Serie: Die heute anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 13. Dezember 2012, Teil 1

 

 

Romana Reich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wäre Harry Potter der Welterfolg geworden – erst als Buch, dann als Film – wenn die Hauptperson Harriet Potter geheißen hätte? Wir glauben nein und haben dafür gute Argumente. Nach wie vor ist das Zauberreich, von dem jeder weiß, daß es doch eigentlich in weiblicher Hand ruht - die vielen (verbrannten) Hexen und Elfen und Guten Frauen und Feen nur als Beispiel –, für die großen Geschichten männlich dominiert, ja sogar ausschließlich durch Männerrivalitäten und Männerkämpfe geprägt.

 

DER HOBBIT: EINE UNERWARTETE REISE

 

Ein Märchen? Doch eher eine Überwältigungsphantasie von Männern, denen ein derartiger Überwältingsfilm folgt, daß man auch als Frau – die in den fast drei Stunden nicht vorkam – gedeckelt von dannen schleicht und konstatiert: Was das für abenteuerliche Typen waren, früher, und wie dieser Peter Jackson auch ohne Piximondo die Leinwand in 3 D mit so rasenden, absolut realistischen Bildern füllt, die lauter Phantasieprodukte, die man zeichnen kann, als wirklich vor uns entstehen läßt, daß wir ab sofort kein Bild mehr für echt und wahr halten werden, es sei denn, es beweist uns das jemand.

 

Tatsächlich ist der Film hervorragend gemacht. Das fängt damit an, daß er eine später rasante Jagd gemütlich losgehen läßt. In aller Ruhe fallen sie ein, die Zwerge, in das Heim des Hobbits – das sind diese kleinwüchsigen Menschen, mit denen Autor J.R.R. Tolkien die Kleinbürger veräppelt und lieb hat, die ihr Heim auf typisch englische Art – my home is my castle – liebevoll ausstaffieren, gefüllte Speisekammern haben, in denen auch Obst und Gemüse gehortet ist, daß im gepflegten Garten selbst angebaut wird und dem man beim Wachsen zusieht, wenn man mit dem Pfeiffchen vor der Haustüre sitzt.

 

Von solcher Machart ist Bilbo Beutlin (Martin Freeman), der der Onkel des hobbitschen Helden Frodo Beutlin aus DER HERR DER RINGE, erschienen 1954/55, in Deutschland erst 1969/70, ist. Nach der gefeierten filmischen Trilogie durch den Neuseeländer Jackson in den Jahren 2001 - 2003, wird hier der schmale Vorgängerband, der schon 1937 publiziert wurde, in Angriff genommen, von vorneherein ebenfalls als Trilogie vorgesehen. Daß das nur möglich war, weil Jackson auch weitere Erzählungen hinzunahm, die später erschienen sind, ist hier irrelevant. Auf jeden Fall bedeutet die kleine Stoffmenge, der Regisseur hat viel Zeit und muß alles ausschmückt, so daß im Film eine doppelte Ambivalenz entsteht: in aller Ruhe werden Ereignisse geschildert, die für sich in so rasender Geschwindigkeit – 48 Bilder pro Sekunde, sonst sind es 24 – vor unseren Augen ablaufen, daß wir ständig auf die Leinwand starren müssen und unsere Augen und Ohren und das Hirn ununterbrochen alles zusammenhalten muß, weshalb es nicht langweilige wird, obgleich eigentlich wenig passiert.

 

Auf das Wie kommt es hier an. Dennoch in aller Kürze der Inhalt. 60 Jahre vor HERR DER RINGE in Mittelerde geht es los. Es taucht bei Bilbo der Zauberer Gandalf auf mit seinen 17 Zwergen – ganz schön raumfüllenden Monstergestalten, aber lieb - , die erst seine Vorräte leerfressen und ihn dann bitten, Sie auf ihrer Mission zu begleiten, das Zwergenreich Erebor zu befreien, das der Drache Smaug unterjocht. Am Ende taucht der Drache als Abspann auf. Fortsetzung folgt also. Von den Hobbits gemütlicher Behausung bis zum Auftauchen von Smaug verläuft diese unerwartete Reise der Kampfeslustigen, die alle Widrigkeiten zu bestehen haben, die man sich nur vorstellen kann und die deshalb ohne Verluste, außer Kratzern und Kopfweh, aus den unglaublichsten Kämpfen hervorgehen, weil das Märchen es so will. Märchenhaft ist also nur das Überleben der Guten, denn das ist vorgegeben, daß wir zu den Zwergen halten. Ihre Widersacher auf der Reise sind wie die Orks so unglaublich häßlich, böse, gemeingefährlich, daß unsere Sympathie nicht ins Wanken gerät.

 

Welche Phantasie dabei aufgebracht wurde, das hat nicht nur mit Technik zu tun, sondern mit sehr grundsätzlichen Überlegungen, wie ich die kristalline Welt in einen amorphen Zustand bekomme, der filmisch sensationell wird. Wenn hier Felsen wanken, weil sich der Felsen als das Bein eines Felsenriesen herausstellt, auf dem unsere Rasselbande Zuflucht gesucht hatte, ist das schon was, wenn man dann aber von weiterer Entfernung diese Felsenriesen sieht, wie sich sich gegenseitig Felsbrocken um die Ohren schlagen, woraufhin die Köpfe sofort als Felsen zu Boden rollen und weitere Felsen mit sich ziehen, hat das eine umwerfende neue Weltordnung zur Folge.

 

Oder wenn nun, wo alles zu spät ist, da die vor den hetzenden Tierungetümen auf den hohen Baum geflohenen Zwerge doch gleich in den Abgrund fallen, weil dieser Baum über dem Abgrund gerade herunterrutscht, da kommen diese klugen Vögel daher, die in einfach toller Choreographie einmal diese dicken Zwerge aufpicken oder in die Luft wirbeln, damit der nächste sie auf dem Rücken in Sicherheit bringt. Spätestens bei solchen, einfach toll gemachten Szenen ist klar, daß hier hervorragende Filmarbeit vorliegt – wenngleich fast sinnfrei.

 

Unglaublich auch die Szenen mit Gollum – und da fällt uns auf, daß die Stärke des Films auch darin liegt, daß er immer toller wird, dann einen absoluten Leerpunkt erreicht und dann wieder mit Gollum aufsteigt. Denn hier sehen wir mit eigenen Augen, wie es kommt, daß die Hobbits über den Ring verfügen, den Gollum „mein Schatz“ nennt, von dem Bilbo nichts weiß, als daß er ihn einsteckt und erst dann merkt, daß der Ring ihn unsichtbar macht, der Ring, der das Schicksal von Mittelerde bestimmt. Das bringt uns dann doch auf einen -Titel wie DER RING VON MITTELERDE und daß man den RING DER NIBELUNGEN vielleicht auch einmal als solches gigantisches Märchen, das keines ist, verfilmen sollte.