Lida Bach

So einer, mit dem man reden kann. Einer der Tai Chi macht und noch was vom Leben erwartet. Nein, so einer ist Hartmut Mackowiak (Elmar Wepper) nicht. Für so einen hat seine Frau Christa (Katja Rupe) ihn verlassen, glaubt der mürrische Taxifahrer, ohne zu erkennen, dass er schon vorher verlassen war. Nun, da ihm nach 35 Jahren Ehe die Scheidung droht, die erwachsene Tochter Verena (Marie Leuenberger) keinen Zugang zu ihrem unwirschen Vater findet, und die Soft-Close- Schubladen der neuen Küche die Stille in dem biederen Reihenhäuschen noch drückender machen, schlägt dem eigenwilligen Helden von Christian Züberts liebenswerter Tragikkomödie die Einsamkeit mit voller Wucht ins Gesicht.

 

Darüber sprechen will der von Elmar Wepper mit rauer Schale und weichem Kern gespielte Griesgram nicht. So ist es ein Glück für ihn, dass die kleine Hayat (Mercan Türkoglu) keine Worte hat, zumindest keine, die der Bayer aus dem Mund des kleinen Mädchens versteht. Vom Flughafen hat er ihre Mutter Gülen (Ivan Anderson) und das Mädchen zur Wohnung der Großmutter (Özay Fecht) gefahren, die ihre Enkelin während Gülens Arbeitsreisen betreut. Eine Alltagstragödie und ein Zufall, wie es sie nur im Kino gibt, treffen in dem warmherzigen Familienfilm zusammen und in Hartmuts finsterer Miene scheint der „Dreiviertelmond“. Wer ein paar Worte Türkisch versteht, dem tritt der Symbolismus des unscheinbaren Alltagsmärchens womöglich allzu offensiv entgegen. Das leben, das ihr Name verheißt, bringt Hayat zurück in Hartmuts Herzen.

 

In letztem finden das „Kopftuchmädchen“, wie er Hayat als Paradebeispiel gängiger Diskriminierung einmal bezeichnet, schneller einen Platz, als Hartmut begreift. Seine Öffnung ist weniger die für eine fremde Kultur, als die für das Neue und Unbekannte an sich. So einfach wie das Knacken von Sonnenblumenkernen inszeniert „Dreiviertelmond“ die charakterliche Wandlung seines grantigen Hauptcharakters. Ein wenig zu eben wird ihm der Weg gemacht, als dass je aufrichtige Gefühle von Verlust oder Bedauern den zärtlichen Schein des „Dreiviertelmond“ trüben würden. Es sind vielmehr die sympathischen Darsteller, welche den kleinen, trotz seiner sentimentalen Schwächen feinen Film seinen Reiz verleihen.

 

Elmar Wepper und allen voran seine herausragende Co-Darstellerin Mercan Türkoglu, die in Züberts „Dreiviertelmond“ ihr doppeltes Debüt als Schauspielerin und auf der Leinwand gibt, sind das Argument, dass die zurückhaltende Komödie anführt gegen die größerem Filme, die den „Dreiviertelmond“ in den Kinos wohl allzu rasch verdunkeln werden.

 

Oneline: Cineastisches Turkish Delight: köstlich, aber zuckersüß

 

Titel: Dreiviertelmond

Land/ Jahr: Deutschland 2011

Regie: Christian Zübert

Drehbuch: Christian Zübert

Kamera: Jana Marsik

Schnitt: Mona Bräuer

Musik: Annette Focks

Darsteller: Elmar Wepper, Mercan Türkoglu, Ivan Anderson, Özay Fecht, Katja Rupe, Marie Leuenberger, Bernd Regenauer, Stefan Kügel

Verleih: Majestic

Kinostart: 13.Oktober 2012