f letzte tageSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 25. Januar 2018, Teil 1

Romana Reich

Berlin (Weltexpresso) – Der Film trägt das Jahr 2016 als Entstehungsdatum. Gerne wüßte man von den handelnden Personen, wie es ihnen 2018 ergeht. Gleichwohl, dies ist kein Dokumentarfilm – und trotzdem wüßte man es gerne, so persönlich sind die Rollen angelegt.

Tatsächlich wie Du und ich, nein, nicht in Berlin, sondern im niedergehenden Havanna, das das ganze 20. Jahrhundert niederging und doch immer weiterlebt. Gut, die Euphorie muß man lassen, die darin besteht, daß wir auf vielen Reisen durch die ganze Welt nirgends so interessante, so zugewandte, so viele Sprachen sprechende Menschen fanden wir auf Kuba. In den Jahren 2016 oder auch 2018 waren wir nicht dort, aber bei allen Aufenthalten seit den 70er Jahren war der Mut, die gute Laune, die bodenständige Toleranz und Körperlichkeit, die Wißbegierigkeit und die Sehnsucht nach der Welt außerhalb der Insel Kuba immer faszinierend.

Und nun die letzten Tage? Sehr dystopisch. Ist das gut oder schlecht gemeint? Ist es mit Havanna bald aus? Stirbt es dahin oder sind es die letzten Tage des Niedergangs, der ein strahlendes Morgen folgt oder oder? Einige Personen bevölkern diese letzten Tage, die noch dazu miteinander verschränkt sind. Da gibt es Miguel (Patricio Wood) und Diego (Jorge Martínez), zwei Schulfreunde, heute in den Vierzigern, die in einer der verwohnten Wohnungen in einem heruntergekommenen Haus, mit schiefen Türen und abgeblätterten Fassaden hausen – in Havanna, dem Zentrum des Landes. Eine Wohnung und doch zwei völlig unterschiedliche Situationen. Denn Miguel ist Tellerwäscher, bei dieser Arbeit kann er gut vor sich hinträumen und sich ausmalen, wie es wird, wenn er endlich sein US-Visum bekommt und die Flatter macht und sich in den USA dann hocharbeitet und...

Tja, was würde dann aus Diego? Der ist Besitzer der Wohnung und an Aids erkrankt, längst schon bettlägerig und wie es scheint im letzten Stadium, was die schwangere Nichte dazu bringt, den Onkel zu motivieren, ihr die Wohnung als Erbmasse zu versprechen und nicht nur das, sie möchte mitsamt ihrer Entourage mit vielen Tieren gleich einziehen. Und da denkt der Zuschauer viel eher: Tja, was würde dann aus Miguel? Man sieht, die zwei Schulfreunde sind miteinander verschachtelt, die im übrigen sehr unterschiedlicher Natur sind, nicht nur, was sexuelle Präferenzen angeht. Der dem Tod geweihte Diego ist der, der nach dem Leben giert und noch dazu gehören möchte, und Miguel lebt in seinem inneren Gefängnis, das nur ein Ziel kennt: sein Weg in die USA.

Also lernen wir, wenn die Kamera von Diego erzählt, sehr viel mehr von Kuba und seinen Menschen kennen, als beim einsamen Wolf Miguel. Und wir lernen dabei auch kennen, wie unterschiedliche Menschen mit todbringenden Krankheiten umgehen. Sehr unterschiedlich und doch bei jedem verständlich. Wenn die eine Nachbarin sogar Kuchen für den Kranken backt, er diesen jedoch ohne sie verzehren muß, weil sie dessen todkranken Anblick einfach nicht aushält, zu traurig wird, weinen muß. Und Pedro darf nicht fehlen, der Strichjunge von der Straße, den Miguel ab und zu aufliest und ihn Diego mitbringt. Von dem Geld lebt dann Pedros Familie auf dem Land.

In dieser Form als Zusammenhäufung von Einzelschicksalen erleben wir den Kosmos Havanna – und müssen konstatieren, die letzten Tage von Havanna hatten wir schon vor 10-20 Jahren genauso erlebt. Was anders ist, ist die politische Realität. Daß nämlich nach dem Tod des revolutionären Fidel auch dessen Bruder die politischen Amtsgeschäfte als Präsident am 19. April niederlegt, nein, das kann man sich immer noch nicht vorstellen.

Aber von Politik wird im Film nicht gesprochen. Regisseur Fernando Pérez gelingt es, die Rollenträger im Film zu den einzig bedeutsamen Figuren zu machen, die getragen von tiefer Liebe zu Havanna und seinen Einwohnern für jeden Zuschauer eindrucksvoll agieren und verständlich machen, was Heimat für diese Kubaner ausmacht, so daß selbst Sehnsuchtsträumer wie Miguel dann, wenn sie endlich das Visum erhalten...

Aber, wir geben es zu, ganz objektiv sind wir nicht. Denn das, was der Regisseur auf die Leinwand bringt, ist zwar ein Spielfilm, aber er ist derart von den Verhältnissen und menschlichen Gegebenheiten von Kuba geprägt, die für denjenigen, der Kuba mitliebt, den Film einfach großartig und bedeutend macht. Human eben.