht immer mit seinem ganzen Körper. Er war groß- artig. Deswegen hatte ich große Lust, ihm eine neue komische, aber auch ernste Rolle auf den Leib zu schreiben. Und das war Monsieur Pierre.


Und wie ist er am Set?

Er ist ein Profi. Er kommt an, er weiß seinen Text perfekt auswendig, um keine Zeit zu verlieren. Selbst wenn er manchmal versucht, ein sehr „physisches“ Spiel durchzusetzen, was sein Markenzeichen ist, akzeptiert er es auch, dieses abzulegen, wenn man ihn darum bittet. Er hört dem Regisseur zu. Für seine Kollegen ist er ein toller Anspielpartner. Er ist sympathisch, bescheiden, aufmerksam, entgegenkommend und kraftvoll.


Warum haben Sie Yaniss Lespert als seinen Partner ausgewählt?

Die Rolle von Alex war nicht leicht zu besetzen. Er sollte circa 25 Jahre alt sein und gegenüber Pierre Stand halten können. Eines Tages habe ich die französische Serie „Fais pas ci, fais pas ça“ gesehen und war von Yaniss begeistert. Ich mochte, wie er einen jungen Erwachsenen spielt, zugleich tollpatschig, unsicher, aber auch ruhig und genau. Ich habe Yaniss mit zu Pierre genommen, um zu proben, und zwischen den beiden hat es sofort funktioniert.


Und warum Fanny Valette?

Ich mag diese Schauspielerin und ich hatte Lust, mit ihr zu arbeiten. Ich liebe ihr Temperament! Sie ist schön, ein Arbeitstier und sehr professionell. Auf dem Set sorgt sie für eine sehr positive Energie.


Wie war die Atmosphäre bei den Dreharbeiten?

Wenn man ein angenehmes Team hat, Schauspieler und Crew zusammengenommen, passiert alles natürlich. Zwischen Pierre und Yaniss war da eine Chemie, es gelang ihnen sofort, ihr besonderes Leinwandpaar zum Leben zu erwecken. Und es hat Spaß gemacht, ihnen zuzusehen. Pierre war sehr froh darüber, denn er hatte seit Depardieu nicht im Duo gespielt, und er hatte viel Lust darauf. Da wir nicht nur in Frankreich, sondern auch in Belgien und Deutschland gedreht haben, konnte man glauben, dass wir ein Roadmovie drehen. Es hat großen Spaß gemacht.


Hatten Sie Vorbilder?

Nicht wirklich. Bertrand Blier hat mich inspiriert, diesen Beruf zu machen. Und als ich mein Filmstudium begann, war ich verrückt nach den sozialen Komödien von Mike Lee und Ken Loach. Heute bin ich von Filmemachern wie Xavier Dolan und Fatih Akin sehr beeindruckt. Aber ich versuche, meinen eigenen Film zu machen und das Wort an Menschen zu geben, die man nicht oft auf der Leinwand sieht, den älteren Menschen wie bei meinen zwei neuesten Filmen. Und das mit so viel Emotion, Freude, Freundlichkeit und Humor wie möglich, wobei es glaubhaft bleiben muss. Ich lege Wert auf den Realismus in meinen Geschichten.


An wen richtet sich der Film?

An alle. Es ist ein Film über einen Mann, der einen Freund findet, um aus seiner Einsamkeit herauszukommen, und der dadurch seine Lebenslust wiederfindet. Dass er siebzig oder achtzig Jahre alt ist, verändert nichts an der Sache. Was zählt, ist, dass er eine neue Jugendlichkeit, einen neuen Appetit, eine Vitalität wiederentdeckt. Wir haben diese Geschichte wie eine Komödie behandelt. Die Charaktere vergnügen sich, streiten sich, lachen zusammen, lügen einander an, spielen Versteck mit der Wahrheit mit dem Ziel, die Lust an der Freude wiederzufinden. Ich hoffe, dass diese Art von Schnitzeljagd den Zuschauern gefallen wird.


Was sind Ihre nächsten Projekte?

Ein Film über einen alten Mann (nun ja, noch einen!), der „Frontiste“ ist (Mitglied des Front Populaire oder des Front National, A.d.Ü.), der sich aber im Umfeld illegaler Einwanderer wiederfindet.