Serie: Verleihung des Hessischen Film- und Kinopreises 2012 in der Alten Oper Frankfurt , Teil 2/2
Anna von Stillmark und Klaus Hagert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - KOMMISSARIN wäre auch eines der Stichworte für den Ehrenpreis des Hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier, der Hannelore Elsner gilt. Daß Verleger Joachim Unseld die Laudatio hielt, hat mit Schriftsteller Bodo Kirchhoff zu tun, der dort seine Bücher herausbringt und mit DER ELSNER viel zu tun hat.
Diese zog sich geschickt ob so viel Lob aus der Affäre. Auch Laudatoren sollten lernen, daß manchmal weniger mehr ist. Und das wäre auch alles viel schlimmer, sprich länger und langweiliger geworden, hätte nicht Adnan Maral, übrigens Abgänger der Offenbacher Hochschule für Gestaltung, witzig-resolut alle potentiellen Danksagungen der Preisträger gleich am Anfang vom Publikum beklatschen lassen. Ganz einfach, zuerst kam die Familie dran, Eltern, Ehegatten etc., heftiges Klatschen, dann das Team, das die ausgezeichnete Leistung ermöglichte, heftiges Klatschen, dann die Jury, die einen ausgewählt hatte, heftiges Klatschen.
Tatsächlich traute sich dann keiner der Ausgezeichneten mehr, Worte zu verlieren, bis auf einige von Claudia Michelsen. Das tat dem Ablauf des Abends außerordentlich wohl, dem Maral zusätzlich verordnet hatte, daß das Publikum nur im Notfall die Plätze verlassen dürfe, mit der Auflage: „Langeweile ist kein Notfall!“ Gilt für den Surrealismus das zufällige Zusammentreffen einer Nähmaschine und eines Regenschirms auf einem Seziertisch als schön, so galt für die Bühne der Preisverleihung das zufällige Zusammentreffen verschiedener Frauen und Männer, so prominente wie Andreas Dresen, Herbert Knaup, David Kross etc. dabei, als belebend verwirrend, weil man nie genau wußte, wer jetzt den Umschlag öffnet oder spricht, oder warum diejenigen überhaupt da oben stehen. Auch so was hielt das Publikum in Aufmerksamkeit, so daß nach gut zwei Stunden, als alles vorbei war und das Feiern begann, manche ob des gefühlten frühen Endes verblüfft waren. Ein gelungener Abend also.
Fast hätten wir einen der Höhepunkte vergessen: die BESTE INTERNATIONALE LITERATURVERFILMUNG. Es paßte gut, daß Stephen Daldry diese Ehrung der Frankfurter Buchmesse im Wert von 10 000 Euro für seinen Film EXTREM LAUT & UNGLAUBLICH NAH erhielt, denn gleichzeitig war er an Workshops auf der Frankfurter Buchmesse beteiligt. Auf die Frage nach dem Unterschied des Regieführens bei Filmen und der von ihm verantworteten diesjährigen Eröffnungsfeier als Olympiaauftakt in London, sagte er nur schlicht: Fernsehen bringe so sehr viel mehr von Millionen Zuschauer vor den Bildschirm als es Filme vor der Leinwand je könnten.
Die Buchmesse hatte, wie Jürgen Boos, ihr Direktor, der den Zusammenschluß von Kino und Buch seit jeher begrüßt, erläuterte, folgende Begründung für diesen Preis gefunden: „Jonathan Safran Foers Roman scheint in seiner Vielschichtigkeit und erzählerischen Dichte als kaum verfilmbar. Stephen Daldry ist es gelungen, durch seine sehr eigene Lesart und durch Reduktion keine klassische Literaturadaption zu inszenieren, sondern ein ganze eigenes Meisterwerk zu schaffen.“
David Kross, der die Laudatio hielt, wurde vom vorlauten Adnan Maral angekündigt als derjenige, „der mit Kate Winslet in der Badewanne saß“. Das spielt auf DER VORLESER an, wo Kross unter der Regie von Stephen Daldry nämlichen Vorleser gibt. Das Autoritätsverhältnis, das Kross spürt, war ihm auch bei seiner Lobpreisung anzumerken.
P.S. Mit einem undotierten Sonderpreis der Jury wurden zudem Isabel Bongard, Sonja Gerhardt, Jannik Schümann, Vincent Redetzki, Anton Rubtsov bedacht für ihre Rollen in MITTLERE REIFE, Regie: Martin Enlen. Wir geben die nette Jurybegründung wieder: „Obwohl eigentlich kein Preis mehr übrig war, konnte die Jury an diesem Ensemble nicht vorbei. Es war einfach zu gut, um unbepreist zu bleiben. Fünf junge Schauspieler spielen sich in MITTLERE REIFE förmlich in einen Rausch und zeigen dabei so überbordendes Talent, dass man sich schon jetzt auf jeden weiteren Film freuen kann, in dem einer von
ihnen mitspielen wird. Fünf Schüler müssen – als Strafe für ungebührliches Verhalten – an einem Schulprojekt teilnehmen und sitzen fortan regelmäßig mit einer Lehrerin in einem Klassenraum, um über die ideale Schule nachzudenken.
Wie eine gut eingespielte Fußballmannschaft wirken die Darsteller, wenn sie miteinander agieren. Da sitzt jeder Blick, jede Bewegung, jedes Wort. Stets scheint der Eine genau zu wissen, was die Andere gerade tut. Man kennt die Laufwege, spielt sich blind die Bälle zu, zieht im richtigen Moment das Tempo an und weiß instinktiv, wo das Tor steht. Und alle fünf haben unverkennbare Eigenheiten, mit denen sie ihren Figuren Fleisch und Blut und Atem verleihen. Doch nicht nur die Mannschaftsleistung dieses Quintetts liegt meilenweit über dem Durchschnitt. Jeder der fünf Darsteller erweist sich auch alleine als Entdeckung. Der Film lässt ihnen Raum für eigene Geschichten, und jede einzelne davon ist darstellerisch eine Klasse für sich.“