Filmheft
Köln (Weltexpresso) – Schwarze Eltern, die ein blondes Baby mit blauen Augen adoptieren... Im wahren Leben sowie auf der großen Leinwand ist das sehr ungewöhnlich. Wie kamen Sie auf diese Idee?
Ich habe mal in einer Zeitung einen Artikel über ein nigerianisches Paar gelesen, das ein weißes Baby zur Welt gebracht hat. Und genau in diesem Moment kam die Lust, einen Film zu machen! Ich beginne zu recherchieren, und man ruft mich an – ich schwöre Ihnen, es stimmt – um mir ein Drehbuch vorzuschlagen, das „Black Adoption“ heißt und die Geschichte von einem schwarzen Paar erzählt, dem man ein weißes Kind zur Adoption vorschlägt.
Das Drehbuch wurde zehn Jahre zuvor von Marie-Françoise Colombani gemeinsam mit dem Autor Sébastien Mounier entwickelt. Ich lese es und lasse sie wissen, dass mich das Thema interessiert. In der Zwischenzeit drehe ich DIEUMERCI!. Währenddessen wechselt das Projekt den Produzenten. Und die neuen Produzenten kommen wieder auf mich zu. Und so haben Sébastien Mounier und ich begonnen, die Geschichte neu zu schreiben.
Was hat Sie so an dieser Geschichte begeistert? War es wie bei TRIFF DIE ELISABETHS! die Konfrontation zwischen Schwarz und Weiß als Grundlage für eine Komödie?
Ja, klar, aber nicht nur. TRIFF DIE ELISABETHS!ist auf den ersten Blick eine Geschichte über eine arme, schwarze Familie, die den Schnee des Mont Blancs entdeckt; die aber neben ihrer Komik und Poesie das Thema der Integration von Schwarzen in eine Welt der Weißen behandelt, die oft wohlhabender sind. In ZUM VERWECHSELN ÄHNLICH geht es mehr um Probleme von Übermittlung und Erbe. Was geben wir an unsere Kinder weiter? Was bleibt von uns und was verliert sich, von unseren Wurzeln, unserer Religion, unseren Traditionen? Nehmen Sie INTERVIEW MIT LUCIEN JEAN-BAPTISTE Regisseur und Hauptdarsteller mich als Beispiel.
Ich bin von den Antillen nach Paris gekommen, als ich 3 Jahre alt war, gemeinsam mit meiner Mutter und meinen fünf Geschwistern. Was bleibt mir heute von der Kultur meines Geburtsorts? Ich bin 52 Jahre alt und habe Mischlingskinder. Sie sehen mir nicht ähnlich. Und damit meine ich nicht nur die Hautfarbe. Sie sind in Paris geboren. Was soll und was kann ich ihnen über ihre Herkunft vermitteln?
Der Film behandelt das Thema der Weitergabe einer Kultur, das, was man für immer aufgeben muss, und das, bei dem man kompromisslos bleiben muss. Und natürlich behandele ich auch das Thema der Diversität, des Kontrasts SchwarzWeiß, der über die reine Komödie hinaus auch Emotion und Poesie schafft. Wenn man schwarze Menschen Dinge tun lässt, die normalerweise von Weißen gemacht werden, dann erzeugt das lustige Situationen! Deshalb liebe ich es, in meinen Filmen Rollen zu tauschen!
Mit Ihren Filmen kommen Sie immer wieder auf die Frage nach dem Platz von schwarzen Menschen in westlichen Gesellschaften zurück...
Als Autor und Regisseur muss ich starke und persönliche Themen aufgreifen können. Das ermöglicht es mir, universelle Themen wie das Recht auf Verschiedenheit und die Pflicht, respektvoll miteinander umzugehen, zu berühren! Ich gehe von dem Prinzip aus, dass man nur gut über das sprechen kann, was man selbst gut kennt. Um Menschen zum Lachen zu bringen, reicht es übrigens oft aus, die Realität ein bisschen zu verzerren.
Es sind die Hintergründe voller Nostalgie, Schwere und schmerzhaften Prägungen, die Ihre Filme zu Gesellschaftskomödien machen.
Umso besser. Was ich beim Film bevorzuge, sind die italienischen Komödien der 70er, das englische Kino der 80er, die Filme, die von dramatischen gesellschaftlichen Problemen sprechen und das Publikum dennoch zum Lachen bringen. Ich hoffe, dass ich Teil dieser Riege bin, die – auf eine etwas lustigere Art und Weise – den Werken von zum Beispiel Ken Loach Tribut zollt. Eine andere Referenz der letzten Jahre ist LITTLE MISS SUNSHINE. Ein Großvater stirbt an einer Überdosis, ein Onkel versucht sich umzubringen und dennoch ist es eine tolle, sehr bewegende Komödie über die Familie.
Was für ein Regisseur sind Sie?
Ich bin gleichzeitig ansprechbar und wie unter Strom. Es muss prickeln, vorangehen. Aber das ist normal. Ein Regisseur ist der Kapitän eines Schiffs mit einer sehr großen Mannschaft. Er gibt den Kurs an. Er muss also beispielhaft vorangehen. Wenn ich nur Schauspieler bin, dann weiß ich gerne, wohin ich muss und wie ich dort hinkomme. D.h. wenn ich Regisseur bin, versuche ich hinter jedem her zu sein, ich bin nicht der Typ, der sagen wird: Also Jungs, legt mal los. Ich sage eher: Wir legen los! Diese Haltung muss wohl aus meiner Kindheit kommen. Meine Mutter hat sechs Kinder alleine groß- gezogen, ohne sich jemals zu beklagen oder aufzugeben. Ich bin das Ergebnis dieser Erziehung, die aus einer Mischung aus Durchsetzungskraft und Lächeln bestand. Am Set versuche ich, eine gute Stimmung und Begeisterung zu erzeugen, bei jedem der Beteiligten, ob Schauspieler oder Techniker.
Was steht für Sie am Set im Vordergrund?
Die Stimmung. Die muss gut sein. Da ein Film ein sehr schweres und langes Unterfangen ist (mindestens 2 Jahre), muss die Drehzeit ein fröhlicher Moment sein. Das ist auch für die Schauspieler sehr wichtig. Sie sind die, die Emotionen übermitteln. Wenn sie sich nicht wohlfühlen, kann das Licht noch so gut sein, der Ton und der Rahmen ideal, und der Film wird dennoch nur mittelmäßig. Das ist wie beim Fußball. Man muss das beste Team finden. Nicht unbedingt das mit der besten Leistung und das bekannteste, aber das Team, das zusammenwachsen kann, um deine Geschichte zu erzählen. Deswegen ist der menschliche Faktor der wichtigste, denn er ist es, den die Kamera aufnehmen wird.
Wie haben Sie das unwiderstehliche Baby im Film gefunden?
Damit der Kontrast zu den Adoptiveltern besonders auffallend ist, wollte ich ein blondes Baby mit blauen Augen. Thomas Le Douarec hat mir eines Tages von Freunden von ihm erzählt, die ein Baby hätten, das genau meinen Kriterien entspricht. Als man mir Marius (Benjamin im Film) vorgestellt hat, schlief er! Aber ich habe sofort gespürt, dass es das Baby ist, was ich suchte. Die Eltern sind Schauspieler und ich habe begriffen, dass sie das Projekt gutheißen und das Kind nicht aus falschen Gründen mitspielen lassen. Der Dreh mit ihm war zauberhaft. Wir brauchten keine Spezialeffekte, keinen Zwilling, nur manchmal ein Double für das Gegenbild. Marius verstand alles. Dieses vier Monate alte Baby war außergewöhnlich.
Wie haben Sie es geschafft, ihn zum Weinen zu bringen?
Man muss wissen, dass Babys nicht mehr als eine Stunde am Tag „arbeiten“ dürfen laut Arbeitsrecht, aufgeteilt in zwei halbe Stunden mit 30 Minuten Pause dazwischen. Da ein Baby in der Regel weint, wenn es Hunger hat, haben wir die Szenen auf die Zeiten vor seinen Mahlzeiten gelegt. Die Szene einmal im Kasten, Schnitt und er hat sein Fläschchen bekommen.
Und um sein entzückendes Lächeln zu bekommen?
Marius lächelt von Natur aus. Aber bei manchen Aufnahmen hat sich seine Mutter, die eine unglaubliche Stimme hat, außerhalb des Blickfelds gestellt und ihm etwas vorgesungen. Hinzu kommt, dass Aïssa Maïga, die seine Adoptivmutter spielt, Kinder liebt. Sie hatte eine besondere Beziehung zu ihm. Sie sprechen über Aïssa Maïga. Warum haben Sie sich für sie in der Rolle der Adoptivmutter entschieden? Wir kennen uns seit Langem, aber nicht besonders gut. Ich habe sie also kennengelernt. Wir haben uns getroffen und ab dem zweiten Gespräch, da ich ja gleichzeitig Regie führen und spielen würde, angefangen zu proben. Aïssa war als Spielpartnerin und in der Interpretation der Rolle genauso genial wie sie es auf einer menschlichen Ebene mit dem ganzen Team war. Und außerdem hat sie mich, was die Szenen, die mit Afrika zu tun haben, gerettet. Ich bin katholisch, natürlich mit Wurzeln aus Martinique, aber ein wahrer Pariser seit über vierzig Jahren. Ich habe also keinen Bezug zu meinen afrikanischen Wurzeln und kam mit einigen Dialogen nicht wirklich voran. Aïssa kommt aus dem Senegal, d.h. sie kennt Afrika. Ich habe ihr die Authentizität einiger Szenen zu verdanken.
Und Zabou?
Ich liebe diese Schauspielerin seit eh und je, aber aufgrund ihres Status als Star hatte ich ein bisschen Angst. Sie zeigte eine außergewöhnliche Bereitschaft und ist total auf den Film eingegangen. Vielleicht weil sie sah, dass ich vor dem Dreh sehr viel geprobt habe und wusste, was ich wollte. Auf jeden Fall hat ihr Schauspielniveau auch meines eine Stufe höher gebracht. Und auch das von Vincent Elbaz.
Vincent Elbaz – sprechen wir über ihn. Man kennt ja seine schauspielerische Bandbreite. Aber hier haben Sie ihn wirklich über sich hinauswachsen lassen. Auch körperlich erkennt man ihn kaum wieder.
Ich habe ihn 2002 im Theater gesehen, er spielte Salvador Dalí in „Hystéria“ von Terry Johnson unter der Regie von John Malkovich und er hat mich überrascht. Einige Jahre später, beim Festival in Alpe d’Huez wo ich meinen Film TRIFF DIE ELISABETHS! vorstellte, sagte ich ihm, dass ich gerne mit ihm arbeiten würde. Ich wartete also auf die richtige Gelegenheit. Obwohl ich die Rolle des besten Freunds anfangs für einen schwarzen Schauspieler geschrieben hatte. Und beim Schreiben habe ich mir dann gesagt, dass es doch besser ein weißer sein sollte. Ich dachte an Vincent, als ich mich selbst fragte, wen ich beim Film gerne als besten Freund hätte. Ich habe ihn angerufen, um ihm das zu sagen. Es hat ihn sehr berührt und er hat ja gesagt. Wir haben angefangen rumzuspinnen. Wir haben uns eine Vergangenheit als Sandkastenfreunde ausgedacht, die vielleicht zusammen in der Banlieue aufgewachsen sind und es dort schwer hatten. Als die Eckpfeiler seiner Rolle feststanden, hat er mir eine Menge Vorschläge gemacht, was das Aussehen seiner Figur, seine Haltung, seine Art zu denken, seinen ungewollten Humor, seine Großzügigkeit und seine Schroffheit angeht. Und am Ende kam diese unglaubliche Figur dabei raus, ein Mann, der das Steuer ergreift, weil er vergessen hat, dass er nicht fahren kann, und der die Wände in der Unterhose streicht.
Was waren die schwierigsten Szenen während des Drehs?
Wir hatten natürlich vor allem vor den Szenen mit dem Baby Angst. Aber Marius war wunderbar, alles lief super. Das Schwierigste war das Zeitmanagement. Wir hatten kein großes Budget, d.h. alles musste schnell gehen, wir konnten die Aufnahmen nicht noch mal neu beginnen. Aber alles in allem ist der Film mit großer Freude entstanden. Ich wurde nie sauer, trotz des Stresses. Wir hatten viel Glück. Die Sonne schien sogar als wir in Knokke-le-Zoute drehten. Und das will was heißen!
Ist Ihnen bewusst, dass Sie mit Ihren Filmen viel für die Toleranz tun?
Ich hoffe es, denn ich möchte jetzt wirklich, dass die Dinge vorangehen. Zuvor habe ich diese Rolle ungern akzeptiert. Ich wollte nur meine Geschichten erzählen. Und dann wurde mir bewusst, dass ich durch diese Geschichten, sehr viele Dinge über Rassismus und Unterschiede weitergab, unter denen auch ich, als ich jung war, gelitten habe. Aber ich mache das instinktiv, fast ohne es zu wollen, denn ich bin kein Intellektueller. Mit Lachen kann man böse Gedanken entschärfen! Manche fragen mich, ob ich noch lange Filme über und mit Schwarzen, die auf Weiße treffen, machen werde. Ich antworte mit ja, denn jeden Tag fragt man mich, woher ich komme, was immer wieder auf meine Hautfarbe zurückführt. Aber fragt man das auch weiße Regisseure, fragt man sie, warum sie meist nur weiße Schauspieler und weiße Charaktere in ihren Filmen zeigen? In TRIFF DIE ELISABETHS! erzählte ich, wie ein Vater versucht, seinen Kindern Träume zu geben. In ZUM VERWECHSELN ÄHNLICH zeige ich, wie manche Paare dafür kämpfen, dass Waisenkinder eine sie liebende Familie bekommen. Ich tendiere zu universellen Themen.
Foto: aus dem Film © Verleih
Was hat Sie so an dieser Geschichte begeistert? War es wie bei TRIFF DIE ELISABETHS! die Konfrontation zwischen Schwarz und Weiß als Grundlage für eine Komödie?
Ja, klar, aber nicht nur. TRIFF DIE ELISABETHS!ist auf den ersten Blick eine Geschichte über eine arme, schwarze Familie, die den Schnee des Mont Blancs entdeckt; die aber neben ihrer Komik und Poesie das Thema der Integration von Schwarzen in eine Welt der Weißen behandelt, die oft wohlhabender sind. In ZUM VERWECHSELN ÄHNLICH geht es mehr um Probleme von Übermittlung und Erbe. Was geben wir an unsere Kinder weiter? Was bleibt von uns und was verliert sich, von unseren Wurzeln, unserer Religion, unseren Traditionen? Nehmen Sie INTERVIEW MIT LUCIEN JEAN-BAPTISTE Regisseur und Hauptdarsteller mich als Beispiel.
Ich bin von den Antillen nach Paris gekommen, als ich 3 Jahre alt war, gemeinsam mit meiner Mutter und meinen fünf Geschwistern. Was bleibt mir heute von der Kultur meines Geburtsorts? Ich bin 52 Jahre alt und habe Mischlingskinder. Sie sehen mir nicht ähnlich. Und damit meine ich nicht nur die Hautfarbe. Sie sind in Paris geboren. Was soll und was kann ich ihnen über ihre Herkunft vermitteln?
Der Film behandelt das Thema der Weitergabe einer Kultur, das, was man für immer aufgeben muss, und das, bei dem man kompromisslos bleiben muss. Und natürlich behandele ich auch das Thema der Diversität, des Kontrasts SchwarzWeiß, der über die reine Komödie hinaus auch Emotion und Poesie schafft. Wenn man schwarze Menschen Dinge tun lässt, die normalerweise von Weißen gemacht werden, dann erzeugt das lustige Situationen! Deshalb liebe ich es, in meinen Filmen Rollen zu tauschen!
Mit Ihren Filmen kommen Sie immer wieder auf die Frage nach dem Platz von schwarzen Menschen in westlichen Gesellschaften zurück...
Als Autor und Regisseur muss ich starke und persönliche Themen aufgreifen können. Das ermöglicht es mir, universelle Themen wie das Recht auf Verschiedenheit und die Pflicht, respektvoll miteinander umzugehen, zu berühren! Ich gehe von dem Prinzip aus, dass man nur gut über das sprechen kann, was man selbst gut kennt. Um Menschen zum Lachen zu bringen, reicht es übrigens oft aus, die Realität ein bisschen zu verzerren.
Es sind die Hintergründe voller Nostalgie, Schwere und schmerzhaften Prägungen, die Ihre Filme zu Gesellschaftskomödien machen.
Umso besser. Was ich beim Film bevorzuge, sind die italienischen Komödien der 70er, das englische Kino der 80er, die Filme, die von dramatischen gesellschaftlichen Problemen sprechen und das Publikum dennoch zum Lachen bringen. Ich hoffe, dass ich Teil dieser Riege bin, die – auf eine etwas lustigere Art und Weise – den Werken von zum Beispiel Ken Loach Tribut zollt. Eine andere Referenz der letzten Jahre ist LITTLE MISS SUNSHINE. Ein Großvater stirbt an einer Überdosis, ein Onkel versucht sich umzubringen und dennoch ist es eine tolle, sehr bewegende Komödie über die Familie.
Was für ein Regisseur sind Sie?
Ich bin gleichzeitig ansprechbar und wie unter Strom. Es muss prickeln, vorangehen. Aber das ist normal. Ein Regisseur ist der Kapitän eines Schiffs mit einer sehr großen Mannschaft. Er gibt den Kurs an. Er muss also beispielhaft vorangehen. Wenn ich nur Schauspieler bin, dann weiß ich gerne, wohin ich muss und wie ich dort hinkomme. D.h. wenn ich Regisseur bin, versuche ich hinter jedem her zu sein, ich bin nicht der Typ, der sagen wird: Also Jungs, legt mal los. Ich sage eher: Wir legen los! Diese Haltung muss wohl aus meiner Kindheit kommen. Meine Mutter hat sechs Kinder alleine groß- gezogen, ohne sich jemals zu beklagen oder aufzugeben. Ich bin das Ergebnis dieser Erziehung, die aus einer Mischung aus Durchsetzungskraft und Lächeln bestand. Am Set versuche ich, eine gute Stimmung und Begeisterung zu erzeugen, bei jedem der Beteiligten, ob Schauspieler oder Techniker.
Was steht für Sie am Set im Vordergrund?
Die Stimmung. Die muss gut sein. Da ein Film ein sehr schweres und langes Unterfangen ist (mindestens 2 Jahre), muss die Drehzeit ein fröhlicher Moment sein. Das ist auch für die Schauspieler sehr wichtig. Sie sind die, die Emotionen übermitteln. Wenn sie sich nicht wohlfühlen, kann das Licht noch so gut sein, der Ton und der Rahmen ideal, und der Film wird dennoch nur mittelmäßig. Das ist wie beim Fußball. Man muss das beste Team finden. Nicht unbedingt das mit der besten Leistung und das bekannteste, aber das Team, das zusammenwachsen kann, um deine Geschichte zu erzählen. Deswegen ist der menschliche Faktor der wichtigste, denn er ist es, den die Kamera aufnehmen wird.
Wie haben Sie das unwiderstehliche Baby im Film gefunden?
Damit der Kontrast zu den Adoptiveltern besonders auffallend ist, wollte ich ein blondes Baby mit blauen Augen. Thomas Le Douarec hat mir eines Tages von Freunden von ihm erzählt, die ein Baby hätten, das genau meinen Kriterien entspricht. Als man mir Marius (Benjamin im Film) vorgestellt hat, schlief er! Aber ich habe sofort gespürt, dass es das Baby ist, was ich suchte. Die Eltern sind Schauspieler und ich habe begriffen, dass sie das Projekt gutheißen und das Kind nicht aus falschen Gründen mitspielen lassen. Der Dreh mit ihm war zauberhaft. Wir brauchten keine Spezialeffekte, keinen Zwilling, nur manchmal ein Double für das Gegenbild. Marius verstand alles. Dieses vier Monate alte Baby war außergewöhnlich.
Wie haben Sie es geschafft, ihn zum Weinen zu bringen?
Man muss wissen, dass Babys nicht mehr als eine Stunde am Tag „arbeiten“ dürfen laut Arbeitsrecht, aufgeteilt in zwei halbe Stunden mit 30 Minuten Pause dazwischen. Da ein Baby in der Regel weint, wenn es Hunger hat, haben wir die Szenen auf die Zeiten vor seinen Mahlzeiten gelegt. Die Szene einmal im Kasten, Schnitt und er hat sein Fläschchen bekommen.
Und um sein entzückendes Lächeln zu bekommen?
Marius lächelt von Natur aus. Aber bei manchen Aufnahmen hat sich seine Mutter, die eine unglaubliche Stimme hat, außerhalb des Blickfelds gestellt und ihm etwas vorgesungen. Hinzu kommt, dass Aïssa Maïga, die seine Adoptivmutter spielt, Kinder liebt. Sie hatte eine besondere Beziehung zu ihm. Sie sprechen über Aïssa Maïga. Warum haben Sie sich für sie in der Rolle der Adoptivmutter entschieden? Wir kennen uns seit Langem, aber nicht besonders gut. Ich habe sie also kennengelernt. Wir haben uns getroffen und ab dem zweiten Gespräch, da ich ja gleichzeitig Regie führen und spielen würde, angefangen zu proben. Aïssa war als Spielpartnerin und in der Interpretation der Rolle genauso genial wie sie es auf einer menschlichen Ebene mit dem ganzen Team war. Und außerdem hat sie mich, was die Szenen, die mit Afrika zu tun haben, gerettet. Ich bin katholisch, natürlich mit Wurzeln aus Martinique, aber ein wahrer Pariser seit über vierzig Jahren. Ich habe also keinen Bezug zu meinen afrikanischen Wurzeln und kam mit einigen Dialogen nicht wirklich voran. Aïssa kommt aus dem Senegal, d.h. sie kennt Afrika. Ich habe ihr die Authentizität einiger Szenen zu verdanken.
Und Zabou?
Ich liebe diese Schauspielerin seit eh und je, aber aufgrund ihres Status als Star hatte ich ein bisschen Angst. Sie zeigte eine außergewöhnliche Bereitschaft und ist total auf den Film eingegangen. Vielleicht weil sie sah, dass ich vor dem Dreh sehr viel geprobt habe und wusste, was ich wollte. Auf jeden Fall hat ihr Schauspielniveau auch meines eine Stufe höher gebracht. Und auch das von Vincent Elbaz.
Vincent Elbaz – sprechen wir über ihn. Man kennt ja seine schauspielerische Bandbreite. Aber hier haben Sie ihn wirklich über sich hinauswachsen lassen. Auch körperlich erkennt man ihn kaum wieder.
Ich habe ihn 2002 im Theater gesehen, er spielte Salvador Dalí in „Hystéria“ von Terry Johnson unter der Regie von John Malkovich und er hat mich überrascht. Einige Jahre später, beim Festival in Alpe d’Huez wo ich meinen Film TRIFF DIE ELISABETHS! vorstellte, sagte ich ihm, dass ich gerne mit ihm arbeiten würde. Ich wartete also auf die richtige Gelegenheit. Obwohl ich die Rolle des besten Freunds anfangs für einen schwarzen Schauspieler geschrieben hatte. Und beim Schreiben habe ich mir dann gesagt, dass es doch besser ein weißer sein sollte. Ich dachte an Vincent, als ich mich selbst fragte, wen ich beim Film gerne als besten Freund hätte. Ich habe ihn angerufen, um ihm das zu sagen. Es hat ihn sehr berührt und er hat ja gesagt. Wir haben angefangen rumzuspinnen. Wir haben uns eine Vergangenheit als Sandkastenfreunde ausgedacht, die vielleicht zusammen in der Banlieue aufgewachsen sind und es dort schwer hatten. Als die Eckpfeiler seiner Rolle feststanden, hat er mir eine Menge Vorschläge gemacht, was das Aussehen seiner Figur, seine Haltung, seine Art zu denken, seinen ungewollten Humor, seine Großzügigkeit und seine Schroffheit angeht. Und am Ende kam diese unglaubliche Figur dabei raus, ein Mann, der das Steuer ergreift, weil er vergessen hat, dass er nicht fahren kann, und der die Wände in der Unterhose streicht.
Was waren die schwierigsten Szenen während des Drehs?
Wir hatten natürlich vor allem vor den Szenen mit dem Baby Angst. Aber Marius war wunderbar, alles lief super. Das Schwierigste war das Zeitmanagement. Wir hatten kein großes Budget, d.h. alles musste schnell gehen, wir konnten die Aufnahmen nicht noch mal neu beginnen. Aber alles in allem ist der Film mit großer Freude entstanden. Ich wurde nie sauer, trotz des Stresses. Wir hatten viel Glück. Die Sonne schien sogar als wir in Knokke-le-Zoute drehten. Und das will was heißen!
Ist Ihnen bewusst, dass Sie mit Ihren Filmen viel für die Toleranz tun?
Ich hoffe es, denn ich möchte jetzt wirklich, dass die Dinge vorangehen. Zuvor habe ich diese Rolle ungern akzeptiert. Ich wollte nur meine Geschichten erzählen. Und dann wurde mir bewusst, dass ich durch diese Geschichten, sehr viele Dinge über Rassismus und Unterschiede weitergab, unter denen auch ich, als ich jung war, gelitten habe. Aber ich mache das instinktiv, fast ohne es zu wollen, denn ich bin kein Intellektueller. Mit Lachen kann man böse Gedanken entschärfen! Manche fragen mich, ob ich noch lange Filme über und mit Schwarzen, die auf Weiße treffen, machen werde. Ich antworte mit ja, denn jeden Tag fragt man mich, woher ich komme, was immer wieder auf meine Hautfarbe zurückführt. Aber fragt man das auch weiße Regisseure, fragt man sie, warum sie meist nur weiße Schauspieler und weiße Charaktere in ihren Filmen zeigen? In TRIFF DIE ELISABETHS! erzählte ich, wie ein Vater versucht, seinen Kindern Träume zu geben. In ZUM VERWECHSELN ÄHNLICH zeige ich, wie manche Paare dafür kämpfen, dass Waisenkinder eine sie liebende Familie bekommen. Ich tendiere zu universellen Themen.
Foto: aus dem Film © Verleih