FILMHEFT
PARIS (Weltexpresso) - Wenn ein Regisseur eine Rolle für Sie schreibt, kann man sich vorstellen, dass Sie das freut...
Natürlich! Dennoch mit ein wenig Angst davor, dass der Text enttäuschend sein könnte und man die Rolle ablehnen muss. Eine Unannehmlichkeit, die mir zum Glück selten passiert ist (lacht). Auf jeden Fall hatte ich diese Angst nicht, als mich Stéphane Robelin anrief. Ich hatte ihn bei UND WENN WIR ALLE ZUSAMMENZIEHEN? kennengelernt. Ich mochte sein Universum sehr und meine Art zu spielen hat auch ihm gefallen. Eines Abends sagten wir uns, dass wir wieder zusammenarbeiten möchten. Er versprach, mir eine maßgeschneiderte Rolle zu schreiben. Ich habe ein bisschen warten müssen, da dies 2011 war, aber es passierte wirklich. Ich war sehr glücklich.
Im Film heißt Ihr Charakter Pierre. Haben Sie mit ihm außer dem Namen etwas gemeinsam?
Außer seinem Alter (lacht) nichts. Seine Geschichte hat mich sehr bewegt, weil sie die Geschichte eines Mannes ist, der seit dem Tod seiner geliebten Frau mit der Welt da draußen nicht mehr zurechtkommt und wider Erwarten in ein Abenteuer gerät. Wie vor mir Tati oder Buster Keaton habe ich eine Schwäche für Rollen von Unangepassten. Übrigens, wenn man darüber nachdenkt, sind alle meine Rollen so gewesen! Natürlich haben sich die Figuren im Laufe der Zeit gewandelt. Sie rennen nicht mehr auf den Dächern, sie springen nicht von hoch oben auf Strohballen, aber sie haben immer diese „Pierrot“-Seite, schwärmerisch, zärtlich und unfähig, sich gegen die Überraschungen des Lebens zur Wehr zu setzen. Als MONSIEUR PIERRE GEHT ONLINE beginnt, ist Pierre genau so. Er ist etwas zerstreut, gleichgültig gegenüber jeglichem Vergnügen und auch gegenüber modernen Kommunikationsmitteln. Er ist gefangen in seiner Einsamkeit, seiner Trauer und Nostalgie. Was mich belustigt hat, ist seine Metamorphose. Ein alter „Offline“-Brummbär wird zu einem von Verlangen, Leben, Freude und Abenteuerlust erfüllten Mann, und das dank eines jungen Mannes und einer kleinen Maschine, die „Computer“ heißt... Ich habe beim ersten Lesen des Drehbuchs sehr lachen müssen, was mir sehr selten passiert. Die Dialoge waren so köstlich, dass ich es kaum erwarten konnte, ans Set zu kommen, um los zu spielen. Und den Verliebten zu geben... Für mich als Achtzigjährigen! Ich fand diese Aussicht einfach prächtig!
Das Internet dient hier als Vermittler einer Liebesgeschichte... Was halten Sie davon?
Heute lernen sich viele Leute im Internet kennen. Wenn man es zu nutzen weiß, was bei mir nicht der Fall ist, erlaubt das Netz Kühnheit und viele Projektionen, egal ob man jung, alt, hässlich, schön, schüchtern oder offen ist. Es ist der Kuppler des Jahrhunderts! Und Pierre profitiert davon. Er ist ein Cyrano des 21. Jahrhunderts, abgesehen davon, dass sein Alter ihn zurückhält und nicht seine Nase... Aber wie Cyrano ist er ein außergewöhnlicher Prosaiker. Dank seiner Worte verliebt sich auch hier ein junges Mädchen, aber er schickt einen Stellvertreter zum realen Treffen. Diese Geschichte ist so lustig wie berührend. Es ist eine wunderbare zeitgenössische Adaption von Edmond Rostands Meisterwerk. Nur mit dem Unterschied, dass es hier nicht tragisch, sondern komisch und gut endet.
Der Pierre im Film ist aber weniger „rein“ als der Cyrano im Stück...
Ah ja! Er ist sogar ein echter Gauner! Er manipuliert seine Umgebung, seine Familie und seinen jungen Freund Alex, den er in seine Liebesabenteuer verwickelt, ohne ihn zu warnen. Der Charmeur, die Schuldlosigkeit ist nicht sein Ding! Aber man kann ihm verzeihen, weil er ehrlich ist in seiner Liebe, von der er wahrscheinlich mit Recht denkt, dass sie seine letzte ist! All diese paradoxen Situationen zu spielen, war köstlich! Ich musste nur auf Stéphanes Wunsch hin meine Körperlichkeit zurücknehmen! Im wahren Leben bin ich flink, ich laufe und bewege mich schneller als Monsieur Pierre (lacht).
Sie wirken sehr zufrieden, diese Komödie gedreht zu haben...
Ich mag den Film. Er ist mit Humor ausgestattet, aber nichts ist willkürlich, vor allem keine komische Situation. Er ist auch zärtlich, alle lügen, aber nur um ihre Träume nicht zu gefährden. Außerdem ist es ein optimistischer Film, voller Hoffnung, für alte Leute natürlich, aber nicht nur. Es ist ein generationenübergreifender Film, der klarmacht, Liebe kann zu allen Zeiten des Lebens ganz unerwartet auftauchen. MONSIEUR PIERRE GEHT ONLINE hat mich zu einem Satz von Jacques Brel zurückgebracht, den ich mir zu eigen gemacht habe: „Man braucht viel Talent, um nicht erwachsen zu sterben.“
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