f hannah 102 v standard644 2c8d13Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 18. Januar 2018, Teil 9

Claudia Schulmerich

Frankfurt (Weltexpresso) – Warum entwickle ich so viele Widerstände beim Zuschauen dieses aus filmischen Dokumenten mit vielen Kommentaren zusammengetragenen Films, der doch, ebenfalls in persönlichen Aussagen, zwei interessante Leute zeigt, die frohgemut ihr Leben dem widmeten, daß es allen Menschen besser gehen soll.

Charismatisch erscheinen sie auf der Leinwand alle beide, die stets lächelnde Hannah Nydahl und ihr Ehemann Ole Nydahl, der zum Guru wurde und sich Lama nennen darf. Warum sie eigentlich nicht? Warum keine Lama Hannah? Nun gut, heute geht das nicht mehr, denn Hannah, der der Film gewidmet ist, ist im Jahr 2007 an bösartigen und erst kurz zuvor entdeckten Tumoren gestorben. Aber der Film, der sich HANNAH nennt, hat ja auch einen Zusatz – EIN BUDDHISTISCHER WEG ZUR FREIHEIT und uns kam es die ganze Zeit so vor, als ob dies der Haupttitel des Film sei. Netterweise nur als ‚ein Weg‘ bezeichnet, ‚ein buddhistischer Weg‘ zur Freiheit, was einerseits offenläßt, daß es auch andere buddhistische Wege gibt und darüberhinaus auch weitere, nicht buddhistischer Wege.

f hanna1Alles andere wäre auch in unseren entwickelten Gesellschaften kontraproduktiv. Eine Religionsgemeinschaft, wobei der Buddhismus ja nachgerade keine ist, wäre heute mit dem Klammerbeutel gepudert, würde sie für sich den Alleinvertretungsanspruch auf die Erklärung der Welt, auf Überirdisches und wie man zu leben hat, erheben. Von daher suggeriert der Film erst einmal Objektivität. Und wir haben uns den Film angeschaut, bevor wir uns dann noch zusätzlich über die Regisseurin Marta György-Kessler schlau machten und über die Diamantweg-Stiftung, der Lama Ole Nydahl vorsteht und mit der die Regisseurin verwurschtelt ist, was zwar auf der einen Seite die Einholung von Informationen und Bildern sowie Filmaufnahmen erleichtert, auf der anderen Seite jedoch zu wenig Distanz zum Gegenstand bringt. Konkret ist sie eine der Botschafterinnen dieser Richtung des Buddhismus und ist jahrelang mit Hannah in der Welt im Namen der Stiftung unterwegs gewesen.

Und so blieben wir den ganzen Film über gespalten. Denn Hannah, diese schöne junge Frau aus Dänemark, die mit ihrem schönen jungen dänischen Mann zur Hochzeitsreise in den Himalaya – Nepal und dort Kathmandu war das non plus ultra für jeden Hippie - reist, ist grundsympathisch und bleibt es den ganzen Film über. Sie wirkt auf mich weniger als eine Buddhistin, denn als Ikone der 68er sowie Hippie-Bewegung, die ja im tiefsten Grunde das friedliche und glückliche Zusammenleben der Menschen allüberall auf der Erde wollten – und eben persönlich dazu beitragen wollten. Kopenhagen war dafür in den Sechzigern kein schlechter Ort. Aus allem, was Hannah später äußert, spricht tiefster Humanismus, aber auch die Sehnsucht, daß ihr jemand den Weg durch das Dickicht des Lebens weist. Und die Genugtuung mit dem 16. Karmapa den tibetischen Guru gefunden zu haben, der durch das unsichere Erdenleben die Schneise schlägt, die sie ausarbeiten und verbreiten muß, damit ihr Leben einen Sinn erhält. Und nicht nur sie, das alles geschieht zusammen mit ihrem Ehemann.

Allein das Letztere ist eine Lebensleistung. Wer weiß, wie schwierig es werden kann, wenn man mit 20 Jahren – so wie Hannah – einen gerademal 25jährigen heiratet, der findet es erst einmal erstaunlich, daß die Ehe gehalten hat, von 1986 bis zum Tod der Protagonistin im Jahr 2007. Im Film erlebt man es eher so, daß die gemeinsame Entscheidung, die tibetische Richtung des Buddhismus, die Karma-Kagyü-Schule in die westliche Welt – sie waren die ersten Schüler aus dem Westen, weshalb sie dort Meditationszentren gründen sollten - zu befördern, diese Beziehung ausgemacht hat, der sich alles andere unterordnete. Denn die Nydahls haben hunderte von buddhistischen Zentren gegründet, auftragsgemäß zuerst in Europa und dann in der ganzen Welt, das kann man in der Stiftung Diamantenweg verfolgen, die von Ole Nydahl bestimmt wird.

Was einen irritiert, ist die ununterbrochene Überhöhung dieser, wie gesagt, grundsympathischen und immer schönen Frau. Hat sie nicht auch einmal schlechte Tage gehabt. Hat sie nie gezweifelt oder war sie nie verzweifelt. Mit einem Lächeln durchs Leben zu gehen, sieht zwar nett aus, gleichwohl es fehlt einem der Glaube, daß es immer lächelnd ging. Sobald aber in einem Film ein wirklicher Mensch immer nur als glücklich und hochzufrieden präsentiert wird, regt sich Widerstand. Schon deshalb, weil man selber weiß, wie glücklich man sein kann, wenn nach schlechten Zeiten bessere kommen, denn Auf und Ab gehört schon zum menschlichen Leben. Und wenn dieser Buddhismus einen unendlich ebenen und stets glücklichen Weg verheißt, dann stimmt daran etwas nicht. Wie mit diesem Film.

Die lächelnde Hannah, die dann so früh, mit 60 Jahren gestorben ist, und die doch das Zentrum des Films sein soll, kommt einem im Filmverlauf eher als diejenige vor, die den Film nach außen zusammenhält, der im Inneren doch etwas anderes bezweckt: nämlich für den Buddhismus zu werben und dies nicht allgemein, sondern für den Karmapa-Buddhismus, dessen Führer die Buddha-Reinkarnation in Anspruch nimmt, die Lama Ole Nydahl und seine Stiftung Diamantenweg, die über 500 Zentren gründeten, befeuern.

Und so läßt sich auch der Widerstand, der einen beim Zuschauen befällt, sehr gut erklären. Man hat Mitgefühl mit dem Menschen Hannah, der wir gerne das Attribut einer Lichtgestalt gönnen, aber man hat Ressentiments, wie ihre Person benutzt wird, wäre sie auch selbst damit noch so einverstanden gewesen.

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