Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 15. März 2018, Teil 7
Kirsten Liese
Berlin (Weltexpresso) – Kleider machen Leute. Aber Robert Schwentkes Groteske kommt mitnichten so harmlos daher wie Gottfried Kellers berühmte Novelle und hat sich- das möchte man gar nicht glauben- tatsächlich zugetragen.
Die abstruse Geschichte beginnt im April 1945, kurz vor der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht mit Bildern von großer Atemlosigkeit. Herold, ein junger Soldat, ist auf der Flucht. Nur knapp entkommt er seinen Verfolgern, aber warum ihn ranghöhere Offiziere gejagt haben, bleibt offen. Vermutlich wollte er desertieren wie jener Robert, den der blutjunge Götz George in Wolfgang Staudtes 1960 gedrehtem Schwarzweißfilm „Kirmes“ spielt, an den die ersten Szenen erinnern.
Tatsächlich fühlt man auch mit Herold, wie er sich so verdreckt und voller Angst im Unterholz versteckt, als einer sympathisch erscheinenden Figur mit- zunächst. Als er auf der Rückbank eines abgestellten Fahrzeugs zufällig die Uniform eines Hauptmanns findet, ist das seine große Chance. Der Glückspilz muss nicht lange üben, um sich nach dem Kleidertausch glaubwürdig wie ein Hauptmann aufzuspielen. Jedenfalls hat Freytag, ein ebenfalls von seiner Einheit Getrennter, der ihm kurz darauf über den Weg läuft, sofort Respekt vor dem Hochstapler und führt seine Befehle aus. Mit noch weiteren Versprengten, darunter dem aggressiven Kipinski, kann sich Herold alsbald eine Leibgarde aufbauen. Aber weniger seine Kameraden als seine eigene Cleverness bewahren den Filou davor, dass der Schwindel auffliegt. In einem Strafgefangenenlager, in das er nach einer Kontrolle mit seiner Kampftruppe beordert wird, gelingt dem Gerissenen sein größter Bluff. Er täuscht jedoch nicht nur den Sonderbeauftragten des Justizministeriums, der ihm nach anfänglicher Skepsis tatsächlich abnimmt, dass er im Auftrag des Führers einen Bericht über die Lage an der Front verfassen soll, sondern auch den Kinozuschauer. Denn so wie sich der harmlose Schelm plötzlich als ein monströser Sadist zu erkennen gibt der die Pläne aller anderen SS-Oberen mit seinen abscheulichen Verbrechen noch überbietet, wird aus der burlesken Köpenickiade ein knallhartes Drama über die Barbarei des Krieges.
Als erster Regisseur überhaupt erzählt Robert Schwentke eine in der NS-Zeit angesiedelte Geschichte aus der Perspektive des Täters und macht es dem Publikum mit seiner bitteren Pointe absichtlich schwer.
Brutaler ließe sich die Illusion, ein Soldat der deutschen Wehrmacht könne seine neu gewonnene Macht und seine Überlegenheit nutzen, um Anderen in Not zu helfen, nicht zerstören.
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Info:
D, F, P 2017. R:Robert Schwentke. D: Max Hubacher, Milan Peschel, Frederik Lau, u.a. 119 Min. Start: 15. März Verleih: Weltkino