Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 26. Oktober 2017, Teil 5
Margarete Frühling
München (Weltexpresso) - Nova Scotia in den späten 1930er Jahren: Maud Dowley (Sally Hawkins) ist Mitte 30 und wird von ihrem Bruder zu ihrer Tante Ida (Gabrielle Rose) abgeschoben, denn Maudie hat seit ihrer Jugend Arthritis, sie bewegt sich seltsam und ist auch mit ihren Händen nicht allzu geschickt.
Der mürrische Everett Lewis (Ethan Hawke) lebt allein als Fischverkäufer im gleichen Ort. Der Analphabet lässt im örtlichen Kaufladen einen Zettel aufhängen, in dem er nach einer Haushälterin sucht. Da Maud sich bei ihrer Tante unwohl fühlt, nimmt sie die Anzeige des Fischhändlers an sich und sorgt dadurch dafür, dass sie die einzige Interessentin ist und Everett sie anstellt.
Die beiden Außenseiter leben zusammen in Everetts winziger Kate, die nur zwei Räume, keine Elektrizität und kein fließendes Wasser hat. Everett, der als Waise aufgewachsen ist, ist herrisch und versucht immer wieder Maud loszuwerden, vor allem da sich zeigt, dass sie eigentlich als Haushälterin ziemlich unfähig ist. Als sie in einer Ecke einen Topf mit blauer Farbe findet, beginnt sie ein altes Hobby wieder aufzunehmen: Sie malt. Von ihrem ersten Gehalt kauft sie weitere Farben und beginnt nach und nach das Haus mit farbenfrohen naiven Bildern zu verzieren. Auch bemalt sie jedes Stück Papier, das sie findet.
Als die New Yorkerin Sandra (Kari Matchett) Maudies kleinformatige Bilder sieht, kauft sie ihr einige Karten ab. Es zeigt sich, dass sich ihre mit Ölfarben gemalten Postkarten auch im örtlichen Dorfladen gut verkaufen lassen.
Trotz persönlicher Probleme kommen sich die beiden langsam näher und Everett ist schließlich bereit, Maud zu heiraten. Durch den Erfolg ihrer Bilder ändert sich auch langsam das Verhältnis der Ehepartner zueinander: Maud malt die Bilder und Everett kümmert sich ums Haus.
Durch Artikel in Zeitungen und Berichte im Fernsehen werden die Bilder von Maud Lewis auch überregional bekannt. Doch ihre fortschreitende Arthritis beginnt zunehmend ihrem Leben einzuschränken. Es fällt Maud immer schwerer noch zu malen...
Hintergrund des Films ist das Leben der kanadischen Volksmalerin Maud Lewis (1903 - 1970). Sie litt seit ihrer Kindheit an Arthritis, die zu Behinderungen an Armen und Beinen führte. 1938 heiratete sie den Hausierer und Fischhändler Everett Lewis und verkaufte schon bald für wenig Geld ihre postkartengroßen Bilder an die Kunden ihres Mannes.
Ihre Bilder zeigen meist Szenen außerhalb des Hauses mit Menschen und Tieren wie Pferden, Katzen oder Vögeln. Maud Lewis malte die von ihr benutzten Ölfarben ungemischt auf Papier, Holzbretter oder auch auf Backbleche. Dadurch wirken die meist kleinformatigen Bilder leuchtend und die Flächen sind klar voneinander abgegrenzt. Maud selbst verlangte am Anfang weniger als einen Dollar pro Bild, später etwa zehn Dollar pro Gemälde. Heute erzielen ihre Bilder bis zu 45.000 Dollar.
Regisseurin dieser Biografie ist die Irin Aisling Walsh nach einen Drehbuch der kanadischen Autorin und Schauspielerin Sherry White. Entstanden ist eine gefühlvoll erzählte Geschichte eines harten Lebens, die vor allem die erwachsenden Jahre von Maud Lewis zeigt und dabei den Schwerpunkt auf das Zusammenleben von ihr und Everett setzt. Leider macht der Film nie deutlich, wieviel Zeit zwischen den einzelnen Szenen eigentlich vergangen ist, und ab wann ihre Bilder auch überregional wahrgenommen wurden, denn immerhin liegen mehr als 32 Jahre zwischen Mauds Heirat in Januar 1938 und ihrem Tod in Juli 1970.
Herausragend ist Sally Hawkins als die rheumakranke Maud Lewis. Sie nimmt während des gesamten Films eine vollkommen ungesunde Körperhaltung und einen hinkenden Gang ein. Allerdings zeigt sie auch, dass sich dahinter ein beobachtender Mensch befindet, der sich ganz langsam seine Freiheiten erkämpft.
Ethan Hawke spielt Everett Lewis als arroganten, sturen und einfach gestrickten Kerl, der Analphabet ist und der durch seine Art im Dorf als Einzelgänger gilt, und der zu Beginn ihrer Beziehung meint, deutlich machen zu müssen, dass er der Herr im Haus ist, und der bei einer Gelegenheit Maud sogar schlägt. Beide Darsteller zeigen aber auch, wie sich ihr Verhältnis durch Mauds Erfolge als Malerin langsam verändert. Sie malt jetzt die Bilder, die beide verkaufen, und Everett kümmert sich um den Haushalt. Manchmal kommt noch ein Grummeln hoch - z.B. wenn Maud eine Fliegentür vor ihrem Eingang haben will und Everett sich erst mal weigert, sie dann aber doch anbringt.
Kameramann Guy Godfree fängt dazu passend wunderbare in sanftes Licht getauchte Bilder ein. Allerdings wird auch deutlich, wie ärmlich die Hütte ist, in der die beiden leben, auch wenn Maud im Laufe der Zeit das Haus mit farbenfrohen, beinahe kindlich anmutenden Bildern mit Vögeln, Haustieren und Blumen bunt ausmalt.
Insgesamt ist "Maudie" sowohl eine Liebesgeschichte zweier sehr verschiedener Menschen als auch die Biografie einer Volks-Künstlerin, die durch ihre Malerei ihre körperliche Behinderung überwinden konnte. Der Film lebt vor allem von den großartigen Darstellungen der beiden Hauptdarsteller Sally Hawkins und Ethan Hawke. Der Film berührt und ist deshalb unbedingt sehenswert.
Zusatz: Während des Abspanns werden historische schwarz/weiß Filmaufnahmen von Maud und Everett Lewis und ihrem Häuschen gezeigt.
Fotos:
1. Everett Lewis (Ethan Hawke) und Maud Lewis (Sally Hawkins) © NFP marketing & distribution
2. “Cape Islander Cove” von Maud Lewis © The Art Gallery of Nova Scotia.
Info:
Maudie (Irland, Kanada 2016)
Originaltitel: Maudie
Genre: Drama, Biografie
Filmlänge: 116 Min.
Regie: Aisling Walsh
Drehbuch: Sherry White
Darsteller: Sally Hawkins, Ethan Hawke, Kari Matchett, Gabrielle Rose u.a.
Verleih: NFP marketing & distribution
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 26.10.2017