Hanswerner Kruse
Berlin (Weltexpresso) - Bereits vor einiger Zeit warnten besorgte Mediziner, die Freude aufs Feierabendbier deute auf Alkoholmissbrauch hin. Jedoch damit befasst sich der, soeben auf der 68. Berlinale uraufgeführte Film „Feierabendbier“, der jetzt in die Kinos kommt, gar nicht.
Eigentlich ist der Eigentümer der Bar „Feierabendbier“ ein cooler attraktiver Mann, doch mit Frauen hat er nichts mehr im Sinn. Stattdessen fetischisiert Magnus (Tilman Strauß) nur noch seinen 81er-Mercedes-SEC, der zu seinem Lebensinhalt geworden ist. Zum bluesigen „I am waiting all night“ fährt er abends mit dem Kultauto zur Kneipe, in der auch bald seine Freunde einlaufen und absurd-komische Dialoge führen. „Mich stört Deine heterosexuelle Sexpropaganda rotzt der schwule Besitzer der Werkstatt, die der Autofetischist ständig aufsucht, seinen Mechaniker Dimi (Johann Jürgens) an. Ständig versucht dieser sexhungrige Maniac seinen Freund Magnus (wieder) mit Frauen zusammenzubringen. Denn der lebt von seiner Freundin getrennt und hat den gemeinsamen Sohn seit einem Jahr nicht mehr gesehen.
Als plötzlich die kostbare Karosse geklaut wird, freut sich Dimi: „Mensch, Du bist jetzt frei, weil Du nicht mehr fahren musst.“ Im Hintergrund läuft der Blues „Baby please come back.“ Magnus macht den schrillen Bene (James Newton) für den Autoklau verantwortlich. Tage zuvor hatte der wie ein Irrer versuchte, dem Barmann das Auto abzuschwatzen. Dimi schleppt ihn mit in einen Swinger Club, in dem sich Magnus jedoch mit dem dort zufällig auftauchenden Autodieb prügelt. Nach dem Rauswurf aus dem Club, beginnt Magnus mit der, ebenfalls etwas aus der Bahn geworfenen Künstlerin Vivian (Julia Dietze) eher zufällig eine Affäre. Nach etlichen Missverständnissen verstehen sich die beiden Loser recht gut. „Ich hatte noch nie was mit ’nem Barmann“, meint Vivian. „Da muss Du ja auch immer bis zum Schluss bleiben“, kontert Martin.
Der ältere Manfred (Christian Tramitz, der aussieht wie Dieter Bohlen), sitzt jeden Abend in der Bar und gibt den Sterndeuter. Hochgestochen kommentiert er astrologisch die Ereignisse um sich herum und führt alle Unbilden auf den derzeitigen „Scheiß-Saturn“ zurück... An dieser Stelle unterbrechen wir die Handlung, denn es gibt noch weitere spannende Probleme und überraschende Wendungen. Die Entwicklung der spannend und humorvoll erzählten Geschichte ist nicht vorhersehbar, man ahnt nicht, was als nächstes passieren wird.
Die Charaktere der unterschiedlichen Figuren werden scharf und leicht überzogen dargestellt, doch daraus entsteht kein schenkelklopfender Klamauk. Vielmehr liegt über dem Film eine sanfte Melancholie, die durch die häufige Bluesmusik im Hintergrund verstärkt wird. Die schönen Bilder leisten ihr übriges, sie sind zwar recht stylisch und gut fotografiert, aber keinesfalls aalglatt wie Werbebilder.
Filmemacher Ben Brummer wollte Alltag abbilden, doch der ist schon recht abgehoben. Freundlicherweise verzichtet er jedoch auf die, bei zeitgenössischen Jungregisseuren so beliebten Wackelbilder der Handkamera und improvisierten Dialoge. Die sollen ja Authentizität suggerieren und wirken meist nur dilettantisch. Die wenigen Frauen im Film sind erstaunlicherweise nicht so stark und präsent, wie in vielen anderen aktuellen Berlinale-Streifen. Dennoch ist „Feierabendbier“ starkes und sehenswertes Kino mit intelligentem Humor. Die Vorfreude auf diesen Film sollte man sich nicht durch medizinische Warnungen vor Feierabendbier verleiden lassen.
Foto:
Der Sterndeuter (2. v. l. Christian Tramitz) erläutert seinen Freundinnen die Konstellation der Sterne und führt alle aktuellen Unbilden auf den „Scheiß-Saturn“ zurück © GAZE Film / Jakob Wiessner
Info:
„Feierabendbier“, D 2017, 113 Minuten. Filmstart 15. März 2018
Regie Ben Brummer, Tilman Strauß, Julia Dietze, Christian Tramitz, James Newton u. a.
Regie Ben Brummer, Tilman Strauß, Julia Dietze, Christian Tramitz, James Newton u. a.