Impressionen vom 65. Filmfestival San Sebastián, Teil 3/3
Kirsten Liese
San Sebastián (Weltexpresso) - Noch grotesker geht es freilich in dem schwarz-weißen Wettbewerbsbeitrag Der Hauptmann des deutschen Regisseurs Robert Schwentke zu, den die Jury leider „nur“ mit dem Preis für die beste Kamera an Florian Ballhaus, Sohn des bedeutenden, im April verstorbenen Kameramanns Michael Ballhaus, honorierte.
Max Hubacher spielt in dieser Köpenickiade, die auf wahren Begebenheiten basiert, einen Deserteur, aus dem die gestohlene Uniform eines Hauptmanns, die ihm das Leben rettet, einen anderen Menschen macht. Denn schnell findet er Gefallen an seiner neuen Rolle, schart weitere Soldaten einer versprengten Truppe um sich und begeht im Auftrag von „ganz oben“ schlimmere Kriegsverbrechen als all jene, die auf der Suche nach weiteren Deserteuren mit ihnen kurzen Prozess machen. Die brillante Parabel über die Folgen einer entfesselten Diktatur wird getragen von einem trefflichen Ensemble, zu dem Milan Peschel, Alexander Fehling oder Frederik Lau zählen, die aus kleinsten Nebenrollen ganz große machen.
Zu den Höhepunkten im Wettbewerb, nur leider von der Jury gänzlich unbeachtet, gehört schließlich auch das jüngste, meisterhaft inszenierte Werk der österreichischen Regisseurin Barbara Albert. Licht ist das Porträt der blinden Wunderpianistin Maria Theresia Paradis, die es ebenfalls tatsächlich gegeben hat. Die 1759 in Wien geborene Tochter eines Hofbeamten verlor im Alter von drei Jahren über Nacht ihr Augenlicht, beeindruckte aber das adlige Publikum mit ihren virtuosen Interpretationen der Klaviermusik ihrer Zeitgenossen. Im Umfeld einer mitleidslosen verknöcherten Rokoko-Gesellschaft schildert Albert die geheimnisvoll-mystische Leidensgeschichte der Musikerin, die nach einem Martyrium vieler gescheiterter Behandlungen an einen vermeintlichen Wunderdoktor gerät. Tatsächlich scheint es dieser Mann (Devid Striesow), sei er nun ein Heiler oder ein Scharlatan, zu bewirken, dass die junge Frau eines Tages wieder sehen kann. Aber so wie sie zeitgleich nicht mehr so gut spielt, gerät das Mädchen fatal zwischen die Fronten zwischen ihm und ihren Eltern, die um ihre Einnahmen fürchten und die Therapie beenden wollen.
Das alles schildert Albert mit subtiler Psychologie und Szenen von erschütternder Grausamkeit. Behinderte ohne ein begnadetes Talent, von ihrer Umgebung als Idioten oder Bekloppte diffamiert, hatten jedenfalls damals wenig zu lachen. Und damit empfiehlt sich Licht auch als ein erschreckend zeitloser Film über gesellschaftliche Ausgrenzung.
Foto: © die presse.com
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