Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 13. Juli 2017, Teil 1
Margarete Frühling
München (Weltexpresso) - Frank Adler (Chris Evans) lebt zusammen mit seiner siebenjährigen Nichte Mary (Mckenna Grace) und ihrem einäugigen Kater Felix in einem Städtchen an der Küste Floridas. Früher war er Philosophieprofessor in Harvard, heute repariert er Boote.
Als Mary in die Schule kommt, zeigt sich, dass sie - ebenso wie ihre verstorbene Mutter - ein mathematisches Genie ist. Da sich seine Schwester umgebracht hat als Mary sechs Monate alt war, möchte Frank dem Mädchen eine normale Kindheit ermöglichen. Natürlich fällt Marys Lehrerin Bonnie Stevenson (Jenny Slate) recht schnell auf, dass das Kind ein außergewöhnliches Zahlenverständnis hat. Da Mary aber auch zu Wutausbrüchen neigt, erfährt auch die Schulleiterin davon und schlägt Frank vor, Mary auf eine Schule für Hochbegabte - mit vollem Stipendium - zu schicken. Frank lehnt dies ab.
Eines Tages steht allerdings Franks ehrgeizige Mutter Evelyn (Lindsay Duncan) aus Boston vor der Tür und verlangt, dass Marys Fähigkeiten ebenso wie bei ihrer Mutter ausreichend gefördert werden. Sie will deshalb vor Gericht das alleinige Sorgerecht für das Kind erhalten. Während des Gerichtsprozesses bekommt Frank Unterstützung von seiner Nachbarin Roberta (Octavia Spencer), die immer wieder die Babysitterin für Mary gespielt hat. Nebenbei kommen sich auch Frank und Marys Lehrerin Bonnie näher.
Als Franks Rechtsanwalt fürchtet, dass Frank den Prozess verlieren wird, kommt es zu einem Kompromiss, bei dem Mary zu Pflegeeltern kommen soll. Obwohl Mary todunglücklich ist, muss Frank dem Vergleich zustimmen.
Dann aber findet Frank zwei Dinge heraus, die die Lage vollständig ändern und ihn veranlassen einzugreifen.....
Das Skript zu "Begabt - Die Gleichung eines Lebens" stammt von Tom Flynn. Es war 2014 auf der Hollywood Black List, auf der jährlich die interessantesten aber noch nicht verfilmten Drehbücher aufgelistet sind. Regisseur ist Marc Webb, der mit "500 Days of Summer" (2009) zeigen konnte, dass er neben Blockbustern wie "The Amazing Spider-Man" (2012) und "The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro" (2014) auch Independentfilme erfolgreich inszenieren kann. Webb behandelt in dem Film seine Charaktere mit einer gelungenen Mischung aus Respekt und Realität.
"Begabt" versucht zu zeigen, dass ein spezial-begabtes Kind im normalen Unterricht in genau diesem Fach hoffnungslos unterfordert ist. Dies kann auch nicht dadurch aufgefangen werden, dass die Lehrerin versucht, Mary mit zusätzlichen Aufgaben zu beschäftigen. Gleichzeitig zeigt der Film aber auch Marys Defizite im Sozialverhalten auf und auch dass das Mädchen nicht in der Lage ist, normal mit anderen Kindern zu kommunizieren. Marys Onkel hofft wiederum, dass Mary genau diese Verhaltensweisen in einer staatlichen Schule lernt.
Im Film wird zuerst einmal eindimensional gehandelt. Frank steht der Begabtenförderung seiner Nichte vor allem deshalb kritisch gegenüber, weil er fürchtet, dass das Kind dasselbe Schicksal wie seine selbstmordgefährdete Schwester erleiden könnte. Großmutter Evelyn, die ebenfalls mathematische begabt war, gab ihre Karriere in England für die Ehe auf. Sie strebt für Tochter und Enkeltochter nach der Anerkennung und Leistung, die ihr selbst versagt geblieben ist. Dabei ist sie wenig am seelischen Wohl von Mary interessiert, genauso wenig wie sie es schon bei ihrer Tochter war. Später allerdings werden die Protagonisten versuchen, emotional nachvollziehbar und sachlich sinnvoll zu handeln.
Vor allem Chris Evans überzeugt als Frank Adler. Er gibt eine engagierte Performance, die eine wunderbare unterschwellige Wärme ausstrahlt, die er z.B. in den Marvel-Filmen als Captain America bisher nicht zeigen konnte. McKenna Grace bringt sowohl Charme als auch die notwenige Altklugheit für die Rolle der Mary mit, denn die Kleine weiß sich auch intellektuell durchzusetzen und kann die Erwachsenen immer mal wieder vorführen (wenn sie z.B. von der Schulleiterin fordert, Frank zu holen, damit sie die Schule verlassen kann).
Lindsay Duncan versucht die Eindimensionalität der arroganten Oberschicht-Großmutter zu umschiffen, auch wenn sie beinahe bis zum Schluss nicht merkt, dass sie bei ihrer Enkelin auf dem besten Weg ist, dieselben Fehler zu machen, die ihrer Tochter in den Selbstmord getrieben haben. In kleineren Rollen überzeugen auch Octavia Spencer als immer hilfsbereite Nachbarin und Jenny Slate als Marys Mathematiklehrerin, die sich zu Frank hingezogen fühlt.
Insgesamt ist "Begabt - Die Gleichung eines Lebens" ein gut gemachter Film mit einem interessanten Thema und einem außerordentlich liebenswerten Cast. Er hat in den USA bei Produktionskosten von 8 Mill. Dollar in vier Wochen über 21 Mill. Dollar eingespielt und sich dabei recht lange unter den besten zehn Filmen gehalten.
Das Thema des Films mag nicht besonders originell sein und er findet auch keine endgültige Antwort auf die Frage, ob für ein begabtes Kind die intellektuelle Förderung seiner Inselbegabung wichtiger ist als eine friedliche Kindheit. Trotzdem ist der Film auf jeden Fall sehenswert und kann auch eine Anregung zur Diskussion zu dem Thema "Hochbegabung" sein.
Foto: v.l.n.r.: Roberta (Octavia Spencer), Mary (McKenna Grace), Frank (Chris Evans) © 20th Century Fox Germany
Info:
Begabt - Die Gleichung eines Lebens (USA 2017)
Originaltitel: Gifted
Genre: Drama
Filmlänge: 101 Min.
Regie: Marc Webb
Drehbuch: Tom Flynn
Darsteller: Chris Evans, McKenna Grace, Octavia Spencer, Lindsay Duncan, Jenny Slate u.a.
Verleih: 20th Century Fox Germany
FSK: ab 6 Jahren
Kinostart: 13.07.2017