Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 4. Januar 2018, Teil 4
Corinne Elsesser
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Janina Duszejko (Agnieszka Mandat-Grabka) lebt in ihrem Haus in einem einsamen Tal an der polnisch-tschechischen Grenze. Die einstige Brückenbauingenieurin ist in Rente und arbeitet noch als Aushilfslehrerin für Englisch an der Schule des nahegelegenen Dorfes. Astrologie und vor allem die Belange der Tiere sind ihr ein großes Anliegen. Ihr Leben im Einklang mit der Natur wird jedoch empfindlich gestört, sobald die Jagdsaison beginnt. Ausgerechnet ihr Tal ist zum Jagdgebiet erklärt worden.
Eines Tages wird ein Nachbar tot aufgefunden. Duszejko wird von der Polizei vorgeladen, doch nutzt sie diese Gelegenheit, um gegen die Jagd und das Töten der Tiere zu protestieren. Als Zeugin nimmt man sie nicht allzu ernst und ihrem Anliegen schenkt man kaum Beachtung. Als bald darauf ihre beiden Hunde spurlos verschwinden, hat sie einen Verdacht. Ein weiterer Toter wird im Wald entdeckt und außer Blutflecken im Schnee findet man dort nur die Spuren eines Hirschs. Auch dieser Mann war, wie Duszejkos Nachbar, ein Wilderer. Mit Entschiedenheit verweist Duszejko auf die Tierspuren und darauf, dass dies vielleicht die Rache der Tiere gewesen sein könnte.
"Pokot" bezeichnet in der polnischen Jägersprache die "Strecke" am Ende eines Tages. Der deutsche Titel "Die Spur" führt dagegen auf eine andere Fährte. Denn es ist eine ganz eigene Jagdstrecke, die die Protagonistin im Verlauf der Geschichte entwickelt.
Die polnische Regisseurin Agnieszka Holland machte seit den späten siebziger Jahren mit Filmen wie "Aktorzy prowincjonalni" (Provinzschauspieler), "Kobieta samotna" (Eine alleinstehende Frau) oder 1990 mit "Hitlerjunge Salomon" von sich reden und arbeitete zuletzt vorwiegend in den USA. Aus der Novelle "Der Gesang der Fledermäuse" von Olga Tokarczuk hat sie einen zeitkritischen und subversiven Film gedreht, der zwischen Detektivgeschichte, Ökothriller und Märchen changiert.
Duszejko kämpft gegen Missstände in ihrer unmittelbaren Umgebung, für die nicht nur die Wilderer, sondern auch die Jäger exemplarisch stehen. Man kann, so betont Holland, den Film auch in einem grösseren Rahmen politisch interpretieren. In einem Interview, das sie im Februar 2017 dem "Hollywood Reporter" gab, sagte sie: "The hunting lobby in the Polish government is an example. They are passing laws not only against animals, but against those who oppose hunting, too. The Polish foreign minister has spoken out against cyclists, vegetarians and ecologists."
Für die, die sich nicht wehren können, setzt Duszejko sich ein und sie hat eine sehr genaue Vorstellung von einem guten Leben. Einer jungen Frau (Patricia Volny), die vom korrupten Jagdpächter Wnętrzak (Borys Szyc) zur Prostitution gezwungen wird, hilft sie und nennt sie "Dobra Nowina", Gute Nachricht. Dem Informatiker Dyzio (Jakub Gierszał), der wegen seiner Epilepsie ein Praktikum bei der Bezirkspolizei nicht fortsetzen könnte, steht sie bei. Als der tschechische Insektenkundler Boros (Miroslav Krobot) ihr mit wissenschaftlichen Untersuchungen im Wald gefährlich nahe kommt, freundet sie sich kurzerhand mit ihm an. Wie schön wäre es, mit all diesen Gleichgesinnten ein besseres Leben zu beginnen.
Für seine neuen Perspektiven wurde "Pokot" an den Berliner Filmfestspielen 2017 mit dem Silbernen Bären (Alfred Bauer Preis) ausgezeichnet. Die Deutsche Film- und Medienbewertung stufte ihn als "besonders wertvoll" ein. Und die Nominierung für einen Oscar als "Bester nicht englischsprachiger Film" kann als ein gelungener Schachzug der kreativen Filmemacher gegen den polnischen Mainstream gelten.
Foto: © Verleih
Info:
Pokot (Die Spur), Polen, 2017
Regie: Agnieszka Holland
Regiemitarbeit: Kasia Adamik
Drehbuch: Agnieszka Holland, Olga Tokarczuk
Buchvorlage: Olga Tokarczuk, Der Gasang der Fledermäuse
Darsteller: Agnieszka Mandat, Wiktor Zborowski, Patricia Volny, Jakub Gierszał, Miroslav Krobot
Kamera: Jolanta Dylewska, Rafal Paradowski
Schnitt: Pavel Hrdlicka
Musik: Antoni Lazarkiewicz
Produktion: Studio Filmowe Tor, Heimatfilm, Nutprodukce, Chimney group, Nutprodukcia
Länge: 128 Minuten