f leaningSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 14. Dezember 2017,  Teil 3

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ein Deja vu? Kein Deja vu! Aber wundern tut man sich schon, wenn man hört, daß Thomas Riedelsheimer 2001 das erste Mal einen Film über den englischen Künstler Andy Goldsworthy drehte, dem nun der zweite folgte, von dem alle sagen, daß er ganz anders sei als der erste.

Solche Fragen können sich Besucher des Films zwar fragen, aber nur bei solchen Vorpremieren, wie der am Samstagabend im Cinema in Frankfurt, können Sie vom Münchner Filmemacher und Kameramann Riedelsheimer auch beantwortet werden. Er ist ein studierter Dokumentarerzähler oder erzählender Dokumentarfilmer. Die Form des Films entwickelt sich von Fall zu Fall und ist ein ständiger Prozeß beim Vorbereiten, Drehen und Schneiden. Künstlerporträts sind zudem Filme, die sofort große menschlichen Fragen aufwerfen.

Ihn hat fasziniert, daß sich der Künstler nach so vielen Jahren zum einen im selben Bereich der Land Art aufhält, die in seinem Fall Natur Kunst genannt wird, aber sich die Anlässe, Formen und Landschaften geändert haben. Er lebt inzwischen in Schottland, hat eine neue – junge – Frau, die als Kunsthistorikerin erst mit ihm arbeitete, bevor sie dann die zweite Ehefrau wurde. Aber das alles wußte Thomas Riedelsheimer erst einmal nicht, denn nach dem ersten Film – in vier Ländern spielend zu vier Jahreszeiten - gab es eine lange Funkstille zwischen Protagonisten und Filmemacher, die 10 Jahre währte.

Der Künstler hatte persönliche Schwierigkeiten, aber ist überhaupt etwas schwierig und sozial unangepaßt und lebt nun in Schottland, wo dieser Film mit einem Abstecher nach Spanien nun spielt. Schnell nach dem erneuten Treffen war eine alte Vertrautheit da, eine starke Beziehung, weshalb Riedelsheimer von Seelenverwandtschaft sprach.

Schnell kam man zu Fragen, die sich erst einmal, das ist immer das Problem bei Vorführungen mit Diskussionen, in Lobessprüchen erschöpften. Von Seelenbalsam wurde da gesprochen und daß alles ganz ganz toll gewesen sei, die Zusammenarbeit eine Symbiose darstelle. Dichter an den Film kam man durch Beobachtungen der Zuschauer, daß der Kameramann seine Kamera nutze, um Kunst zu schaffen, um Aktionen von Goldsworthy wie die mit den Blütenblättern, die Kunst seien, durch die Art der Abbildung künstlerisch erhöhe. Stellen Sie sich tausend Mohnblätter vor, die erst einmal – nicht schön anzusehen – von den Blüten abgezupft werden, die dann vom Künstler auf einem Berg unter ziemlich starker Strömung in die Luft geworfen, erst einmal wie ein Vogelflug in der Luft segeln und dann unregelmäßig der Schwerkraft unterliegend auf die Erde – oder das Wasser gleiten. Dazu die Musik von Fred Frith, die in Einzeltönen oder kompakter Musik nie dominiert, also zustreicht, sondern perlt und akzentuiert. Angenehm.

Der Künstler sei nicht nur älter geworden, durchaus auch verschrobener, er mache auch andere Sachen, in denen sein eigener Körper sehr stark in den Kunstwerdeprozeß einbezogen sei. So gab es im Film immer wieder Szenen, wo sich der Künstler beispielsweise auf eine Wiese legt oder in eins seiner vorbereiteten Steinaushub – und dann Regen eintritt. Er bleibt eine Weile liegen, entfernt sich dann schnell und die Kamera nimmt auf, wie die erst sichtbare Silhouette durch die nun auf sie fallenden Regentropfen ausgelöscht werden.

Das ist ein poetischer Vorgang, wo einem sofort der Begriff ephemer einfällt. Und damit erkennt man auch einen Widerspruch, der in der Natur selbst schon vorhanden ist und durch den Künstler reflektiert wird, was durch das Aufnehmen durch die Kamera potenziert wird. Denn zum einen ist die Natur etwas Statisches, Unverrückbares, wenn man an Bäume denkt, aber auch die Blumen haben ihren Standort, verändern ihr Aussehen, bleiben aber am Ort. Die Eingriffe des Künstlers dagegen sind einerseits wie bei den Blüten und anderem temporär, also vergänglich, sie sind zeitlich vorübergehend, flüchtig und dem Moment anheimgegeben.

Er selbst empfindet sein Tun als reines Handwerk, hat auch vor seiner Ausbildung vier Jahre in der Landwirtschaft gearbeitet. Er greift in die Natur ein, in tieferer und ästhetischer Absicht, im Einklang mit seiner Kunstvorstellung. Das Abfilmen und das Ergebnis auf der Leinwand wirkt auf den Zuschauer durchaus meditativ. Andererseits schreckt mancher auf, wenn er sich die Folgen von solchen Eingriffen wie dem Aushub im massiven Stein, so daß Vertiefungen wie Badewannen entstehen, in den Auswirkungen für kleine Tiere vorstellt, die hineingefallen nicht mehr herausfinden.

Schaut man den Eingriffen in die Natur zu, dann fragt man sich auch, wer diese in Auftrag gegeben hat, wem das Land gehört und was jemanden dazu bringt, Andy Goldsworthy damit zu beschäftigen, aber auch, wovon dieser Künstler überhaupt lebt. Und das haben wir uns im Nachhinein gefragt, wäre schon etwas, was im Film selbst beantwortet werden müßte und nicht allein vom Regisseur in einem Zuschauergespräch. Denn ganz ohne die Wirklichkeit, in der der Künstler lebt, geht es nicht. Läßt man das Existentielle so heraus, wie es hier geschieht, dann unterstützt das doch etwas die romantische Vorstellung, daß diese Künstler von Luft und Liebe leben. Nein, das sagte der Regisseur deutlich. Goldsworthy verdient mit seinen Fotobänden sehr viel Geld und die im Film gezeigten Kunstaktionen seien in der Regel durch Sponsoren finanziert.

Großer und dankbarer Beifall für den Regisseur.

Foto: © Verleih

Info:
Film ‚Leaning into the Wind – Andy Goldsworthy‘, Starttermin 14. Dezember 2017 (1 Std. 37 Min.). Von Thomas Riedelsheimer, mit Andy Goldsworthy, Produktionsland Deutschland

Die Filmvorführung mit anschließender Diskussion fand am 9. Dezember ab 18.30 Uhr im Cinema Frankfurt statt als Vorpremiere zum am Donnerstag drauf anlaufenden Film.