f teresaSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 30. November 2017, Teil 8

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Welch schöner kleiner Film, der groß in der Wirkung ist, weil er den Zuschauer auf eine Reise mitnimmt, die die schon leicht vertrocknete 54jährige Teresa (Paulina García), Hausmädchen, die plötzlich entlassen werden mußte, von ihrer Herrschaft auf die andere Seite der argentinischen Wüste vermittelt wird.

Sie muß also ihre Sachen packen und erkennt dabei selber, wie wenig ihr gehört, hat sie doch ihre ganzes Leben ihrer Herrschaft gewidmet, einschließlich der liebevollen Erziehung des Sohnes des Hauses, der mit Teresa Godoy vertrauter ist als mit den eigenen Eltern. Warum die wirtschaftliche Grundlage zusammengebrochen ist, weiß ich nicht mehr, aber es ist Notwehr, warum die Familie auf die gute Teresa verzichtet, ihr Haus verkaufen muß und im Nichts entschwindet.

Teresa will eigentlich nicht weg, macht sich aber brav mit Reisetasche und Handtasche – mehr hat sie nicht - auf die Reise mit dem Bus nach San Juan zur neuen Stelle. Und nun passiert gleich im doppelten Sinn eine Freudsche Fehlleistung. Das eine ist eine technische, die jeder Automechaniker als normale Panne ansehen würde, die aber so viel mit der Vorsehung und Schicksal zu tun hat, daß man sicher von einer außerirdischen Macht sprechen kann, die die Buspanne mitten in der Wüste inszenierte. Auf jeden Fall geht es nicht weiter. Der Bus kann nicht repariert werden. Teresa muß auf den nächsten Bus warten. Das kann dauern.

Eigentlich will man gar nicht die ganze Geschichte erzählen, denn das Besondere an der filmischen Umsetzung ist, daß wir im Kinosessel auf einmal gebannt dieser doch unscheinbaren, ja so verklemmten älteren Frau zusehen. Sie vertreibt sich die Zeit und als ein etwas aufdringlicher fahrender Händler, genannt El Gringo (eigentlich der Weiße, der Nordamerikaner: Claudio Rissi), sie fast nötigt, ein Kleid anzuprobieren, was in seinem Gefährt, so was wie ein Campingbus, problemlos geht. Doch Minuten später kommt ein gefährlicher Sturm auf, El Gringo muß sofort den Stand abbauen und mit dem Auto in sichere Gefilde fahren. Kein Problem. Teresa wollte das Kleid eh nicht und will ja endlich mit dem Bus weiterfahren.

Doch, nachdem der Sturm überstanden ist, bemerkt sie den Verlust ihrer Handtasche, natürlich einschließlich der Busfahrkarte, des Geldes, eben der Verlust aller persönlichen Sachen. Sie kann nicht weiter, sondern muß erst die Tasche suchen. Als einzige Möglichkeit fällt ihr das große Auto des Händlers ein. Also macht sie sich auf den Weg, ihn zu suchen. Aber dazu muß sie den nächsten Tag abwarten und so verbringt sie die Nacht frierend auf einer Bank.

Während wir als Zuschauer diesen leicht schmierigen Händler für einen Betrüger halten, der das Umkleiden und den plötzlichen Aufbruch inszenierte, damit er die Tasche behält, ist Teresa gutgläubig, macht sich auf den Weg und findet den Händler. Allerdings muß er mit Teresa erst zu der abseitigen Stelle fahren, wo er den Verkaufswagen abstellte. Endlich, Teresa schlüpft hinein – und findet nichts. Da ist keine Tasche. Was nun? El Gringo hilft ihr, wie er kann. Er hat ja noch andere Unterkünfte, wo vielleicht das, was er aus dem Händlerwagen auspackte, Teresas Handtasche enthält.

Es muß Teresa genau so gegangen sein, wie dem Zuschauer. Der erst so verdächtige El Gringo, ist ein so hilfreicher Begleiter, sorgt sich so um Teresa, kümmert sich darum, daß sie etwas ißt, ja bringt sie dazu, mit ihm zu tanzen. Und wenn wir erleben, wie ihr Panzer erst Sprünge erhält, dann ihr müder Gesichtsausdruck mit den herabhängenden Mundwinkeln erst einer freundlichen Miene weicht, später befreiendes Lachen hinzukommt und das alles durch den Händler in Gang gesetzt wurde, dann wissen wir, warum sie, als der nächste Bus kommt, diesen nicht nehmen wird, sondern hier in der Wüste bleiben wird.

Mehr muß man nicht wissen.

Foto: © Verleih

Info:

Teresa         Paulina García
El Gringo     Claudio Rissi


Übrigens heißt der Originaltitel LA NOVIA DEL DESIERTO, was so viel heißt wie DIE VERLOBTE DER WÜSTE . Die Regie führten Cecilia Atán und Valeria Pivato. Der Film wurde bei dem Festival von Cannes 2017 in der Sektion “Un Certain Regard” aufgeführt und nahm am Wettbewerb um die Goldene Kamera teil. Er ist eine argentinische/chilenische Zusammenarbeit und wurde für den Auslandsoscar eingereicht.