Der Wettbewerb der 68. Berlinale vom 15. bis 25. Februar, Film 10

berl18 flybridgeClaudia Schulmerich

Berlin (Weltexpresso) – Das nun war ein Film aus Schweden, der in der Ankündigung spannend klang, der aber während der Vorführung zunehmend den Zuschauer lähmte. Zumindest mich und die um mich herum. Leider kann der Film sich auch nicht entscheiden, ob er ein Dokumentarfilm sein soll oder ein Spielfilm, Mans Mansson und Alexander Petersen teilen sich Regie, Buch und Kameraführung.

Was einem sofort einleuchtet, ist der Grundkonflikt einer älter gewordenen Frau, Nojet (Léonore Ekstrand), die braun gebrannt, was in diesem Alter viele Falten bedeutet und verbrannte Haut, im Süden Europas lebte und nun nach Stockholm nach Hause kommt, weil sie nach dem Tod des Vaters Erbin eines sehr großen Mietshauses ist. Doch, sie will nicht nur Geld absahnen, sie will Verantwortung übernehmen, aber in einer Art des Kapitalismus von vorgestern. Denn sie hat die Methoden einer Großgrundbesitzerin drauf, klingelt an den Türen und will einfach eingelassen werden und von den Mietern die Mietverträge sehen.

Das normale Verfahren wäre natürlich, daß sie den Hausverwalter, bzw. den Rechtsanwalt ihres Vaters, der über allem die Hand hält, danach fragt. Aber die sagen ihr gleich: es gibt keine Mietverträge, weil die derzeitigen Mieter alle durch Weitervermietung unter der Hand den Wohnraum fanden. Wer steckt das Geld ein, das sich zwischen der sicher per Dauerauftrag überwiesenen Miete und dem aktuellen Mieter, der mehr zahlt, akkumuliert, so daß das Vermieten unter der Hand doch einen Gewinn abwirft. Aber eben nicht für den Hausbesitzer, das will die neue alte Erbin ändern.

Ganz schön impertinent, diese neue Hausbesitzerin, die da nicht nur in die Wohnungen eindringt, sondern dann auch noch mehr als heikle Fragen stellt. Sie ist eine harte Nuß, das merkt man gleich und was dann komisch ist und bei der Fadheit, die der Geschichtsverlauf nimmt, immerhin aufheitert, ist das persönliche Fitnessprogramm der älteren Dame, die ein Beispiel dafür ist, wie man auch in höherem Alter über Sportausübung Standfestigkeit erhält. Ob Hanteln, Geräte, sie scheut nichts und einen alten Körper in diesen Übungen sozusagen vor der Kamera zur Verfügung zu stellen, kennt man von Frauen eher weniger, während man alte knitterige Haut von Männern häufiger sieht. Bei älteren Männern allerdings ist meist einiges Buchfett dabei, unsere Hauptdarstellerin ist aber eine ganz dünne und zähe.

Auffällig ist, wie wenig die große Leinwand genutzt wird. Selten kommt das gesamte Haus in den Blick, und wenn, auch nur dazu, damit die neue Besitzerin die Fenster durchzählen kann. Ansonsten ist durchgehend Großaufnahme. Eine neue Begründung dafür nannte dann der Kameramann Mans Mansson. Er als Vater von kleinen Kindern käme überhaupt nicht ins Kino und er kennt genug Leute, denen es genauso geht. Deshalb schauen sie sich dauernd Filme auf ihren Handys an, und da sind die Großaufnahmen einfach sinnvoller, weil sie im kleinen Format doch was erkennen lassen.

Die Frau ergreift angesichts der Schwierigkeiten, die auch darin liegen, daß sie nicht weiß, was sie will: verkaufen, alte Mieter rausschmeißen, renovieren, neue Mieter, verzweifelte Maßnahmen. Denn sie merkt, daß sie die Leute, wenn sie ihr Geld zahlen, nicht rauskündigen kann. Wenn man so ein Haus erbt, kann man die Mieter also nicht loswerden. Nur, wenn es brennt, darf man die Mieter dann evakuieren. Und genau dies ist am Schluß die Lösung, so deutet sich an. Welche Probleme das ergibt, ist nicht mehr Thema des Films, der nach der Brandlegung aus ist.

In der Pressekonferenz, in der sich Kollegen wieder gegenseitig überboten, sich über die geniale Qualität des Films auszulassen – woher dann die schlechten Kritiken und leeren Punkte bei der Bewertung durch die Festivalkritiker kommen, muß man sich wirklich fragen – sagte Hauptdarstellerin Léonore Ekdtrand einen Satz, der alle, die den Film kritisch sehen, aufhorchen ließ. Tatsächlich die Dame traut sich was. Nicht nur im Film. Sie äußerte zur von ihr gespielten Figur: „Ehrlich gesagt, ich habe sie gar nicht verstanden, zumindest nicht alle Aspekte.“

Da bin ich aber froh, denn da treffen sich das Unverständnis der Schauspielerin und der Zuschauerin. Die Figur hat keine Freunde in Stockholm, ist verzweifelt, weil sie nicht weiß, wie sie mit dem Erbe umgehen soll. Die Schauspielerin lobt diese beiden Regisseurin, die ihr sagten, was sie wann wie tun soll. Das hat sie befolgt, unkte sie, weil sie das jüngste Geschwisterkind ist. Die Regisseure fanden nun wiederum das Gesicht der Schauspielerin so sensationell, daß man sie oft in Großaufnahme sieht, genauso wie das Mietshaus, das die Kamera wohl wie ein Gesicht empfand.

Was einen wundert, ist das Auslassen eines sozialkritischen Ansatzes. Das interessiert die Regisseure überhaupt nicht, die dies ausschließen. Das wundert einen dann schon. Sie wollten diese kleine versteckt Welt mit der Kamera erforschen. Der Film soll keine Debatte zum schwedischen Wohnungsmarkt sin Gang setzen. Es ist kein politischer Film, darauf legt Mans Manssen Wert, allerdings wäre darauf auch niemand gekommen.

Eine Enttäuschung.

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