f thelma2Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 22. März 2018, Teil 8

N.N.

Oslo (Weltexpresso) - Zuschauer, die den naturalistischen Ton Ihrer früheren Filme AUF ANFANG, OSLO, 31. AUGUST und LOUDER THAN BOMBS kennen, könnten davon überrascht sein, dass Sie nun einen übernatürlichen Thriller gedreht haben. Wie kam es dazu?

Um ehrlich zu sein, habe ich immer den Film gedreht, den ich in diesem Moment gerade machen wollte. Dieses Mal wollten wir etwas völlig Neues ausprobieren. Als ich aufwuchs, schaute ich ständig Filme und es gab immer etwas, das man eher durch Gedankenbilder ausdrücken konnte.
Ich schaute mir viele Antonioni und Bergman Filme an, aber auch Brian De Palma. Ich habe schon immer die existentiellen Verwicklungen in DEAD ZONE – DER ATTENTÄTER von David Cronenberg geliebt. Es ist fast ein Märchen, in dem man etwas sehr Menschliches und Zugängliches in einem gleichzeitig übernatürlichen Rahmen zeigen kann.


Wie begann die Geschichte von THELMA?

Ich hatte die Idee einer Art Hexengeschichte, die in Oslo spielt. Ich bin ein Filmfreak und ging gerade durch eine Phase, in der ich gemeinsam mit meinem Co-Autoren Eskil Vogt eine Menge Giallo angeschaut habe – italienische Horrorfilme aus den 70er Jahren. Ich erinnere mich an die Filme JACOB'S LADDER – IN DER GEWALT DES JENSEITS von Adrian Lyne und BEGIERDE von Tony Scott, der sehr visuell war. Eskil und ich sprachen darüber, wie diese Art von Filmen nah an etwas sehr Menschliches herankommen, das mit Angst und Sterblichkeit und diesen existentiellen Fragen zu tun hat, aber eben durch die Darstellungsformen des Genres kommuniziert wird. Das ist der eine Teil. Und dann begannen wir damit, mit einigen Ideen zu
arbeiten, die direkt aus spezifischen Szenen und Bildern entstanden. So kristallisierte sich mehr und mehr ein Charakter heraus und das war Thelma.
Bevor es uns bewusst wurde, jonglierten wir mit zwei Bällen. Zum einen die uns bereits vertraute Coming-of-Age-Geschichte, die ein wenig dem jungen Bruder in LOUDER THAN BOMBS oder der melancholischen Einsamkeit in OSLO,  ähnelt – und gleichzeitig dieses GenreElement. Es hat Spaß gemacht, dieses besondere Charakter-basierte Geschichtenerzählen anzuwenden, das mir sehr vertraut ist und zu sehen, ob ich visuell in ein Universum gelangen
kann, in dem es mehr Platz für Vorstellungskraft gibt.


Ohne zu viel zu verraten – obwohl die Zuschauer jederzeit eine Anspielung verstehen können, sobald Wildtiere oder Gewässer auf der Leinwand erscheinen – gibt es tatsächlich visuelle Versatzstücke, die den Film heraus aus der rationalen Welt und hinein in ein Reich der Träume, Albträume und des Phantastischen holen. Wie fühlte es sich an, diesen Weg zu entdecken?

Es war wirklich befreiend. Die Geschichte hat eine fast mythische Qualität. Es geht um einen Vater und eine Tochter. Es geht auch um die Unfähigkeit, das eigene Schicksal zu akzeptieren. Die Geschichte hat diese mythenhafte Ebene, die im norwegischen Kino gerade sehr ungewöhnlich ist. Für mich war es sehr interessant, nicht nur das erste Mal in Cinemascope zu drehen, sondern auch neue Schauspielerinnen zu finden, die die Zuschauer vorher noch nicht gesehen haben. Eili Harboe hat ein wenig Erfahrung, aber sie ist an sich keine ausgebildete Schauspielerin. Kaya Wilkins ist eine Musikerin unter dem Namen Okay Kaya, die wir überzeugt haben, bei dem Film dabei zu sein.


Eili Harboe bringt Thelmas Gefühle mit einem schmerzhaften Feingefühl zum Ausdruck. Comingof-Age-Geschichten sind allein schon ein brennendes Thema, bei THELMA gibt es zusätzlich ihre Anziehung zu einer anderen jungen Frau, was vielleicht im Widerspruch zu ihrer religiösen Erziehung steht.

Es ist ein Problem für Thelma, weil sie die Kritik ihrer Eltern an dieser Lebensweise verinnerlicht hat, aber ich wollte es als eine reine und schöne Sache zeigen. Es ist kompliziert für Thelma zu akzeptieren, wer sie wirklich ist. Witzigerweise habe ich parallel zur Postproduktion von THELMA mit dem norwegischen Autor Karl Ove Knausgård an einem Dokumentarfilm über den norwegischen Maler Edvard Munch gearbeitet, der Der Schrei und all diese innerlich von Angst beherrschten Gemälde gemalt hat. Munch hat allerdings auch zahlreiche Gemälde über Schönheit und Sinnlichkeit, über die Komplexität und das Schuldempfinden über Freude in der skandinavischen Kultur gemalt. Er beschäftigte sich viel mit jungen Menschen, die Macht und
Selbstverständnis erreichen.


Das wird auf jeden Fall klar. Man kann das paranormale Phänomen fast spüren, das Thelma als Reaktion auf die Unterdrückung entwickelt.

Ich bin ein großer Fan von Hitchcocks Stil, ein psychologisches Dilemma als Ausgangspunkt für eine Erzählung zu verwenden. Das Kindheitstrauma von MARNIE, die Angst und Schuld in VERTIGO, das hat etwas Spielerisches und inspiriert mich. Bei uns ist es die Angst vor dem eigenen Körper. Eine junge Frau erleidet unerklärliche Anfälle, die bereits früh im Film beginnen, für die die Ärzte und die Wissenschaft keine Erklärung haben. Ich habe sehr viel recherchiert. Es gibt tatsächlich psychogene nicht-epileptische Anfälle (PNE Anfälle). SieSie haben keine übernatürliche Bedeutung, aber es ist verdammt viel los im Bereich psychologischer und somatischer Erfahrungen des menschlichen Körpers, die schwer zu erklären sind.

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Info:
Besetzung
Thelma                       Eili Harboe
Anja                            Kaya Wilkins
Trond                          Henrik Rafaelsen
Unni                           Ellen Dorrit Petersen
Thelma - 6 Jahre       Grethe Eltervåg
Neurologin                 Marte Magnusdotter Solem
Dr. Paulsson              Anders Mossling
Anjas Mutter              Vanessa Borgli
Kristoffer                    Steinar Klouman Hallert
Julie                           Ingrid Giæver
Daniel                        Oskar Pask
Krankenschwester    Camilla Belsvik
Bademeister             Lars Berge
Großmutter               Vibeke Lundquist
Mathe-Professor      Tom Louis Lindstrøm
Biologie-Professor    Irina Eidsvold Tøien
Bruder                      Ludvig Algeback, Ian Twedmark Toll, Vidar Fransson