Filmheft
Berlin (Weltexpresso) - Wie sind Sie zu dem Projekt gekommen?
Michael Lehmann: Ich war von der Geschichte begeistert, als ich das deutsche Hörbuch zum ersten Mal gehört habe. Über den Verlag sind wir mit einem französischen Produzenten zusammengekommen, dem wir die Kinorechte abgekauft haben. Von dort aus war es noch viel Arbeit, um eine deutsche Adaption zu entwickeln. Hier haben unsere Producerin Angelika Mönning und unser Autor Dirk Ahner eine besonders tolle Arbeit geleistet.
Wie entstand die Idee, „Simpel“ nach Deutschland zu verlegen?
Eine französische Komödie hat einen französischen Humor. Den hätte man nicht einfach nachbauen können, selbst wenn das unsere Absicht gewesen wäre. Aber Simpel ist eine universelle Geschichte, die genauso gut in einem deutschen Umfeld spielen kann. Mit dieser Überlegung ging die Entwicklungsarbeit los.
Was war der Schwerpunkt bei der Drehbuchentwicklung?
Um einen Kinofilm aus dem Stoff zu machen, mussten wir die Konzentration auf die beiden Hauptfiguren legen. Zuallererst ging es darum, die Figur Simpel greifbar zu machen, und dann – zunächst ganz sachte, im Lauf der Entwicklung aber immer mehr - auch Simpels Bruder, der bei uns Ben heißt.
Hat sich dadurch auch das Verhältnis der beiden Hauptfiguren zueinander
verändert?
Ich habe den größten Respekt für die Vorlage, die einfach ein wunderbares Buch ist; darin war Ben aber immer ein bisschen am Rand und Simpel ganz eindeutig der Mittelpunkt. Wir machen einen Film über ein ungleiches, aber gleichwertiges Brüderpaar.
Auf der Suche nach dem Charakter Ben haben wir festgestellt, dass er Simpel mehr braucht als umgekehrt: Ben muss lernen, seinen eigenen Weg zu gehen, den Simpel am Schluss ganz eigenständig findet.
Wie kam die Besetzung der Rollen zustande?
Bei David Kross war es ganz stark das Casting, das den Ausschlag gegeben hat. Das war vor über mehr als einem Jahr, und seitdem gehen wir auch gedanklich mit ihm in die Szenen rein. Frederick Lau ist relativ spät dazu gestoßen. Er ist ein guter Freund, mit dem wir bei Letterbox schon „Neue Vahr Süd“ gedreht und dafür den Deutschen Comedypreis gewonnen haben. Es hat mich wahnsinnig für Frederick Lau gefreut, dass er mit „Victoria“ so einen Erfolg im Kino hatte; und das war natürlich hilfreich bei der Besetzung. Aber wir suchen unsere Darsteller nicht nach Filmpreisen aus, sondern wählen die, die emotional am besten zur Rolle passen.
Wie erleben Sie die Arbeit von Markus Goller als Regisseur?
In der Zusammenarbeit mit Markus Goller habe ich etwas gefunden, was mich wahnsinnig freut: Ich habe selten einen Regisseur erlebt, der so sehr nach dem Herz der Figuren sucht wie er. Diese Gabe, die ich bis jetzt in allen seinen Filmen gesehen habe, wird er sich hoffentlich in seiner Karriere immer bewahren können. Die Fähigkeit, den Figuren so auf den Grund zu gehen, kommt einem gerade im Bereich der Komödie und Tragikomödie zugute. Denn als Regisseur hat er die Verantwortung dafür, niemals seine Figuren zu verraten.
Lässt er den Darstellern Freiheiten?
Für Markus Goller ist es ganz wichtig, kreativen Freiraum zu spüren und den Freiraum über die sieben Wochen, die der Dreh dauert, zu teilen. Bei so vielen Unwägbarkeiten und Problemen, mit denen es ein Regisseur tagtäglich zu tun bekommt, braucht er ein sicheres Umfeld. Denn nur dann kann der Regisseur dieses Vertrauen auch an die Schauspieler weitergeben. Markus Goller weiß sehr genau, was er will, was er sucht, was er braucht. Und er ist auf wunderbare Weise in der Lage, das zu vermitteln. Und dass er seinen Darstellern Freiheiten lässt, führt dazu, dass er von ihnen vor der Kamera auch einmal ganz ungewöhnliche Angebote bekommt.
Wie kamen Sie auf Emilia Schüle, die Aria spielt, und wie würden Sie ihre Rolle beschreiben?
Wir sind unter anderem durch unseren Tatort „Wegwerfmädchen“ auf sie aufmerksam geworden. Sie passt wahnsinnig gut zu den beiden Jungs. In der Geschichte ist der Ausgangspunkt für Ben und Aria denkbar schlecht; sie glaubt, dass die beiden eine Masche haben - sie glaubt sie zu durchschauen. Beide, Simpel und Ben, sind auf der Suche nach Wärme, etwas, was Ben sich aber so gar nicht eingestehen kann. Wie sich nach und nach zeigt, ist aber auch Aria eine Suchende. Sie hat zwar nach außen hin eine harte Schale, eine Schutzschicht, aber eben auch einen weichen Kern, und das spielt Emilia Schüle, die ja auch sehr verletzlich wirken kann, phänomenal.
Auch Devid Striesow als Vater, Anneke Kim Sarnau als Julia, die Mutter derbeiden und Axel Stein als Enzo spielen wichtige Rollen - auf welchen Wegen sind sie zur Produktion gestoßen?
Es war relativ einfach, auf Devid Striesow als Besetzung der Rolle des Vaters zu kommen - da bedarf es gar nicht mehr als der Erklärung, dass er ein großartiger Schauspieler ist. Da gab es die Anfrage, seinerseits das Interesse, dann ein Treffen zwischen ihm und Markus Goller, und das war’s dann.
Auch Anneke Kim Sarnau ist jemand, die mit nur ganz wenig Screentime den dramatischen Kontext, in dem die Figuren stehen, klarmachen kann. Ihre Bedeutung für die Story fußt auf ein bis zwei Szenen - mit denen ist das dramatische Fundament gelegt. Und außerdem passt Anneke Kim Sarnau hinter den Deich wie die Faust aufs Auge.
Axel Stein hat eine ganz tolle Entwicklung gemacht. Er ist aus seinem frühen Rollenprofil ausgebrochen und kann eine Figur wie Enzo spielen, die für Simpel extrem wichtig ist. Bis dahin ist der Bruder alles, aber Enzo wird zu einem Freund, mit dem er auf der emotionalen Ebene auf Augenhöhe ist. Aber das Komödiantische spielt bei der Rolle auch mit; beim Casting mit Axel Stein sind wir hin und weg gewesen.
Wie wird die Postproduktion die Atmosphäre des Films noch verändern, beispielsweise durch die Musik?
Wir haben ein so starkes dramaturgisches Fundament – da ist man gar nicht so sehr auf dramatische Musik angewiesen. Unsere Komponisten Peter Horn und Andrej Melita haben großartige Arbeit geleistet und nahezu alle Songs des Films selbst komponiert und produziert. So konnten wir den Film auch aus musikalischer Hinsicht ganz rund bestücken.