f theartistImpressionen vom 65. Filmfestival San Sebastián, Teil 1/3

Kirsten Liese

San Sebastián (Weltexpresso) - Es erscheint keineswegs selbstverständlich, dass sich in einem so schönen Ort wie San Sebastián mit seinen herrlichen Buchten und Stränden bei bestem Wetter endlos lange Menschenschlangen vor den Kinos bilden.

Der große Zuspruch resultiert aus dem hohen Anspruch eines Festivals, das in seinem 65. Jahrgang alle Sorgen um die Zukunft des Spielfilms zerstreut hat, die sich nach den diesjährigen ernüchternd schwachen Wettbewerben in Berlin und Locarno breit gemacht hatten. Das spanische Auswahlgremium hat offenbar schlichtweg ein besseres Gespür für gute, packende, bewegende, subtile, poetische oder auch verstörende Geschichten.

So kommt es in San Sebastián auch seltener vor, dass Zuschauer vor Filmende aus dem Kino flüchten, allenfalls dann, wenn es unerträglich hart zur Sache geht wie im Zuge sadistischer Exzesse eines Perversen in dem griechischen Thriller Love me not, oder wenn sich schwer verdauliche Schicksale abzeichnen wie in dem spanischen Film Morir, der den Sterbensweg eines schwerkranken Mannes nachzeichnet.

Dank des hohen Aufgebots an großer Filmkunst empfiehlt sich San Sebastián nach Cannes an zweiter Stelle der wichtigsten europäischen Festivals neben Venedig, auch wenn es hier - mit Rücksicht auf das sich in der Sprache ausdrückende, gesunde nationale Selbstwertgefühl - weniger international zugeht. Denn keineswegs alle nicht-englischsprachigen Produktionen sind in sämtlichen Vorstellungen mit englischen Untertiteln zu sehen. Oftmals gibt es nur spanische oder baskische. Wer auf diese Sprachen nicht geschult ist, muss die Tabelle mit den Fassungen schon genau studieren.

Aber zurück zu den Filmen: Angesichts der starken Konkurrenz dürfte es die Jury unter dem Vorsitz von John Malkovich bei ihrer Entscheidung nicht leicht gehabt haben. Potenzielle Anwärter für den Gewinner der Goldenen Muschel gab es einige. Ihre Wahl fiel auf eine Komödie, die sich mit satirischem Witz als gute Unterhaltung empfiehlt, zugleich aber auch, so wie sie gelegentlich in Klamauk abdriftet, etwas oberflächlich anmutet: The Disaster Artist, eine Hommage an den „Citizen Kane der schlechtesten Filme“. Bei dem „desaströsen Künstler“, den Regisseur James Franco als sein eigener Hauptdarsteller bisweilen am Rande einer Karikatur verkörpert, handelt es sich um Tommy Wiseau, einen real existierenden US-Regisseur, der 2003 das wirre Beziehungsdrama The Room drehte, trotz miserabler Schauspieler und haarsträubender Dialoge avancierte es zum Kultfilm. Erstmals wurde damit in San Sebastián ein Werk mit dem Hauptpreis ausgezeichnet, das sich an ein großes Publikum richtet. Es hatte zur Premiere seine Begeisterung stark zum Ausdruck gebracht.

FORTSETZUNG FOLGT

Foto: James Franco, Regisseur und Hauptdarsteller © rottentomatoes.com

Info:
https://www.sansebastianfestival.com