f TheKillingOfASacredDeerAlamodeFilm06Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 21. Dezember 2017, Teil 6

N.N.

London (Weltexpresso) - Für THE KILLING OF A SACRED DEER, seinen ersten in den USA gedrehten Film, konnte der gefeierte Regisseur Yorgos Lanthimos zwei Weltstars gewinnen: Oscar-Preisträgerin Nicole Kidman und Golden-Globe-Gewinner Colin Farrell, der schon in Lanthimos' THE LOBSTER die Hauptrolle spielte. Der düstere, verstörende Psychothriller wurde 2017 im Wettbewerb der Filmfestspiele in Cannes uraufgeführt und erntete hymnische Kritiken.

Der Hollywood Reporter etwa hob die beunruhigende Atmosphäre sowie den absurden Humor hervor und befand Yorgos Lanthimos' fünftes Kinowerk für „meisterhaft“ und „unbedingt sehenswert“. Der Filmemacher und sein bewährter Co-Autor Efthimis Filippou konnten zudem die Auszeichnung für das beste Drehbuch entgegennehmen.

Nach dem Kritikerhit THE LOBSTER, der 2015 in Cannes mit dem Preis der Jury prämiert wurde, nahmen Yorgos Lanthimos und Efthimis Filippou gleich ihr nächstes Projekt in Angriff. „Die Geschichte wandelt und entwickelt sich ständig weiter“, beschreibt Lanthimos den Arbeitsprozess. „Denn unser Ausgangspunkt für ein Drehbuch kann alles Mögliche sein. Mal ist es ein Grundgedanke, mal beschäftigen wir uns mit einem Zustand, einer bestimmten Situation oder einer Figurenkonstellation, die uns reizt.“ Die Idee, aus der schließlich THE KILLING OF A SACRED DEER entstand, sei ein Teenager gewesen, der den Tod seines Vaters rächen will.

f TheKillingOfASacredDeerAlamodeFilm02„Dieser Junge hat seinen Vater verloren und fordert ausgleichende Gerechtigkeit, indem er den Arzt, der seinen Vater operiert hat, zur Verantwortung zieht“, erläutert Lanthimos. Der 16jährige Martin sucht einen Schuldigen für seinen Verlust und glaubt ihn in Herzchirurg Steven gefunden zu haben. „Das war der Ausgangspunkt für unser Skript“, führt der Filmemacher aus. „Aber dann entstand daraus ein wesentlich komplexeres Gefüge mit paranormalen Elementen, die – so eigenartig es klingt – nur logisch und konsequent erscheinen, wenn sie in die Handlung Einzug halten. Indem wir die Situation zuspitzen und den Druck auf die Charaktere stetig erhöhen, enthüllen wir mehr und mehr die menschliche Natur.“

„THE KILLING OF A SACRED DEER erzählt von Gerechtigkeit, Vergeltung, Loyalität und Entscheidungen – die nicht unbedingt richtig oder fair ausfallen, wenn uns das Leben mit einem schweren Dilemma konfrontiert“, so Lanthimos' Fazit.

Colin Farrell spielt den Familienvater Steven Murphy, der zu einer grausamen, unmöglichen Entscheidung über Leben und Tod gezwungen werden soll: Entweder opfert er seine Frau oder eines seiner Kinder, sonst sterben alle drei.

Offenbar hat Martin die Familie Murphy mit einem Fluch belegt. Und seine schreckliche Prophezeiung scheint sich zu erfüllen, als Stevens Kinder plötzlich nicht mehr gehen können. Dieser übersinnliche Aspekt ergab sich beim Schreiben, berichtet Lanthimos. „Ausgehend von unserer Idee – ein Junge verliert seinen Vater, findet einen Schuldigen und fordert Vergeltung, was immer das in seinen Augen bedeutet – suchten Efthimos Filippou und ich nach einem Weg, daraus eine Geschichte zu entwickeln, eine, die Fragen aufwirft und die Figuren so in die Enge treibt, dass sie gezwungen sind, unmenschliche Entscheidungen zu fällen. Um das zu erreichen, beschäftigten wir uns mit Tragödien und dem Horrorgenre. So sind quasi all diese Versatzstücke in einen Dialog getreten.“

f TheKillingOfASacredDeerAlamodeFilm05Den Kritikern in Cannes fiel auf, dass sowohl der Filmtitel wie auch seine Thematik um Schuld und Sühne auf griechische Tragödien anspielen – am offensichtlichsten auf den Mythos der Iphigenie: König Agamemnon hat im heiligen Hain von Artemis, Göttin der Jagd, einen Hirsch erlegt. Ein Seher weissagt Agamemnon, dass er seine älteste Tochter Iphigenie opfern muss, um die Göttin zu besänftigen.

„Die Mythen haben uns zwar nicht zu THE KILLING OF A SACRED DEER inspiriert“, erklärt der griechische Filmemacher, „aber bei der Arbeit am Drehbuch erkannten wir selbst die Parallelen und verfolgten sie weiter. Ist es nicht interessant, dass die Themen, mit denen wir uns auseinandersetzen, so alt sind? Sie sind ewig. Deshalb gefällt mir die Assoziation. Aber wir hatten eben nicht von vornherein die Absicht, eine griechische Tragödie zu adaptieren.“

Dass er mit THE KILLING OF A SACRED A DEER erstmals einen Film in den USA drehte, war nur folgerichtig, meint der Regisseur: „Dieses Projekt wirkte auf mich eher wie ein amerikanischer Film. Ich folge bei der Arbeit meinem Instinkt, deshalb kann ich eigentlich gar keine konkreten Gründe nennen. Fest steht jedoch, dass ich vorerst weiterhin in englischer Sprache drehen möchte. Das grenzt die Optionen also schon mal ein.“

„Wir haben lange darüber diskutiert, ob THE KILLING OF THE SACRED DEER ein britischer oder ein amerikanischer Film werden soll“, fährt Yorgos Lanthimos fort. „Aber angesichts des Themas, der Verquickung vertrauter Genres und sogar der Mediziner-Welt, in der sich Steven und Anna bewegen, fand ich, dass dieser Film in die USA gehört. Es gab also diverse Punkte, die mir die Entscheidung für den Schauplatz erleichterten. Wenn man für alles offen ist, braucht man sich nur noch auf Details zu konzentrieren, um seine Wahl zu treffen.“

„Ich muss zugeben, dass es mir Spaß gemacht hat, in den Staaten zu drehen“, so Lanthimos weiter. „Ich habe noch nie in Metropolen wie New York oder Los Angeles gearbeitet, aber in einer kleineren Stadt wie Cincinnati war das angenehm unproblematisch. Vielleicht liegt es daran, dass die Leute enthusiastischer sind, wenn in ihrer Stadt mal ein Film gedreht wird. Und man kommt leichter von A nach B, ist insgesamt flexibler und genießt mehr Freiheiten. Es gibt buchstäblich nicht so viele Steine im Weg und weniger Auflagen, die man befolgen muss. So gestaltete sich der Dreh auch aus kreativer Sicht leicht, denn jede praktische Entscheidung beeinflusst ja letztlich das künstlerische Ergebnis. Ich kann also sagen: Alles in allem war es ein Genuss, in den USA zu arbeiten.“

Nachwuchstalent Barry Keoghan, der als mysteriöser Rächer Martin überzeugt, flog im Anschluss an die Dreharbeiten zu Christopher Nolans Kriegsdrama DUNKIRK in Frankreich direkt zum SACRED-DEER-Set in Cincinnati. Als der irische Schauspieler allmählich in der Filmbranche Fuß fasste, stellte er eine Liste zusammen, mit welchen Regisseuren er am liebsten zusammenarbeiten würde. Der Name Yorgos Lanthimos stand an erster Stelle. „Ich liebe seine Filme – DOGTOOTH, THE LOBSTER –, denn sie lassen sich keinem Genre zuordnen“, schwärmt Keoghan. „Jeder hat seine eigene Tonart und einen einzigartigen, unvergleichlichen Stil.“ Dass er in THE KILLING OF A SACRED DEER noch dazu mit seinem Landsmann und Idol Colin Farrell vor der Kamera steht, begeisterte ihn umso mehr.

„Ich sehe Martin nicht als Bösewicht, sondern als einen normalen, aber willensstarken Teenager, dem viel durch den Kopf geht“, sagt Barry Keoghan über seine verstörende Figur. „Und genauso habe ich ihn auch gespielt.“ Sein Regisseur ließ ihm dabei viel Freiraum: „Yorgos' Anweisungen sind knapp und präzise. Er braucht nie viele Worte, aber man weiß immer genau, was er meint. Er arbeitet so konzentriert, dass er am Set keinerlei Druck ausübt.“

Auch die Arbeit mit Colin Farrell und Nicole Kidman war eine Freude, betont der 25-Jährige: „Nicole und Colin geben sich überhaupt nicht wie große Filmstars, sondern sorgen für eine entspannte, lockere Atmosphäre. Ich habe beide als großartige Menschen kennengelernt.“

Colin Farrell gibt das Kompliment zurück und lobt die schauspielerische Leistung seines jungen Co-Stars – in einem in jeder Hinsicht intensiven Drama: „Als Darsteller fällt es mir natürlich schwer, objektiv zu bleiben. Aber ich halte THE KILLING OF A SACRED DEER wirklich für brillant! Der Film stellt die Banalitäten des Spießbürgerlebens bloß. Und er zeigt, dass jede unserer Handlungen Konsequenzen hat. Stolz spielt in diesem Film eine wichtige Rolle. Steven ist ein arroganter Mann, und Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall... Auch der übersinnliche Aspekt spricht mich an: dass die Götter im Kleinkrieg der Sterblichen ihre Hände im Spiel haben – oder doch zumindest eine höhere Macht, verkörpert durch Martin. Yorgos Lanthimos ist ein wahrer Meister.“

Nicole Kidman schließt sich an: „Ein Schauspieler kann nur so stark sein wie sein Regisseur, und Yorgos ist ein sehr starker Filmemacher. Was für ein Privileg, dass ich in seinem Film dabei sein durfte!“

Für Kidman kam das schönste Urteil nach der Weltpremiere in Cannes von ihrem Ehemann, Countrystar Keith Urban: „Er sagte, der Film sei wie grandioser Jazz“, berichtet die Schauspielerin. „THE KILLING OF THE SACRED DEER wird definitiv für Diskussionen sorgen. Das weiß ich aus eigener Erfahrung: Als wir nach der Vorführung längst im Bett lagen, konnte mein Mann immer noch nicht aufhören, über den Film zu reden, und löcherte mich weiter mit Fragen.“

Nicole Kidman möchte den Mysterythriller bewusst nicht entschlüsseln. Das bleibt jedem Zuschauer selbst überlassen. Aber zu einem Interpretationsansatz lässt sich die OscarPreisträgerin dann doch hinreißen: „Das Ganze könnte auch ein Traum gewesen sein...

Wir von Weltexpresso meinen dazu allerdings, daß es dann aber ein veritabler Alptraum war!!!

Fotos: Steven und Martin sitzen noch einträchtig beieinander; Steven steigt die Treppe hinauf, die er im Film dann symbolisch herunterfällt, Martin mit Kim, alle: © Alamode Film

Info: Abdruck aus dem Presseheft

 BESETZUNG

Steven Murphy .  COLIN FARRELL
Anna Murphy .     NICOLE KIDMAN
Martin .                BARRY KEOGHAN
Kim Murphy .       RAFFEY CASSIDY
Bob Murphy .       SUNNY SULJIC
Martins Mutter .   ALICIA SILVERSTONE
Matthew .             BILL CAMP

Regie
YORGOS LANTHIMOS

Drehbuch
YORGOS LANTHIMOS, EFTHYMIS FILIPPOU