Lida Bach
Langsam, schleppend. Die Worte auf der Leinwand scheinen bezeichnend für das cineastische Konzert, das Michael Beyer und Sir Simon Rattle gemeinsam dirigieren. Erster leitet mit unsichtbarer Hand die Kamera an, deren dreidimensionale Perspektive die des Zuschauers vorgibt. Zweiter führt mit deutlich sichtbarem Taktstock das Orchester, das die musikalische Kulisse der Handlung erschafft.
Berauschend und schwelgend schön ist dieses akustische Setting, das die Bilder umfängt. Gustav Mahlers 1. Symphonie wird durch die Reinheit des Klangs befreit vom abgegriffenen Klischee der „schmerzlichen Schönheit“. Die symphonischen Tänze Sergei Rachmaninovs erklingen in pittoresker Anmut. In dichter Folge durchfließen die beiden kontrastreichen Kompositionen in all ihrer lyrischen Evokation den Saal. Es ist nicht der Saal Esplanade Theatres on the Bay, in das die „Berliner Philharmoniker in Singapur“ die „Musical Journey in 3D“ führte. Der erste Konzertfilm in 3D, ein episches Filmprojekt, um das unentwegt die Worte „bahnbrechend“ und „einmalig“ kreisen, markiert den Endpunkt der Reise.
Der gefeierte Dirigent und sein international berühmtes Orchester in einem der bedeutendsten Konzerthäuser der Welt bei einem bewegenden Auftritt, den einer der wichtigsten deutschen Inszenatoren des Musikalischen mit einer hochmodernen Filmtechnik festhält: so unfehlbar das Kunstvorhaben äußerlich erscheint, so schal und gefühlsarm ist die filmische Erfahrung, die es vermittelt. Der Weg selbst ist ermüdend, karg und letztendlich frustrierend. „Ich wollte keine Zirkusnummer schaffen, sondern ein intensives Musikerlebnis.“, sagt Beyer im Interview. Erstes ist ihm gelungen, an zweitem scheitert er, wenn auch auf hohem Niveau.
Es ginge darum, den Zuschauern, die auch Zuhörer sind, durch 3D die Augen und Ohren noch ein bisschen weiter zu öffnen, erklärt der Dokumentarfilmer. Dies erreichen die Szenen, die den Betrachter unmittelbar in das Orchester versetzen, doch umso angespannter und konzentrierter man lauscht und schaut, desto unverkennbarer wird die unsichtbare Grenze zwischen den beiden Welten: jene im Konzerthaus des asiatischen Stadtstaats und der gegenwärtigen im Kinosaal, die fühlbare Vibration des Klangs und die Reproduktion des Klangs und seines äußeren Rahmens. Gefiltert durch das filmische Medium wirkt die Musik eines Teils ihres Wesens beraubt, den nur das unmittelbare Erleben greifbar macht.
Die Handlung selbst ist ein Nichts, konstruiert aus Aufnahmen des musizierenden Orchesters – die Hörner, Streicher und jetzt, nochmal ganz nah, die Hörner! - während Mahlers Smphonie und Straßenszenen und Stadtbildern während der symphonischen Tänze Rachmaninovs. Keinerlei Bereicherung oder Erkenntnis fügen die Bilder den klassischen Kompositionen hinzu, welche die Dreidimensionalität weder schöner noch schlechter macht. Was als Neuerung des Konzertfilms konzipiert scheint, zeigt sich unter dem schillernden Renommee als kühles Prestigeprojekt, dem der Beigeschmack des Kalkulatorischen eine bittere Note gibt.
Oneline: Dreidimensionale Symphonie des Schauens.
Titel: Berliner Philharmoniker in Singapur: A Musical Journey in 3D
Land/ Jahr: Deutschland 2011
Laufzeit: 105 Min.
Regie: Michael Beyer
Kamera: Thomas Erhart, Klaus Sprenger
Schnitt: Stefan Buschner, Uli Peschke
Musik: Gustav Mahler, Sergei Rachmaninov
Darsteller: Sir Simon Rattle, Berliner Philharmoniker
Verleih: NFP Marketing & Distribution
Kinostart: 20. Oktober 2011