Kirsten Liese
Berlin (Weltexpresso) – Der Auftragsmörder wird in wenigen Minuten mit fünf Gangstern fertig. Er schlitzt ihre Kehlen auf, durchrammt ihre Brustkörbe, lässt das Blut aus den Körpern spritzen.
Es folgen noch weitere solche brachialen Gewaltexzesse à la Tarantino, aber dann ändert sich die Tonart unverhofft, und der beinharte Thriller weicht einem Sozialdrama.
Der japanische Regisseur Sabu („Happiness“, „Miss Zombie“), mit bürgerlichem Namen Hiroyuki Tanaka, hat schon in früheren Werken gerne stilisierte Actionszenen mit kontemplativen Stimmungsbildern und Slapstickeinlagen verbunden, und das gelingt auch in seinem jüngsten Werk erstaunlich gut.
Über einen Zufall findet Mr. Long, den der bekannte Taiwanese Chen Chang als einen schweigsamen, introvertierten Einzelgänger verkörpert, seine tief vergrabenen Gefühle wieder. Ein missglückter Job in Tokio zwingt ihn zur Flucht, sie führt aus der glamourösen Welt der asiatischen Megacitys in eine Siedlung der Armen und Obdachlosen.
Dort ist ein kleiner Junge rettend zur Stelle, er päppelt den Fremden auf. Hilfe braucht aber auch Lily, die Mutter des Jungen. Zugedröhnt mit Drogen lehnt sie wie ein Wrack an einer Wand, um sie herum nur Chaos.
Long weiß, was zu tun ist, nötigt die Frau unter Zähneklappern zu einem kalten Entzug, bringt Ordnung in die Bude, kümmert sich wie ein Vater um den Buben und entdeckt seine Kochkünste. Seine köstliche Rindernudelsuppe ist schon bald nicht nur bei den Nachbarn, sondern auch bei einer Kabuki-Theatergruppe begehrt, ein lukratives Geschäft lässt sich damit betreiben. Fast scheint es, als könnte sich zwischen Long, Lily und dem Jungen so etwas wie ein harmonisches Familienleben anbahnen, aber da ist die unbeschwerte Zeit auch schon wieder vorbei.
Sabu entwickelt diese Beziehungsgeschichte mit viel Zärtlichkeit für seine Figuren. Er kommt dabei mit äußerst sparsamen Dialogen aus, die subtilen Blicke und Gesten seiner Protagonisten sagen schon alles. In tiefe Schmerzregionen dringt „Mr. Long“ vor, wenn Lilys tragische Geschichte in einer langen Rückblende nachgereicht wird. Fast schon ein Film für sich ist dieses Porträt einer mutigen, gebrochenen Frau, deren Laufbahn einst als Nachtclubtänzerin begann. Perfider Weise erfährt sie immer wieder Rückschläge, wenn das Glück gerade zum Greifen nahe scheint.
Bei alledem kommt die Filmkunst nicht zu kurz: In perfekten Cinemascope-Bildern spiegeln sich die drastischen Kontraste zwischen den asiatischen Metropolen mit ihren imposanten Einkaufspassagen, Tempeln und schillernder Leuchtreklame und dem trostlosen grauen Armenviertel.
Fazit: Ebenso spannungsreiches wie berührendes Gangsterdrama um die Mutation eines Auftragskillers zum Suppenkoch.
Foto: © Verleih
Info: Der Film lief auf der diesjährigen Berlinale im Wettbewerb. Hier unsere damalige Filmbesprechungen:
Info: Der Film lief auf der diesjährigen Berlinale im Wettbewerb. Hier unsere damalige Filmbesprechungen: