f djangoreinSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 26. Oktober 2017, Teil 8

Claire Vassé

Paris (Weltexpresso) - Der Charakter der Mutter ist sehr schillernd ...

Djangos Mutter, Negros, war eine unglaublich kleine Frau. Ihr Mann war fort und es war hart für sie, als Musikerin und Tänzerin die Kinder allein großzuziehen. Sie war die erste, die von Djangos Genie überzeugt war. Das zahlte sich aus, denn bereits als Teenager konnte Django durch sein Talent die Familie finanziell unterstützen. Djangos Mutter wird von Bimbam Merstein gespielt, eine Sinti, die zwar eine kleine Rolle in Tony Gatlifs SWING gespielt hat, aber eigentlich keine Schauspielerin ist. Bimbam ist auch Musikerin und Tänzerin, sie hat also genau das gleiche Profil wie Djangos Mutter. Wir hatten wirklich Glück mit ihr. Es war eine große Freude, solch ein außergewöhnliches Temperament, solch eine Persönlichkeit zu filmen. Denn auch sie hat sehr viel durchgemacht in ihrem Leben.


Wie haben Sie sie und die anderen Darsteller der SintiGemeinschaft gefunden?

Es war mir wichtig, die Sinti im Film mit Darstellern zu besetzen, die tatsächlich aus dieser Gemeinschaft kommen. Gemeinsam mit unserem Casting Director Stéphane Batut haben wir unter sesshaften Manouches in der Gegend von Forbach gesucht. Das sind fast alles Musiker. Sie gehören zu den letzten, die Manouche sprechen, einen Mix aus Romani und Deutsch. Auch Reda hat ihn gelernt. Als wir gefilmt haben, war es mir wichtig, die Folklore, die Sinti in Filmen verfolgt, weitestgehend zu vermeiden. Ich wollte sie anders zeigen – würdevoll, elegant, einfach wie sie sind.


Und Bea Paly, die Djangos Frau spielt?

Bea Palya ist eine Sängerin ungarischer Abstammung. Sie ist auch keine Schauspielerin. In ihrer Statur erinnerte sie mich sehr an Djangos Frau, Naguine. Für die Musiker von Djangos Band, dem Hot Club de France, habe ich mich ebenfalls für echte Musiker anstelle von Schauspielern entschieden. Um ihn noch mehr zu motivieren, sollte Reda von Profis umringt sein, die nicht nur vorgeben zu spielen. Es macht alles wahrhaftiger.


Und die Entscheidung für Cécile de France, die Djangos Geliebte Louise spielt?

Ich hatte diverse Schauspielerinnen im Kopf, aber dann organisierte ich ein Treffen zwischen Cécile und Reda. Ich wollte sehen, ob sie als Paar funktionieren. Als ich sie zusammen sah, war die Sache klar. Sie waren einfach perfekt. Ich wollte ein richtiges Filmpaar haben. Django ist gern ins Kino gegangen, in die großen Lichtspielpaläste um Pigalle herum. Er war ein Fan von Errol Flynn, Edward G. Robinson und Clark Gable. Seine Leidenschaft für schicke Klamotten, edle Anzüge usw. rührt aus seiner Faszination für das Kino der 1930er. Ich habe mir gedacht, dass es Spaß machen würde, ein klassisches, glamouröses Hollywood-Paar auferstehen zu lassen.

Cécile hat mich mit ihrem präzisen Spiel einfach umgehauen, mit der Frische, die sie Worten verlieh, die auf dem Papier steif gewirkt hatten. Bei ihr bestand unsere Arbeit vor allem darin, ihre natürliche Unbekümmertheit einzuschränken und die etwas düsteren Facetten ihrer Persönlichkeit herauszuarbeiten. Wir wollten eine mystische Atmosphäre erschaffen, so wie bei den tragischen Liebenden im Film Noir.


Louise ist auch eine sehr emanzipierte Frau ...

Ich liebe freie Frauen, die man nie an sich binden kann. Django hatte viele Bewunderinnen und Affären. Er war ein Frauenheld. Es gab einige Leute, die ihm geholfen haben, in die Schweiz zu fliehen, aber wir konnten keine Hinweise auf eine Person wie Louise in Djangos Leben finden. Sie ist eine fiktionale Figur und eine der wenigen Dinge, die aus Alexis Salatkos Buch geblieben sind. Als wir das Drehbuch geschrieben und ihren Charakter ausformuliert haben, habe ich viel an Lee Miller gedacht. Sie war Man Rays Muse, ein It-Girl im Paris der 1930er, unabhängig, eine Vorkämpferin des Feminismus und nie da zu finden, wo man sie erwartet hätte.


Welchen Look haben Sie sich für den Film gewünscht?

Ich wollte einen Look, der ein hohes Level an dokumentarischer Realität mit einer bestimmten Art der Stilisierung kombiniert. Ich habe Christophe Beaucarne, dem Kameramann, einen Stapel Fotos aus der Zeit gegeben. Fotos von Konzerten, Sinti-Camps, Gesichtern und so weiter. Wir haben viel Zeit damit verbracht, jede einzelne musikalische Szene so zu gestalten, dass sie voller Gefühl war, aber immer der Aussage verpflichtet blieb. Es gibt viel Bewegung während des ersten Konzerts, sodass man sich auf der Bühne ständig von Musikern umringt fühlt. Andere Momente wiederum sind statisch und nüchtern, wie die in der Villa Amphion. Eins unserer Prinzipien was Licht und Farbe betraf war den Kontrast der Naturelemente zu betonen, die in SintiGemeinschaften und in Djangos Leben sehr präsent sind. Das ist zum ersten natürlich das Feuer, daher überwiegen in den Pariser Einstellungen die Farben Rot, Ocker, Schwarz und Gelb. Im Gegensatz dazu dominiert in Thonon-les-Bains Wasser als Element des Lebens. Django liebte es, fischen zu gehen, wenn er mit den Nerven am Ende war und sich beruhigen wollte. Im zweiten Teil des Films kehrt er zum Ursprung zurück, der Raum öffnet sich, es dominieren blau, grün, grau und weiß. Das war natürlich kein in Stein gemeißeltes Prinzip, aber wir haben versucht, uns an solchen Kontrasten zu orientieren.


Wie sind Sie die historischen Szenen angegangen?

Die Zeit von 1939 bis 1945 ist schon oft dargestellt worden – sowohl in großen Meisterwerken als auch in sehr schlechten Filmen. Die Leute haben eine Menge vorgefertigter Erwartungen und all diese Bilder sind schon abgenutzt. Ich wollte, dass die Zuschauer die Zeit als selbstverständlich hinnehmen und sie schnell vergessen, um sich stattdessen auf die Figuren und ihre Gefühle zu konzentrieren. Dafür war es erforderlich, dass wir mit Set Designer Olivier Radot und Kostümdesignerin Pascaline Chavanne für jeden einzelnen Drehtag genau die künstlerische Umsetzung durchsprachen. Was betonen wir im Bild, bei den Kostümen, am Set? Und noch wichtiger: Was lassen wir raus, damit es so zeitlos wie möglich erscheint? Die gleichen Fragen tauchten dann während des Schnitts mit Monica Colemann auf. Es gibt zum Beispiel nur zwei Hakenkreuze im Film, ein großes auf einer Fahne und noch eins auf der Medaille eines Nazi-Offiziers.


Die Ähnlichkeiten zur politischen Situation heute sind zahlreich ...

Das war nicht der Grund, weshalb ich diese besondere Zeitspanne gewählt habe. Aber es stimmt. Beim Schreiben und der Vorbereitung fiel mir auf, wie viel von der heutigen Zeit darin mitschwingt: politische Statements von Künstlern; das gefährliche Thema nationaler Identität; heimatlose Flüchtlinge, die nirgends hinkönnen; illegale Migranten, die festgenommen werden – man könnte DJANGO – EIN LEBEN FÜR DIE MUSIK fast als einen aktuellen Film begreifen. In dem erst kürzlich abgerissenen „Dschungel von Calais“ haben Musiker ein Album mit Flüchtlingen aufgenommen, damit sich diese über Musik ausdrücken konnten. Musik hatte schon immer eine wichtige Funktion für Sinti und Roma, viele von ihnen sind geborene Künstler. Und selbst wenn sie verfolgt wurden oder schwierige Zeiten durchmachten: Musik hat ihnen immer ein Gefühl von Freiheit gegeben.


Freiheit, die die deutschen Machthaber in Ihrem Film zu begrenzen versuchen, indem sie den Menschen zum Beispiel verbieten, bei Konzerten zu tanzen.

Jazz und Swing hatten einen ambivalenten Status im Zweiten Weltkrieg. Es war die populäre, avantgardistische Musik dieser Zeit, ähnlich wie Rock in den 1960ern oder Techno heute. Deutsche Soldaten mochten es sehr, was den deutschen Behörden und dem Vichy-Regime peinlich war, denn für sie war Jazz entartete Musik. Sie konnten ihn weder verbieten noch vollständig genehmigen. Das war der Grund für diese haarsträubenden Regeln, die im totalen Gegensatz zum freien Geist des Jazz stehen.

Ich weiß nicht, ob sich die deutschen Besatzer tatsächlich so ernsthaft mit Django auseinandergesetzt haben, aber ein Fakt ist, dass Musik ein politisches Thema geworden war. Bis heute greifen totalitäre Regierungen und terroristische Fanatiker Musik als Symbol der Freiheit und als Schmelztiegel der Kulturen an.


Das Konzert in der Villa Amphion gleicht den Prolog aus: Die Musik blendet den Feind ...

Django hat an diesem Galaabend in der Villa Amphion tatsächlich für die Deutschen gespielt. Er hat 1947 sogar ein Stück geschrieben, Folie à Amphion, das beweist, wie sehr ihn dieser Vorfall geprägt hat. Für den Rest habe ich Fakten und Fiktion vermischt. Plötzlich kommt alles zusammen: Musik, Emotionen, Djangos Erkenntnisse ... Es wird kein einziges Wort gesprochen. Alles, was wichtig ist, kann man in den Augen der Figuren ablesen und die Musik wird zu einem Akt des Widerstandes.


Die Präsenz von Djangos Affen zieht sich durch den ganzen Film.

Django hatten einen Affen namens Joko. Wir haben seine Existenz ein wenig fiktionalisiert, um ihm einen symbolischen Charakter zu verleihen. Er war so vernarrt in diesen Affen und seine Glöckchen, dass er ihm eine Gitarre gab. Er war so ein Art Double. Es ist völlig absurd, aber erst als der Affe misshandelt wird, erkennt Django, wie dringend er handeln muss. Seinen Affen zu töten, kommt der Zerstörung seiner Seele gleich. Sinti haben indische Wurzeln und in Indien haben Affen eine wichtige Bedeutung, vor allem die beschützende Gottheit Hanuman. Für die Nazis war der Affe genau das Gegenteil. Sie hatten eine Aversion gegen dieses Tier, das für sie Abartigkeit symbolisierte. Es ist immer spannend, Geschichte und menschliche Schicksale zu kombinieren.


DJANGO – EIN LEBEN FÜR DIE MUSIK erzählt die Geschichte eines Mannes, der seine Blindheit überwindet, aber es lässt uns auch in die Gedankenwelt eines Künstlers eintauchen, besonders in der zweiten Hälfte, als er das Requiem verfasst ...

Das Vichy-Regime untersagte 1941 Pilgerreisen nach Saintes Maries de la Mer, sehr zum Leidwesen der Sinti. Für Django schien es nicht normal, dass seine Gemeinde nicht ihre eigene, von einem Sinti-Komponisten geschriebene Musik haben sollte. Was er am Ende des Krieges erlebt hatte, inspirierte ihn zur Komposition dieses Requiems. Django hat sich selbst nie als reinen Unterhaltungsmusiker gesehen. Er hat mehrere Versuche gestartet, Symphonien zu komponieren. Er war ein großer Bewunderer von Bach, Debussy, Bartók ... Er blieb in Bezug auf die musikalische Avantgarde immer auf dem Laufenden und war auch ein großer Liebhaber einiger Stücke sakraler Musik. Diese verschiedenen Einflüsse werden bei der Komposition des Requiems deutlich.

Für den Film war die Frage wichtig, wann die Musik zu hören sein sollte. Sie sollte nicht einfach nur illustrativ wirken, sondern intim und emotional bleiben. Im Gegensatz zu Musikern und Künstlern, die nicht politisch sind, ist Djangos wachsende Erkenntnis in der Transformation seiner Musik bei der Komposition seines Requiems zu erkennen, das ich mir wie eine Art Schuldenbegleichung vorstelle. Die Schwächen seines Charakters haben mich tief berührt. Django war kein Held. Er hat getan, was er konnte, mit dem, was er hatte.


Der Film endet mit einer Konzertaufführung des Requiems am Institut National des Jeunes Aveugles in Paris, wo es nur ein einziges Mal aufgeführt wurde – zur Befreiung Frankreichs.

Für mich war das Konzert am Ende der Höhepunkt des Films. Es ist das einzige Mal, dass Django nicht selbst spielt. Er lauscht seiner eigenen Musik. Er ist nicht in der Lage, selbst zu dirigieren. Er ist zu aufgewühlt. Er schließt die Augen und öffnet sie wieder, hellwach – eine Erinnerung an seine Blindheit, die er überwunden hat.


Am Schluss erfahren wir, dass die Musik des Requiems verloren gegangen ist.

Ja, alles was noch übrig war, ist der Anfang des Stücks. Daher habe ich den Komponisten Warren Ellis – mit der Genehmigung von Djangos Enkel David Reinhardt – gebeten, sich den Rest des Requiems auf Grundlage dieser ersten Töne vorzustellen. Reda hatte mich mit Warren Ellis bekanntgemacht. Er kommt aus der Welt des Rock, Nick Cave ist sein Kumpel. Er hat sofort die Idee und Herausforderung des Projektes verstanden. Die einzige Einschränkung, die ich ihm auferlegt hatte, war, dass die Musik für Orgel, Gesang und Streicher sein sollte, denn Django hatte sie offenbar für diese Instrumente komponiert. Django hat ohne Zweifel eine weniger harmonische, atonale Musik geschrieben, nicht so lyrisch und organisiert. Am Ende haben seine wenigen Noten einen anderen Musiker inspiriert.


Und die Fotos am Ende des Films?

Das sind Fotos französischer Sinti und Roma, die Opfer des Vichy-Regimes und der Wehrmacht wurden. Wir haben sie im Archiv des französischen Départments Bouches-du-Rhône gefunden. Das war unsere Art eines Gedenkens an diejenige, denen Django sein Requiem gewidmet hat – all seinen Brüdern und Schwestern, die während des Krieges verfolgt wurden. Es war außerdem ein Weg in die reale Welt zurückzukehren, ohne das traditionelle Archivmaterial zu benutzen. Die Namen, die auf den Fotos stehen, gehören zu den Familien, die während dieser Zeit gelebt haben.


Sie haben umfangreiche Erfahrungen als Produzent und Drehbuchautor, aber dies ist der erste Film, bei dem Sie auch Regisseur waren. Woher kam der Wunsch, Regie zu führen?

Ich habe schon seit Jahren mit dem Gedanken gespielt. Was mich mehr und mehr bei meiner Arbeit als Produzent und Drehbuchschreiber begeistert hat, war der kreative Schaffensprozess. Daher war es eine ganz natürliche und logische Entwicklung, die in meinem Fall nur etwas Zeit gebraucht hat. Ich musste einfach das richtige Projekt finden, um den Schritt zu wagen. Als ich anfing, DJANGO – EIN LEBEN FÜR DIE MUSIK zu schreiben, hat meine Liebe für dieses Thema den Wunsch erweckt, auch die Regie zu führen. Wichtig war mir, etwas Persönliches zu finden, das ich mit Django gemeinsam habe, um die Geschichte verstehen und richtig erzählen zu können. Ich bin kein Sinti, ich habe nicht während des Krieges gelebt, ich bin kein Gitarrist und ich bin kein Genie ... aber ich war tief berührt von dem Konflikt zwischen den Beschränkungen, die das Leben ihm auferlegt hatte, und seinen künstlerischen Ambitionen. Der Glaube an die Musik war eins der wenigen Dinge, an die er sich klammern konnte. Es war seine Kunst, die ihn weitermachen ließ, wenn er in den Abgrund blickte und um ihn herum Katastrophen passierten. Und es war auch die Liebe ...