Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 30. November 2017, Teil 7
Margarete Ohly-Wüst
Frankfurt (Weltexpresso) - Kelab (Jürgen Vogel) lebt mit seiner Familie friedlich in den Tiroler Alpen in der Nähe eines Baches. Kelab ist der Anführer und Schamane der kleinen Gemeinschaft. Als Schamane gehört es zu seinen Aufgaben, den heiligen Schrein Tineka zu hüten.
Als er eines Tages von einem Jagdausflug zurückkommt, sind die Mitglieder seiner Sippe ermordet, das Dorf nieder gebrannt und der heilige Schrein gestohlen. Lebend findet er nur noch das neugeborene Kind, um das sich seine Frau Kisis (Susanne Wuest) gekümmert hat. Er macht sich mit dem Baby und einer Ziege auf den Weg, um die Übertäter zu finden und Rache zu üben, obwohl der weinende Säugling und auch die als Milchquelle für das Kind benötigte Ziege sein Vorankommen erschweren.
Während Kelab sich in die Berge aufmacht, sind auch die drei Männer, die den Schrein gestohlen und das Dorf abgebrannt haben, auf dem Weg zu ihrer Behausung. Es sind dies Krant (André M. Hennicke) und seine Söhne Tasar (Sabin Tambrea) und Gosar (Martin Augustin Schneider).
Die ersten Menschen auf die Kelab trifft, hält er für die Täter und schlägt die am Feuer sitzenden Männer nieder. Es sind aber nur Händler, von denen er einen tötet, der andere, Gris (Axel Stein), kann schwer verletzt entkommen. Sie haben allerdings einen gefesselten jungen Mann dabei, den Kelab frei lässt.
Als er versucht, einen Steinbock zu erlegen, trifft er auf den Jäger Ditob (Franco Nero), der allein mit seiner Tochter Kulan (Anna F.) lebt. Nachdem Kelab eine Nacht in deren Lager verbracht hat, lässt er das Baby bei Kulan zurück und nimmt allein die Verfolgung seiner Feinde wieder auf.
Bei seiner Verfolgung ist er der erbarmungslosen Natur ausgesetzt. Zum ersten Mal trifft Kelab in einer Schlucht auf seine Feinde, dabei stürzt Gosar zu Tode, während die beiden anderen fliehen können. Während der Verfolgung gerät Kelab in die Gletscherregion. Bevor er die Flüchtenden dort stellen kann, bricht er selbst in eine Gletscherspalte ein. Da die beiden ihn für tot halten, fühlen sie sich nicht weiter verfolgt.
Doch Kelab lebt, kommt aus der Spalte heraus, findet die Behausung der beiden, tötet die beiden Männer ohne Mitleid und nimmt den heiligen Schrein wieder an sich. Dann aber stellt er fest, dass es neben dem Durst nach Rache auch noch die Barmherzigkeit gibt. Deshalb tötet er die Frauen der Mörder seiner Familie nicht.
Während Kelab seinen Weg fortsetzt, wird er plötzlich von hinterrücks von einem Pfeil in die Schulter getroffen und tödlich verletzt. Denn er hat einen Feind übersehen...
1991 wurde in den Ötztaler Alpen eine Gletschermumie gefunden, die etwa 5250 Jahre alt ist und damit der Kupfersteinzeit angehört. Der Mann aus dem Eis war vermutlich etwa 45 Jahre alt und ist durch einen Pfeilschuss in die linke Schulter gestorben. Dabei unterscheidet sich die Art der Pfeilspitze deutlich von denen in seinem eigenen Köcher.
Nachdem es schon einige Dokumentarfilme über den Mann vom Tisenjoch gegeben hat, hat jetzt Felix Randau als Drehbuchautor und Regisseur den ersten Spielfilm über die letzen Tage des Mannes aus dem Eis gedreht.
Der Regisseur hat die Charaktere des Films eine antike Variante der rätischen Sprache sprechen lassen. "Der Mann aus dem Eis" ist dabei nicht untertitelt, da man der Handlung auch ohne Übersetzung folgen kann.
Es ist eine leidlich plausible Geschichte entstanden, die überwiegend der heute akzeptierten Analyse des Eismannes und seiner letzten Tage entspricht. Allerdings haben sich dann doch an einigen Stellen ein paar Ungereimtheiten eingeschlichen. Z.B. haben die Menschen in der Jungsteinzeit sicher nicht nur in kleinen Familiengruppen gelebt, denn so kleine Gruppen hatten in der alpinen Region vermutlich keine Überlebenschancen. Auch haben die Menschen der damaligen Zeit sicher schon kompliziertere Sätze sprechen können, als die Menschen im Film. In anderen Gegenden der Welt hat es 3000 vor Chr. schon Hochkulturen mit einer Schrift gegeben - und der Eismann hatte bei seinem Fund ein Kupferbeil bei sich, das zeigt, dass auch die Menschen der Alpentäler Kontakt zur Außenwelt hatten. Auch die religiösen Handlungen, die Kelab ausgeführt hat und auch die Gesänge wirkten doch sehr christlich beeinflusst und damit zu modern. Auch ist eigentlich nicht verständlich, warum sich die wenigen Menschen der Alpentäler feindlich gegenüberstehen. Sie waren doch sicher froh, wenn sie wieder mal andere Gesichter gesehen haben, Informationen austauschen und auch durch Heirat Inzucht vermeiden konnten. Außerdem waren die Menschen auf gegenseitige Hilfe angewiesen.
Ein inzwischen bekannter Fakt wurde im Film vollständig ausgelassen: Der reale Eismann hat rund eine Stunde vor seinem Tod eine ausgiebige Mahlzeit zu sich genommen, die auch das Fleisch des Alpensteinbocks enthielt.
Trotz der genannten Kritik war der Film spannend aber auch recht brutal erzählt. Jürgen Vogel spielt Kelab mit zerzausten Haaren, verfilztem Bart und zum Eismann passender Kleidung hervorragend. Ihn treibt ein Motiv voran: Vergeltung für den Mord an seiner Dorfgemeinschaft. Die anderen bekannten Darsteller - wie Franco Nero, Andre M. Hennicke, Susanne Wuest, Axel Stein oder Sabin Tambrea - sind eigentlich nur Nebenrollen und verschwinden hinter ihren Masken.
Hervorragend gelungen sind die Landschaftsaufnahmen der Südtiroler Alpen von Kameramann Jakub Bejnaworicz, allerdings wiederholen sich ähnliche Gebirgsbilder dann doch etwas zu oft
Insgesamt versucht der Film eine Geschichte die letzten Tage der Gletschermumie aus den Ötztaler Alpen zu erzählen. Auch wenn der Gletschermann durch einen Pfeilschuss umgekommen ist, steckten dahinter vermutlich doch andere Gründe für seinen Tod als im Film angenommen.
"Der Mann aus dem Eis" ist ein archaisches Überlebensdrama vor toller Kulisse, er ist ganz sicher eine spannend erzählte Fiktion. Der Film ist eine Co-Produktion, an der auch ZDF, Arte und ORF beteiligt sind. Er wird also vermutlich später noch im Fernsehen gezeigt werden und dort ist er eigentlich auch am besten aufgehoben.
Foto: Kelab (Jürgen Vogel) macht sich auf den Weg, den Mord an seiner Familie zu rächen © Port au Prince Pictures
Info:
Der Mann aus dem Eis (Deutschland, Italien, Österreich 2017)
Originaltitel: Iceman
Genre: Drama, Abenteuer
Filmlänge: 97 Min.
Regie und Drehbuch: Felix Randau
Darsteller: Jürgen Vogel ,André M. Hennicke, Sabin Tambrea, Martin Augustin Schneider, Franco Nero, Susanne Wuest, Axel Stein u.a.
Verleih: Port au Prince Pictures
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 30.11.2017