f fikkeSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 16. November 2017, Teil 6

Filmheft

Berlin (Weltexpresso) – Wie kam es zu der Idee von FIKKEFUCHS?



Die ursprüngliche Idee kam von Wolfram Fleischhauer. Er wollte einen Film über Männer und Männlichkeit machen. Ich habe dann einen Vater-Sohn-Konflikt dazu erfunden. Das hatte für mich viel Potential, weil das gleich noch eine ganz spezielle Ebene mit sich bringt: denn eigentlich hat ein Vater seinen Sohn zu schützen, zu lieben und zu erziehen. Aber die Hauptfigur Rocky ist das Gegenteil von alldem. Aber gerade das ist wunderbar und für mich eine herrliche Spielwiese, ordentlich inkorrekt sein zu können, was ich persönlich sehr komisch finde. Es hat mich zusätzlich dazu gereizt, etwas über Sexualität von Männern zu erzählen - und zwar aus unserer Sicht. Ich glaube, da reden wir Männer ganz einfach nicht so gern drüber.


Ich stelle mir das Verfassen des Drehbuchs sehr lustig vor, wie haben Sie da gearbeitet und recherchiert?

Die Recherche hat mir tatsächlich wahnsinnigen Spaß gemacht. Wir waren in verschiedenen Clubs und in Etablissements, wo man schnell oder auch nicht so schnell Sex haben kann. Ich habe mich unter anderem auch mit einem echten Pick-Up-Artist getroffen und ausgiebig über sein "Handwerk" unterhalten. Geschrieben habe ich dann allein und Wolfram Fleischhauer war mein genialer Brainstorming-Partner. Das war für mich und den Film unglaublich wichtig. Er konnte mir immer genau sagen, was er gut und nicht gut fand. Wir haben uns hervorragend gestritten!


Wie viel Rocky steckt in Ihnen selbst, bzw. in jedem Mann?

Ich bin ja aufgrund meines Geschlechts auch „Shareholder“ an allen Problemen, an denen die Männer in diesem Film zu knabbern haben. Manchmal Gott sei Dank nur in sehr geringem Maße, da habe ich quasi nur so ein paar Spaß-Aktien. Dann gibt es aber wieder Stellen, wo ich sagen muss, ja, das ist tatsächlich voll mein Problem. Ich glaube, so sollte es im besten Falle all meinen Geschlechtsgenossen gehen. Alles auf einmal wäre schon sehr heftig.


Sie spielen in FIKKEFUCHS eine der Hauptrollen, haben das Drehbuch gemeinsam mit Wolfram Fleischhauer verfasst und Regie geführt - und das bei einem so gewagten Thema. Wie behält man da die Balance?

Eigentlich hilft dieser Spagat sogar. Bei aller Schroffheit des FIKKEFUCHS, hat der Film immer etwas Ganzheitliches. FIKKEFUCHS ist keine Versuchsanordnung, wo verschiedene Geschmäcker den Brei verdünnen. Der Film ist eine sehr runde Sache geworden, obwohl er dabei ambivalent bleibt.


Der Film lebt vor allem von der Chemie zwischen Ihnen und Franz Rogowski. Wie kam die Zusammenarbeit zustande und welche Erfahrungen haben Sie während des Drehs gemacht?

Ich hatte Franz in LOVE STEAKS gesehen und fand ihn ganz großartig. Ich habe ihn dann mal getroffen und ihm das Skript unseres Films mitgegeben. Er fand es sehr lustig, er verstand den Humor sofort. Das war für mich ein riesiger Gewinn und eine tolle Bestätigung. Er ist vor allem so wunderbar uneitel! Und das macht für mich nicht unwesentlich einen wirklich guten Schauspieler aus. Vor allem in diesem Film, der uns von unserer Eitelkeit sehr viel abverlangt. Ich habe deshalb die größte Anerkennung für Franz. Es ist unglaublich, wie sehr er bereit ist, sich und seine Figur durch den Kakao zu ziehen, ohne sie jemals lächerlich zu machen.


Eine Satire über Männer in der Sexkrise, vielleicht sogar über verletzte Männlichkeit - warum ist die Zeit gerade jetzt reif für solch einen Film?

Männer sind ja immer nur „herausgefordert“. Männer haben keine Angst. Und deswegen glaube ich, dass es beispielsweise ein generelles Problem von Männern ist, etwa über ihre Bedürfnisse zu reden. Warum es so wenige Filme über die Probleme von Männern gibt? Ich glaube, weil man so viel Gleichmacherei betreibt. Und zwar von allen Seiten. Auch ein paar der Frauen, mit denen ich über diesen Film bereits gesprochen habe, meinten, sie könnten es gar nicht glauben, dass Männer hier von ihren kleinen Problemen erzählen und sich darüber ausheulen. Ich finde das aber wichtig. Feministische Filme gibt es schon seit 20-30 Jahren im deutschen Kino, da hat sich glücklicherweise etwas bewegt. Das ist man den Männern voraus. Wir haben keine echten „Peer-Gruppen“, wir haben keine Männer-Literatur und auch keine EMMA. Wir haben Muskelzeitschriften und AUTO-BILD, das war’s. Das ist mir tatsächlich erst bei der Recherche aufgefallen, dass Männer da noch sehr einsam sind in ihrer Bedürfniswelt. Das ist generell in der Gesellschaft aber auch beispielsweise in der Kunst so.


Sie sind mit ihrem Film, wie bereits vorher bei MUXMÄUSCHENSTILL, nicht den üblichen Finanzierungsweg über die Sender und Förderanstalten gegangen, sondern haben sich für Crowdfunding entschieden. Warum?

Saralisa Volm, Wolfram Fleischhauer und ich sind die Produzenten. Wir haben uns gesagt: wenn der Film erfolgreich wird, wollen wir, die wir uns dafür so ausgebeutet haben, auch etwas daran verdienen. Aber in erster Linie hat uns das Crowdfunding letztlich unabhängig gemacht. Wir konnten den Film machen, den wir wollten. FIKKEFUCHS wäre mit Senderbeteiligung so, glaube ich, niemals entstanden.


Was wünschen Sie sich, was mit dem Zuschauer, der Zuschauerin passiert, wenn sie aus dem Kino kommen?

Ich glaube, eigentlich wird genau das passieren, was wir bereits beim Filmfest München bei der Premiere erlebt haben. Da gab es zum Teil sehr ambivalente Reaktionen, was ich einfach spannend finde. Das reichte von offener Ablehnung und vorzeitigem Verlassen des Kinos bis hin zu ganz wunderbaren und langen Gesprächen nach dem Film. Gerade Männer schienen oftmals tief berührt und meinten, der Film spräche ihnen total aus der Seele, gäbe ihnen ein Gefühl von Befreiung oder sogar das Gefühl nicht alleine zu sein. Es gab also Momente echter Berührung, gemischt natürlich mitsehr vielschwarzem Humor,so dasssie gar nicht anders konnten als über die Situationen und sich selbst zu lachen.

In diesem Film geht es nicht um Frauen als Opfer, sondern Männer, die sie zu Opfern machen und eben dabei selbst total arme Würste sind. Und dieser Spagat hat bei vielen Zuschauern und Zuschauerinnen wahnsinnig gut geklappt.


Sucht man nach Filmen in Deutschland, die erzählerisch, thematisch und ästhetisch ähnlich viel wagen, wird man kaum fündig. Ist der deutsche Film tendenziell zu brav?

Ich sehe das so: Im deutschen Kino, aber auch nicht nur dort, wird immer sehr viel rundgelutscht, damit es möglichst vielen schmeckt. Deutsche Filme sind oft entweder ernst und langweilig oder lustig und doof. Und deshalb gehen jede Menge Leute auch nicht mehrins Kino. Ich glaube, dass das Publikum häufig so dermaßen unterschätzt wurde, dass es einfach inzwischen in Scharen abgewandert ist. Man sollte es vielleicht analog zu den US-amerikanischen Serienproduktionen der letzten Jahre versuchen. Denn die haben bewiesen, dass es einen riesigen Markt gibt für schräge Stoffe. Ich bin schon mit Ideen bei Redakteuren gewesen, die sich beim Teaser totgelacht haben und mir dann sagten, dass sie es zwar saukomisch finden, der Zuschauer das aber nicht verstehen wird. Wenn diese Denke nicht aufhört, dann wird bald nur noch anspruchsloser Einheitsbrei produziert. Man muss Drehbuchautoren und Regisseure einfach mal ihre Arbeit machen lassen. Und zwar so, wie sie es wollen und nicht immer reinquatschen und alles rund machen, damit man auf den vermeintlich kleinsten Nenner kommt.

Foto: © Verleih

Info: Abdruck aus dem Presseheft von Alamodefilm