Zum 25. Todestag ein liebevoller Fernsehfilm über Helmut Qualtinger von André Heller
von Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Hoffen wir, daß in einem der Programme dieses schöne, auch wahre, darum ebenso traurige wie komische filmische Porträt, das André Heller über seinen Freund und vom ihm verehrten Kollegen Helmut Qualtinger zusammenstellte, hoffen wir, daß es bald wieder gezeigt wird, damit sich herumsprechen kann, daß man etwas versäumt, wenn man sich diese, die alten Zeiten genauso wie die alten Freunde und Feinde vereinigende Hommage nicht anschaut. Uns war ja schon allein bei der Ankündigung „Qualtinger“ am 29. September – dem 25. Todestag und gerade 57 Jahre alt – im ZDFkultur und am 1. Oktober bei 3sat selbstverständlich, diese Erinnerung von Heller anzuschauen. Aber erst nach dem Sehen weiß man, wie gut es Heller gelungen ist, die besondere Ausstrahlung des Unvergleichlichen wiederzugeben und wie berührend es ist, wenn seine Weggefährten, auch die Gegner, über ihn sprechen.
Beim Sprechen über ihn, kommt Vielerlei zusammen. Da gibt es die alten Aufnahmen, noch in Schwarzweiß und zu Qualtingers Lebzeiten, wo ein so junger – und auch intellektuell gut aussehender – Kabarettist wie Georg Kreisler wahre Worte äußert, in denen man sowohl seine Bewunderung wie auch den leisen negierenden Schauer ob Qualtingers Wesen „unberechenbar, unpräzise“ heraushörte, was Mitstreiter Gerhard Bronner für den Bühnenmenschen Qualtinger in „präzise“ als höchstes Lob qualifiziert. Da gibt es dann aber auch aus den späteren Jahren, eben zur Erstellung des Films, die immer wieder interessanten Aussagen seines Sohnes Christian aus erster Ehe, die Interviewfetzen seiner Mutter Leomare Seidler und die warmherzigen Äußerungen seiner zweiten Frau Vera Borek, die herzlichen Erinnerungen der Kollegin – mehr war nicht – Ernie Mangold und so vieler anderer.
Das alles macht dieses Fernsehporträt rund und zu einer gültigen Aussage über die Zeit, wie nach dem Krieg im vier-Mächte-geteiltenWien das Widerständige sich im Kabarett Luft verschaffte, was nach der Staatsgründung als neutraler Staat am 15.5.1955 erst so richtig weiterging, mit der Aufarbeitung der Gegenwart genauso beschäftigt, wie mit der „Opferrolle“ Österreichs unter den Nazis. Die Nazis sind überall, ist eh einer der Grundaussagen, die in keiner so allüberall verkörpert ist wie in Herrn Karl, seiner - wie wir dachten – genialen Erfindung des resistenten kleinbürgerlichen Kotzbrockens, der den Leuten aufs Maul schaut und auch so redet.
Der Herr Karl war aber dann die Krönung seiner Karriere, die mit vielen Rollen, auch in Filmen begann. Und darin liegt vielleicht die größte Begabung des Helmut Qualtinger, jeden Menschen verkörpern zu können. Das hat er wirklich in einem Interview gesagt: „Hätte ich eine Visitenkarte, was ich aber nicht habe, würde ich mich als Menschendarsteller vorstellen“. Darum haben wir uns seine in Wien erhältlichen Filme noch einmal angeschaut und dazu einen eigenen Artikel verfaßt. Aber in Hellers Film gab es viele Szenen aus dem Kabarettgeschehen und von Hellers Krankenbett, die ebenfalls deutlich machen, dieser dann doch sehr dicke und nicht mehr schöne Qualtinger – Sohn Christian im Film: „Er wollte nicht ganz schiach sein und blad, sondern ein gutaussehender junger Mann. Das ist ihm nicht gelungen. Aber schöne Frauen hat er schon hie und da derrennt.“ – daß dieser bärtige Herr das süßeste kleine Maderl hat sein können, mit einer Puppenstimme und verführerisch dazu.
Geradezu inniglich beschreibt Heller Qualtingers Schauspielvermögen, wenn dieser ihn, den armen kranken jungen Mann im Spital, täglich besuchte und Marcel Proust vorlas und dann fragte: „Von wem möchtest Du besucht werden?“, die Antwort abwartete, das Zimmer verließ und als derjenige wieder hereinkam. Bis auf das I-Tüpfelchen war er dann die Person, staunt Heller noch heute. Wir können das nachverfolgen, wenn eine Szene Annie Rosar zeigt, die ein großer Star in Österreich war, aber hier doch von Qualtinger im Kabarett dargestellt wird und zwar so in der Stimmlage und dem Gehabe, daß man es kaum glauben mag.
Seine Lieder, seine Sprüche über die gemeingefährlichen Leute, die er so gut imitieren konnte, die sind eine Klasse für sich. Seine Gesellschaftskritik ist nie eine von oben aufgesetzte, immer eine von unten sich entwickelnde, weil eine Gesellschaft immer aus den Menschen besteht, die sich so oder so verhalten können. Ihnen den Spiegel vorzuhalten, bei dem er sich nie ausnahm, nie besserwisserisch, sondern analytisch knallhart agierend, bleibt sein größtes Verdienst. Aber wir mögen ihn in jeder Rolle, denn dieser große schwere Mensch hatte etwas unbedingt Anrührendes, das direkt wirkt. Und von wegen depressiv. Überhaupt nicht. Melancholisch war seine Grundstimmung und die muß jeder haben, der mit Sinn und Verstand durch unsere Zeiten geht und diese reflektiert. Öffentlich reflektiert dazu.
André Heller äußert im Vorspann zu seiner 90minütigen Qualtingerei. „Er war viele Jahre mein verläßlichster Freund, aber, wie ich glaube, allzu selten sein eigener.“ Dies ist auch so eine Wahrheit, die der Film nicht verschweigt, wenn er vom Alkoholkonsum, der Arbeitssucht, den Streitereien und anderem berichtet, die dazu führten, daß Helmut Qualtinger nur 57 Jahre wurde. Die aber hatten es in sich. „In Wien mußt Du erst sterben, damit sie Dich hochleben lassen. Aber dann lebst Du lang.“ Wenigstens das.