rk La enfermedad del domingo Sundayu2019s IllnessEin Rückblick: Frauenbilder auf der Berlinale, Teil 2/2

Rita Kratzenberg

Berlin (Weltexpresso) -In der Reihe „Panorama Special“ lief mit LA ENFERMEDAD DEL DOMINGO (SUNDAY’S ILLNESS) ein weiterer Mutter-Tochter-Film. Regisseur und Autor Ramón Salazar beweist hier, dass auch ein Mann dieses Thema einfühlsam behandeln kann.

Sein Film konzentriert sich auf zwei Personen. Die erfolgreichen Geschäftsfrau Anabel (Susi Sánchez) entdeckt während eines Empfanges in ihrer Villa, dass die von ihr engagierte Servicekraft ihre Tochter Chiara (Bárbara Lennie) ist, die sie vor über 30 Jahren verlassen hat. Über die Vergangenheit erfährt man nicht viel. Chiara war damals gerade acht Jahre alt, sie blieb bei ihrem Vater. Vermutlich hat Anabel von dem anderen Mann ein komfortables Leben erhofft – was sie dann ja auch bekommen hat. Chiara will kein Geld von ihrer Mutter, gewissermaßen als finanziellen Ausgleich für die entgangene Mutterliebe. Sie will stattdessen zehn Tage gemeinsam mit ihrer Mutter verbringen.

So kommt es, dass die beiden, einander fremden Frauen in ein abgelegenes Haus in den Bergen fahren. Chiara geht zuerst ihre eigenen Wege und scheint ihrer Mutter keine größere Beachtung zu schenken. So drückt sie den Schmerz aus, den der jahrelange Verlust ihr bereitet hat. Erst ihr lebensbedrohlicher Zusammenbruch bringt sie der Mutter näher. Es stellt sich heraus, dass Chiara todkrank ist. Jetzt muss die Mutter eine Entscheidung treffen: Sie hilft ihrer Tochter beim Suizid. Salazars Film lebt von den Hauptdarstellerinnen Susi Sánchez und Bárbara Lennie. Beide verstehen es, dem Film emotionale Tiefe und Glaubwürdigkeit zu verleihen. LA ENFERMEDAD DEL DOMINGO war eine Entdeckung, die abseits des Wettbewerbs leider ein wenig untergegangen ist.

Das kann man von dem Panorama-Eröffnungsfilm STYX von Wolfgang Fischer (Co-Autorin: Ika Künzel) nicht behaupten. Rike, eine gestresste Ärztin, möchte sich mit ihrem Jahresurlaub einen Traum erfüllen und allein auf einem Segelschiff von Gibraltar nach Ascension, einer kleinen tropischen Insel im Atlantischen Ozean, segeln. Man ahnt es schon, sie wird Afrikanern auf dem Weg nach Europa begegnen. Und so kommt es auch: Nach einem Sturm sichtet sie ein schwer beschädigtes Boot, auf dem sich viel zu viele Flüchtlinge befinden. Die von ihr über Funk angeforderte Hilfe kommt nicht. Ein junger Mann, fast noch ein Kind, schafft es, mit letzter Kraft zu ihrem Segelschiff zu schwimmen. Sie versorgt ihn. Als ein vorbeifahrendes Frachtschiff sich weigert, Hilfe zu leisten, wird die Situation immer dramatischer. Der junge Flüchtling setzt sie unter Druck und zwingt sie zu einer Entscheidung. Da für das Flüchtlingsboot anscheinend keine Hilfe kommt, setzt sie nun für ihr Segelboot einen Notruf ab. Sie geht sogar selbst auf das Flüchtlingsboot, um zu helfen. Viele Menschen an Bord sind in einem schlimmen Zustand, einige tot. Endlich kommt die Küstenwache.

STYX bekam natürlich wegen seines aktuellen Themas mehr Aufmerksamkeit als die privaten Dramen. Doch der Film wirkt allzu konstruiert. Den vorbeifahrenden Frachter mag man noch hinnehmen, die nicht reagierende Küstenwache ist angesichts eines Films wie SEEFEUER (Goldener Bär 2016) weniger glaubwürdig, scheint aber zur Dramatisierung des Geschehens notwendig.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Berlinale eine Vielfalt von Frauenbildern bot, ob privat oder politisch. Besonderes kurios ist allerdings, dass der Film mit den meisten aus dem Kinosaal Geflüchteten, der übrigens von einer Regisseurin stammt, den Goldenen Bären erhielt.

Foto:
La enfermedad del domingo | Sunday’s Illness
Land: ESP 2018
Regie: Ramón Salazar
Bildbeschreibung: Susi Sánchez, Bárbara Lennie
Sektion: Panorama
© Lucía Faraig