Kirsten Liese
Berlin (Weltexpresso) - Marianne erreicht die denkbar schlimmste Nachricht: Ihr Sohn Simon liegt nach einem Unfall im Koma, der 17-Jährige ist hirntot und wird nie mehr aufwachen. Nun soll die Mutter schnell mit ihrem Ex-Mann entscheiden, ob sie Herz und Nieren des Jungen für Transplantationen freigeben will. Überwältigt von Trauer und Zorn fühlt sie sich dazu gar nicht in der Lage, aber schließlich stimmt sie zu.
Emmanuelle Seigner, die das Gefühlschaos dieser Frau facettenreich auslotet, wird damit zu einem Vorbild eines Films, der uns unübersehbar zur Organspende bewegen will. Gegen eine solche ethische Überzeugung möchte man nichts einwenden, nur legt die Regisseurin Katell Quillévéré den Fokus so dezidiert auf den Ablauf einer Herztransplantation, dass sie besser beraten gewesen wäre, sich konsequent für einen Dokumentarfilm zu entscheiden.
Authentisch und detailliert zeichnet die Französin nach, wie ein Herz von einem Körper in einen anderen gelangt, da ist etwa auch zu sehen, wie die Verwalterin der nationalen Organ-Datenbank Listen studiert, Blutgruppen vergleicht, Transportzeiten berechnet, wie die Eingriffe im Operationssaal vorbereitet werden oder nach der Organentnahme Kühlboxen zum Einsatz kommen. Wiewohl alle Ärzte von Schauspielern verkörpert werden, wirkt jeder Handgriff perfekt.
Die Porträts der Protagonisten bleiben vergleichsweise skizzenhaft. Anne Dorval spielt die sympathische, gebildete Empfängerin des Spenderherzens. Ihre Claire ist um die 50 und muss von ihrer Ärztin, den beiden Söhnen und einer Musikerin, mit der sie einmal liiert war, fast dazu genötigt werden, einer Transplantation zuzustimmen. Das ist aber schon alles, was wir über sie erfahren.
Und noch etwas ist seltsam an diesem unausgegorenen Film: Wiewohl es um so große Themen wie Schmerz und Abschied geht, wirkt er ungemein sachlich und nicht halb so bewegend wie die Roman-Adaption „Alles, was wir geben mussten“, eine geradezu perfide Geschichte um junge Menschen, die als körperliche Ersatzteillager missbraucht werden.
Unter die Haut geht eigentlich nur jene Szene, in der ein Pfleger Simon einen Kopfhörer aufsetzt, damit ein letztes Mal das Meeresrauschen in seine Ohren dringt. Bei einem Surfabenteuer kurz vor dem Unfall, zu dem sich der Jugendliche mit seinen Freunden aufmachte, ging eine mächtige Welle über ihn hinweg. Sie hätte ihn verschlingen können. Aber am Ende musste Simon so früh sterben, nur weil er sich im Auto nicht angeschnallt hatte.
Fazit: Ein informativer, aber etwas sachlich-trockener Film um eine Organtransplantation.
Foto: © Wild Bunch Germany
Info:
Die Lebenden reparieren (Frankreich, Belgien 2016)
Originaltitel: Réparer les vivants
Genre: Drama
Filmlänge: 103 Min.
Regie: Katell Quillévéré
Drehbuch: Katell Quillévéré, Gilles Taurand, nach dem gleichnamigen Roman Réparer les vivants von Maylis de Kerangal (2013)
Darsteller: Tahar Rahim, Emmanuelle Seigner, Anne Dorval, Bouli Lanners, Kool Shen, Gabin Verdet u.a.
Verleih: Wild Bunch Germany
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 07.12.2017
Info:
Die Lebenden reparieren (Frankreich, Belgien 2016)
Originaltitel: Réparer les vivants
Genre: Drama
Filmlänge: 103 Min.
Regie: Katell Quillévéré
Drehbuch: Katell Quillévéré, Gilles Taurand, nach dem gleichnamigen Roman Réparer les vivants von Maylis de Kerangal (2013)
Darsteller: Tahar Rahim, Emmanuelle Seigner, Anne Dorval, Bouli Lanners, Kool Shen, Gabin Verdet u.a.
Verleih: Wild Bunch Germany
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 07.12.2017